30.07.2021
Stark- und Dauerregen Mitte Juli (Teil 2)
Eine Recherche von Tatiana Abarzúa
Angesprochen auf das Starkregen-Jahrhundertereignis, (die DGS-News berichten letzte Woche), erklärt Josephine Keller, Pressesprecherin des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums: „Die Katastrophe der vorletzten Woche hat uns schmerzlich vor Augen geführt, welch unfassbares Leid derartige Katastrophen für die betroffenen Menschen bedeuten“. Dabei ist eine Region betroffen, in der bereits viel für konsequenten Klimaschutz in die Wege geleitet wird. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat sich das Ziel gesetzt, zwischen 2035 und 2040 klimaneutral zu sein, laut Keller „das aktuell ambitionierteste Ziel“ für ein deutsches Bundesland. Eines der aktuellsten Gesetzesvorhaben ist ein Landessolargesetz. Nun, etwa eine Woche nach der Flutkatastrophe befindet sich Rheinland-Pfalz noch „in der Phase der Gefahrenabwehr“, da etwa Uferrutschungen verhindert und die Grundversorgung mit Trinkwasser, Strom und der Beseitigung von Abfällen wiederhergestellt werden.
Vergangene Woche berichteten verschiedene Medien über das European Flood Awareness System (EFAS), ein Frühwarnsystem des Europäischen Copernicus Programms. Es erstellt auf Basis von mittelfristigen Vorhersagen (Zeitraum 14 Tage) zentrale Warnungen für alle europäischen Länder. Dabei stehen die europäischen grenzüberschreitenden Flüsse im Mittelpunkt der Vorhersagen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nutzt EFAS dabei auch Wettervorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Über EFAS erhielten die Hochwasserschutzzentralen der Länder am 10. Juli um 07:37 Uhr Warnungen über das bevorstehende Extremwetterereignis: „EFAS zeigt im Zeitraum größer 48 Stunden erhöhte Signale für Hochwasser an mehreren großen Flüssen im Südwesten und Westen Deutschlands (speziell Rhein, Neckar, Donau).“
Die autorisierten Partner in Deutschland, die EFAS Flood Notifications mit einzugsgebietsspezifischen Hochwasservorhersagen erhalten, sind das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz, das Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie, das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie sowie das Bayerische Landesamt für Umwelt. Die Hochwasserschutzzentralen informierten die regionalen Stellen mit eigenen Bewertungen und Warnungen. Auf Nachfrage erklärt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dass es kein Teil der Informations- oder Warnkette ist, sondern ein assoziierter Partner.
Nach BMVI-Angaben informierte der DWD am 12. Juli die zuständigen Katastrophenschutzstellen der Länder, Landkreise und Kommunen über die zu erwartenden großen Niederschlagsmengen. Zudem übermittelte die Bundesbehörde die Unwetterwarnungen auch an „alle Integrierten Leitstellen und Berufsfeuerwehren“. Dabei seien die konkret daraus abzuleitenden Schutzmaßnahmen jeweils von den Zuständigen vor Ort zu treffen. Beispielsweise hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in NRW nach eigenen Angaben unverzüglich reagiert als klar wurde, dass Hochwasser zu erwarten war. Auf Nachfrage teilt das LANUV mit, dass interne Messteams aktiviert und die Messnetzzentrale technisch und personell aufgestockt wurde.
Das Umweltministerium in Rheinland-Pfalz (RLP) erläutert auf Nachfrage, dass die Hochwasserschutzzentrale RLP am 13. Juli für das Ahrgebiet sowie für das Gebiet Trier-Ehrang die Warnklasse 2 herausgegeben hatte. In NRW veröffentlichte das LANUV den ersten Lagebericht ebenfalls am 13. Juli. Solche Berichte sind an die Bezirksregierungen gerichtet, die Vollzugsbehörden des Hochwassermeldedienstes, sowie an das NRW-Umweltministerium als Oberste Wasserbehörde. Nach LANUV-Angaben greifen zudem die DWD-Warnwetter- und die NINA-App auf diese Informationen zu und geben lokale Warnungen.
In RLP wurden die Warnungen am 14. Juli vormittags auf Warnklasse 4 erhöht, die zweithöchste Warnstufe, sowie auf die höchste Warnklasse 5 für den Kreis Ahrweiler um 17:17 Uhr und für Trier-Ehrang gegen 20 Uhr. Die Meldeketten beschreibt das Umweltministerium als „so zeitnah, wie es dieses bis dato so nicht gekannte Extremereignis überhaupt zuließ“.
Für NRW beschreibt das LANUV die Lage zu dem Zeitpunkt so: „Von 175 Pegeln an NRW-Gewässern wurden am 14./15. Juli an 40 Messstellen stark erhöhte Wasserstände gemessen, die bisher bekannten Hochwassermarken wurden um bis zu einem Drittel überschritten.“
Neben der EFAS gibt es ein Koordinierungszentrum der Europäischen Kommission für ein Europäisches Katastrophenschutzverfahren, das Emergency Response Coordination Centre. Dieses informierte das BBK direkt über die Großwetterlage, am 14. Juli. Nach eigenen Angaben war die extreme Dimension des Starkregenereignisses im nördlichen Rheinland-Pfalz für das BBK überraschend. Diese Situation sei für Deutschland neu gewesen. „Aus der Vergangenheit sind Starkregenereignisse bekannt, die eng begrenzt, also lokal auftraten und die in der Regel wesentlich kürzer auftraten“, so das BBK. Die nie dagewesene Schadensdynamik sei entstanden durch besondere meteorologische, hydrologische und topographische Bedingungen im gesamten Einzugsbereich der Ahr.
Für das BBK ist neben der schnellstmöglichen Begrenzung bzw. dem Stoppen der Erderwärmung auch die Anpassung an den Klimawandel besonders wichtig, „um Menschen und Infrastrukturen in den kommenden Jahren gegenüber Extremwetterlagen deutlich besser zu schützen“.
Nicht nur im Westen Deutschlands wird das Thema Anpassung an den Klimawandel stärker in den Mittelpunkt rücken. Die Umweltministerien haben diesen Maßnahmenbereich in verschiedenen kommunalen Konzepten und Informationsbroschüren aufgegriffen. In NRW hatte die Umweltministerin Anfang Juli eine „Offensive zur Klimaanpassung“ öffentlich vorgestellt. Mit Blick auf RLP sagt Frau Keller, dass insbesondere das Thema „klima- und hochwasserangepasstes Planen und Bauen“ in den Fokus der Diskussion rücken muss.