29.11.2024
Medien gegen Energiewende-Märchen
Ein Meinungsbeitrag von Götz Warnke
Freiflächen-Solaranlagen blenden und töten Vögel, Windparks trocknen das Land aus, kleine Wasserkraftwerke sind für das Fischsterben verantwortlich, E-Autos sind fahrende Anzünder der Verkehrsinfrastruktur, Wärmepumpen wärmen nicht in Altbauten, und die Energiewende als Ganze kann überhaupt nicht funktionieren: Solche und ähnliche Märchenerzählungen werden fleißig weiter verbreitet, erfreuen sich in Teilen der asozialen Medien großer Beliebtheit, und tauchen von Zeit zu Zeit immer wieder auf. Selbst wenn sie bereits mehrfach widerlegt wurden. Frei nach Josef Goebbels: „Man muss eine Lüge nur oft genug wiederholen, damit die Leute sie am Ende glauben.“
Diese Märchenerzählungen, Halbwahrheiten, Übertreibungen und Verdrehungen sind meist kein Produkt der Langeweile, sondern eher gezielte Propaganda im Rahmen der politischen Auseinandersetzungen. Reaktionäre, aber auch Strukturkonservative – von Sarah Wagenknecht auf der linken bis Friedrich Merz auf der rechten Seite – versuchen mit Horrorerzählungen über die Erneuerbaren Energien den Status Quo aufrecht zu erhalten. Neben Ideologie und Wählerstimmen geht es dabei vor allem um Profite. Denn wenn sich die Menschen hinsichtlich ihres Energieverbrauchs unabhängig machen – sei es als Privathaushalt, als Mieterstromgemeinschaft oder als Solarwärme-Genossenschaft mit einer Freiflächenanlage: Wozu brauchen sie dann noch Energieversorgungsunternehmen mit ihren Topmanagern, Kraftwerksarbeiter mit ihren Gewerkschaften, Politiker, die die Bürger vor Energiepreis-Steigerungen bewahren? Da haben viele viel zu verlieren!
Und solche Märchenerzählungen dürften im kommenden Jahr im Zuge der Bundestagswahl noch zunehmen.
Wie aber soll der einzelne Bürger wissen, was wahr ist? Wie kann man sich vor den oft geschickt gemachten Falschbehauptungen schützen? Wie und wo findet man überhaupt verlässliche Informationen? Verlässliche Informationen zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie abwägen, und auch die von ihnen behandelten, ja favorisierten Themen nach kritischen Punkten „abklopfen“. Das ist eine der Aufgaben der Wissenschaft. Fridays for Future hat sich nicht zufällig das Motto „Hört auf die Wissenschaft“ gewählt, um handfesten Klimalügen oder der verbreiteten Verharmlosung der Klimakrise etwas entgegen zu setzen. Und natürlich hilft die Wissenschaft auch gegen andere Märchenerzählungen wie „Zappelenergien“, Coronaverschwörungen oder Chemtrails.
Eine Institution, die für faktenbasiertes Wissen steht, ist das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg im Breisgau. Das ISE stellt nicht nur mit den EnergyCharts verlässliche Daten zur Stromerzeugung zur Verfügung, sondern geht in seinen Fakten-Studien auch offen mit den Stärken und Schwächen z.B. der Fotovoltaik um (z.B. "25. Enthalten PV-Module giftige Substanzen?"). Nun ist das Lesen langer Studien und das Interpretieren von Charts nicht Jedermanns Sache. Daher sind viele Wissenschaftler dorthin gegangen, wo sich heute die jüngeren Semester aufhalten, und wo sich Informationen besonders schnell verbreiten: ins Internet, und zwar häufig mit eigenen Youtube-Kanälen.
Hier ist insbesondere DGS-Mitglied Prof. Dr. Volker Quaschning mit seinem sehr umfangreichen, aber auch stets aktuellen Youtube-Kanal zu nennen. Faktenbasiert, aber nicht trocken, engagiert und mit einer Prise Ironie präsentiert der Professor aktuelle Themen rund um Energie und Klimakrise, Verkehrs- und Ernährungswende. Auch Andreas Schmitz, promovierter Ingenieur, der auf Youtube unter "Der Akku Doktor" auftritt, setzt sich in seinen Videos mit den Erneuerbaren Energien, ihren Stärken, Schwächen und Unsicherheiten, aber auch mit verbreiteten Märchenerzählungen auseinander. Den Spagat zwischen Youtube und (ZDF-)Fernsehen schafft Prof. Harald Lesch mit dem Kanal Terra X Lesch & Co, und hier zu unserem Thema passend insbesondere mit der Rubrik "Energiewende - wie schaffen wir das?" Der Erklär-Onkel des deutschen Fernsehens beschäftigt sich in den Videos mit den zentralen Themen der Energiewende, das aber ausführlich, verständlich und wissenschaftlich fundiert.
Dass es ein starkes Bedürfnis an interessanter, aber zugleich kritisch vermittelter Information im Internet gibt, zeigen jenseits der etablierten Wissenschaftler auch junge Kanäle wie BreakingLab oder Norio, die sich mit technischen Innovationen befassen, und dabei trotz manch reißerischer Titel auch Übertreibungen bei den Erneuerbaren Energien wie z.B. bei Kleinwindanlagen kritisch unter die Lupe nehmen.
Von Youtube zum Fernsehen „rüber gemacht“ hat Mai Thi Nguyen-Kim, Wissenschaftsjournalistin, promovierte Chemikerin und Mitglied im Senat der Max-Planck-Gesellschaft. Nachdem sie mehrere Wissenskanäle – darunter das bekannte und prämierte „maiLab“ – auf Youtube betrieben hatte, ging sie 2021 zu ZDFneo, wo sie seitdem die Wissenschaftssendung „MaiThink X – Die Show“ gestaltet und moderiert. Die hier gelaufenen Beiträge finden sich sowohl auf der Website des ZDF als auch auf dem Youtube-Kanal MaiThink X. Auch wenn das Ganze modern-jugendlich als Show gestaltet ist, sind die Inhalte nicht weniger faktenbasiert als bei Quaschning oder Lesch. Die Themenvielfalt ist hier sehr groß; deshalb befassen sich nur einzelne Sendungen mit Energiewende, Verkehrswende oder der auch notwendigen Ernährungswende.
Die ARD hingegen unterhält ein eigenes Ressort „Faktenfinder“, das sich mit den Fake News in ihrer ganzen Breite auseinander setzt. Und der Bayerische Rundfunk betreibt mit einem gesonderten Team den „Faktenfuchs“. In der ARD Audiothek findet man zudem den vom MDR gemachten Podcast „Faktencheck - Wahrheit oder Fake News?“, der immer mal wieder Desinformationen zur Energiewende aufgreift.
Wer Podcasts und Bewegtbildern die klassische Lektüre vorzieht, wird ebenfalls im Internet fündig: CORRECTIV ist als investigatives, journalistisches Medium eine Non-Profit-Organisation, die von privaten Spenden lebt; in ihren Faktenchecks geht es immer wieder mal auch um die Klimakrise und die Energiewende. Zudem bietet das Medium Faktencheck-Tipps an, damit auch die Bürger selbst Desinformationen erkennen können. CORRECTIV ist auch Unterstützer des German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO), eines Zusammenschlusses von Faktencheck-Organisationen und Forschungsteams zur Bekämpfung von Des– und Falschinformationen.
Die Vielzahl der Faktencheck-Organisationen mit ihren unterschiedlichen medialen Formaten macht eines jedenfalls deutlich: Wer objektive Informationen zu Klima und Energiewende sucht, wer harte Fakten haben will, der kann sie relativ einfach finden. Wer hingegen Verschwörungstheorien und unwissenschaftlichem Geraune anhängt, wird trotz Faktenchecker weiterhin Märchen und Lügen verbreiten.