Abrissbirne Gabriel drückt auf’s Tempo, energiepolitische Endralley vor der Sommerpause schiebt Bügerenergie ins Abseits
Digitalisierungsgesetz: Smart-Meter-Zwang
Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewend, kurz Digitalisierungsgesetze, mache den Stromsektor zum Vorreiter, denn es ermöglicht neue, innovative Geschäftsmodelle z. B. durch die Verknüpfung erneuerbarer Stromerzeugung mit Verbrauchern, so verlautbart das Bundeswirtschaftsministerium diese Woche auf seiner Webseite. Im Zentrum des Gesetzes stehe die Einführung intelligenter Messsysteme. Diese Intelligenz sei unabdingbar, um das Stromversorgungssystem energiewendetauglich zu machen.
Tatsächlich bringt das Gesetz eine weitere Kostenbelastung für die Betreiber kleinerer PV-Dachanlagen. Die Ausweitung der Einbaupflicht von Smart-Metern wird sich negativ auf die eh schon schwache Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen in Deutschland auswirken. Ein typisch neoliberales Werk, das zwanghaft versucht, neue Geschäftsfelder zu generieren und dies kombiniert mit einem Tritt vors Schienbein der Bürgerenergie. Zusammen mit den jüngst bekannt gewordenen Plänen aus dem Bundesfinanzministerium (BMF), den Eigenbedarf von Solarstrom oberhalb von 20 Megawattstunden im Jahr künftig zu besteuern, zeigt dies die gleiche Stoßrichtung wie die anderen Gesetze. Die Bürgerenergie wird wirtschaftlich in die Enge getrieben.
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Strommarktgesetz: Kohlekraftwerke sollen Sicherheitsbereitschaft übernehmen
Der Bundestag hat in der letzen Wochen gleichfalls das Strommarktgesetz beschlossen. Es solle die Weiterentwicklung des Strommarktes vorantreiben, vermeldet das Bundeswirtschaftsministerium. Das massive Problem der fossilen Überkapazitäten insbesondere bei den Braunkohlekraftwerken wird also nicht durch Abschalten und Abriss der Uraltmeiler gelöst. Im Strommarktgesetz wird stattdessen eine sogenannte Kapazitätsreserve erfunden, um angeblich drohende Probleme in der Übergangsphase des Strommarktes weg von der Kernenergie hin zu erneuerbaren Energien zu vermeiden. Ab 2016 werden 13 Prozent der Braunkohlekraftwerke schrittweise aus dem Netz genommen und außerhalb des Strommarktes als Reserve deklariert. Sie gehen in eine sogenannte Sicherheitsbereitschaft, für die die Kraftwerksbetreiber eine Vergütung erhalten. Erst nach Ablauf dieser Sicherheitsbereitschaft sollen die eh schon abgeschriebenen Kraftwerke endgültig stillgelegt werden. So bekommen klamme Konzerne Milliarden zugeschustert. Zahlen müssen das wieder einmal die Stromkunden.
Link: http://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=771762.html
Neue Regeln für Fracking, aber kein Verbot
Am 24. Juni hat der Bundestag, wiederum mit der Mehrheit der Koalitionsparteien, ein Gesetzespaket zur Regelung des Fracking verabschiedet. Danach gilt kein generelles Fracking-Verbot, eingeführt werden aber eine Reihe von neuen Regelungen und Einschränkungen. Ein Verbot gibt es nur für das sogenannte unkonventionelle Fracking, bei dem Gas aus tiefen Gesteinsschichten durch Einpressen von Wasser, Sand und diversen Chemikalien gefördert wird. Zu wissenschaftlichen Zwecken hingegen sind mit dieser Fördermethode Probebohrungen zulässig, angeblich um die Folgen für die Natur zu untersuchen. Dies wiederum ist aber an die Zustimmung des betroffenen Bundeslandes gebunden. Linke und Grüne hatten ein komplettes Fracking-Verbot gefordert. 2021 soll nun der Bundestag auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse einer Expertenkommission das grundsätzliche Verbot erneut prüfen. Bisher war Fracking eine Angelegenheit nach dem Bergrecht, was betroffenen Kommunen und Bürgern wenig Raum gab, sich auf rechtlichem Weg zur Wehr zu setzen. Nach den neuen Regeln wird konventionelles Fracking weiterhin möglich sein. Allerdings ist künftig eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen, die eine begrenzte Bürgerbeteiligung zulässt. In fünf Jahren darf man mit einem neuen Versuch rechnen, das unkonventionelle Fracking doch noch hoffähig zu machen.
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EEG Novelle 2016: Vom Fördergesetz zur Ausbaubremse
Die Bundesregierung werkelt unter der Federführung von Kohlefreund Sigmar Gabriel seit Monaten an einer weiteren Einschränkung der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Biomasse. Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Novellierung des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) 2016. Danach soll der Zubau durch einen pauschalen Deckel abgewürgt werden, nach dem bis zum Jahr 2025 nur 40 bis maximal 45 Prozent der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen stammen dürfen. Das würde den Zubau für das kommende Jahrzehnt praktisch auf ein Minimum reduzieren, denn schon Ende 2015 stammten bekanntlich rund 33 Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen. Selbst wenn die aktuelle Entwicklung, die ja eh durch das EEG 2014 stark abgebremst wurde, im Tempo des Jahres 2015 weiter gehen sollte, wäre die anvisierte Demarkationslinie bereits Ende 2019 erreicht. Rein rechnerisch dürften bis 2025 jährlich höchstens 1,2 Prozent Ökostrom hinzu kommen.
Schon bisher hatte die Große Koalition den Ausbau der Bioenergie zum Erliegen gebracht und die Photovoltaik stark gedrückt. Vor allem der Bau von PV-Freiflächenanlagen wurde mit der Begrenzung auf 10 MW und kruden Ausschreibungsmechanismen ins Abseits manövriert. Diesem Beispiel folgend, will Gabriel im neuen EEG 2016 der Windkraft ein ähnliches Schicksal bereiten: nämlich mit Hilfe der von 2017 an vorgesehenen Ausschreibungen auch für Windstrom. Damit droht der Windkraft an Land, nicht der auf See, ein ähnlicher Rückschlag, und die formal festgelegten Ausbaukorridore würden zur Makulatur – wie bei der PV.
Mit dem EEG 2016 sollen die Akteure der Energiewende, die stromproduzierenden Bürgerinnen und Bürger, die sich individuell oder in Genossenschaften und Energiedörfern engagiert haben, aber auch kleine und mittlere Unternehmen und Stadtwerke, aus dem Energiegeschäft gedrängt werden. Gerade bei den Ausschreibungsregelungen ist deren Benachteiligung offensichtlich. Zwar müssen Bürgerenergie-Genossenschaften nur noch 50 % der Bürgschaftskosten für die Teilnahme an den Auktionen (bei einer 3 MW-WEA immer noch 45.000,– Euro) zahlen, aber das werden die wenigsten, anders als Konzerne, aufbringen können. Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, der sich diese Woche damit befasste, ging es um Einzelpunkte; so soll für PV-Freiflächenanlagen eine Öffnung auf Ackerflächen anstelle der Restriktion auf Konversionsflächen, im Gespräch sein. Möglich gemacht hat es angeblich Bayern’s CSU.
Das EEG soll am 8. Juli 2016 erst im Bundestag und sofort danach im Bundesrat beschlossen werden. Normalerweise hat der Bundesrat drei Wochen Zeit, Gesetze aus dem Bundestag zu beraten.
Klimaschutzplan weichgespült
Bleibt noch der Klimaschutzplan, der nach der Behandlung in den Fachministerien nun im Kanzleramt liegen soll. Aktueller Text noch unbekannt. Man hört aber, alle konkreten Ziele für den Ausstieg aus der Kohle seien verschwunden. Stattdessen erscheint ein neuer Schwenk in der Energiewende. Eine wichtige Funktion auf dem Weg zur CO2-neutralen Wirtschaft „nehmen als Übergangstechnologie CO2- arme Erdgaskraftwerke und die bestehenden modernsten Kohlekraftwerke ein“. Und zu den Erneuerbaren fällt den Autoren des Klimaschutzplanes nur Unverbindliches ein. "Die Kohleverstromung wird in diesem Prozess schrittweise an Bedeutung ab und die Erneuerbaren Energien weiter an Bedeutung zunehmen." Auf einen Zeitplan oder ein Ausstiegsdatum aus der Kohleverstromung will man sich in dieser Bundesregierung nicht festlegen.
Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende gegründet
Ach ja, nachdem die Kompetenzen für die Energiewende samt Mitarbeiterstab vom Umweltministerium in Wirtschaftsministerium transferiert worden sind – ein massiver Bedeutungsverlust für dieses Haus - durfte Ministerin Barbara Hendricks am 29. Juni die Eröffnung des Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende zelebrieren. Es soll im „Spannungsfeld von Naturschutz und Energiewende vermitteln und moderieren, mit Fachinformationen, Konfliktberatung und Fachdialogen. Ein Spötter interpretierte diese neue Einrichtung so, dass das BMU und Barbara Hendricks jetzt die Kompetenz habe, den Scherbenhaufen zusammen zu kehren, den ihr Parteichef mit dem Wirtschaftsministerium erzeugt habe. Die Woche hatte es in sich!
Link: www.naturschutz-energiewende.de