28.03.2024
Kurspeilungen der Energiewende Teil 1: Temperaturen senken, Verbrennung beenden
Eine Skizze von Götz Warnke
Ein Skipper auf dem Meer muss sich bei heraufziehendem Unwetter überlegen, welchen Kurs er anlegen bzw. wohin er sein Boot steuern will. Das hängt natürlich von Gewässern ab, ihren Untiefen und Strömungen, aber auch vom Vorhandensein geschützter Buchten und sicherer Häfen. Und es hängt vom Unwetter, seiner Schwere, dem Wellengang, der Windstärke, der vielleicht wechselnden Windrichtung und der verbleibenden Zeit bis zum Eintreffen ab. Der Skipper muss sich also verschiedene Kurse überlegen, auf denen er unter den gegebenen Umständen einen sicheren Platz zum Festmachen erreicht. Wie und mit welchen Manövern er diesen Platz dann auf den letzten paar Hektometern erreicht – ob unter vollen Segeln oder nur mit dem Vorsegel, ob mit einer Wende oder einer Halse – , ergibt sich dann aus der aktuellen Situation. Wichtig ist, den richtigen Kurs zu wählen und sichere Gewässer zu erreichen.
Das gilt auch für die Energiewende. Denn das heraufziehende Unwetter ist die Klimakrise mit immer häufiger und zum Teil auch stärker auftretenden Extremwetterereignissen. Ihr gilt es möglichst weitgehend zu entkommen, die richtigen Kurse anlegen. Dabei geht es um die richtige Richtung, um grundsätzliche Orientierungen, nicht um Einzelmaßnahmen, auch wenn die zu laufenden Kurse immer mit Einzelmaßnahmen als Beispiele unterlegt werden. Dabei erheben weder die hier abgesteckten Kurse bzw. Grundorientierungen noch die einzelnen Manöver und Maßnahmen zu ihrer Umsetzung Anspruch auf Vollständigkeit.
Temperaturen senken, Verbrennung beenden
Temperaturen von 750 bis 900 °C erzeugen, um 60-grädiges, heißes Brauchwasser zu produzieren, dass dann über Mischarmaturen auf unter 40 °C herunter geregelt, sprich gekühlt, wird – was sich wie ein Stück aus dem Tollhaus anhört, ist Alltag in unseren überwiegend fossil und zumeist mit Erdgas beheizten Häusern. Dieses Missverhältnis ist das Produkt des fossilen Heizens, oder besser: der Wärmeerzeugung mittels Verbrennung, denn es betrifft Biomasse und Biogas genauso. Verbrennen heißt verschwenden, und da ist es gleich, ob es sich um Erdöl, Pellets oder Wasserstoff handelt.
Zweifellos ist die Erzeugung hoher Temperaturen mittels Verbrennung in der Historie der Menschheit ein notwendiger Prozess gewesen – für die Essensbereitung, für technische Verfahren, für das Überleben in der Kälte. Aber angesichts einer immer größer werdenden Menschheit und der durch Verbrennungsprozesse und ihre CO2-Emissionen gefährlich aufgeheizten Klimakrise wird es Zeit für eine Rückgabe des Feuers an die Geschichte und einen Umstieg auf Erneuerbare Energien.
Erneuerbare Energien (EE) sind allerdings meist nicht in der Lage, ähnlich leicht hohe Temperaturen zu erzeugen wie die verschwenderischen Fossil-Energien. Das ist nun kein Problem für die Energiewende allgemein, aber für manche speziellen Industrieprozesse schon. Zwar gibt es auch mit EE betriebene Hochtemperaturverfahren wie z.B. elektrische Lichtbogenöfen in der Metallindustrie und die konzentrierende Solarthermie (CSP) der Parabolrinnen- und Turm-Kraftwerke. Aber diese sind nicht für alle Verfahren und an allen Orten einsetzbar. Dies betrifft insbesondere die energieintensiven Industrien, die Branchen Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl. Diese verbrauchen nicht nur große Mengen Energie, sondern benötigen oft auch hohe Temperaturen. Letzteres wird in Zukunft nicht mehr in diesem Umfang möglich sein.
Daher bleiben in diesem Bereich künftig folgende Optionen: Entwicklung neuer Niedertemperaturverfahren, Elektrifizierung oder Solarisierung der Verfahren, Reduktion des Produktionsumfangs und Versorgung des Rests mit knapper Bioenergie, Abwanderung in Gebiete mit hoher Sonneneinstrahlung wie z.B. Südeuropa, Ersetzung der Produkte durch weniger energie- und temperaturintensive Waren. Gleiches gilt übrigens für hohe Minustemperaturen wie etwa bei der Verflüssigung von Gasen wie z.B. Wasserstoff oder bei der Supraleitung.
Neben dem Bereich Industrie müssen auch im Sektor Verkehr die Temperaturen gesenkt und die Verbrennung beendet werden. Das betrifft grundsätzlich sowohl Hubkolben-, als auch Kreiskolben-, Turbinen/Düsen- und Raketen-Motoren.
Unproblematisch ist das im Landverkehr, wo es, neben den biomechanisch angetriebenen Fahrzeugen wie Fahrrädern und Velomobilen, die elektrisch angetriebenen PKW, LKW, Straßen-, Untergrund- und Fernbahnen gibt. Auch Landmaschinen lassen sich elektrifizieren; beim Militär müssen die Ansätze ausgebaut und weitere Konzepte entwickelt werden.
Herausfordernder ist der Luftverkehr, bei dem aber für Kurz- und Mittelstrecken in absehbarer Zeit Elektroflugzeuge und für die Langstrecke Luftschiffe zur Verfügung stehen werden.
Noch schwieriger wird es bei der Raumfahrt. Doch auch hier gibt es Ansätze, wobei künftig aus Klimaschutzgründen die Reichenbespaßung der Herren Bezos und Branson unterbleiben muss. Die wohl gewichtigste Herausforderung ist der Schiffsverkehr, wobei Sportboote kein Problem sind, und die Binnenschifffahrt über Wechselakku-Systeme und Oberleitungen noch relativ einfach zu elektrifizieren ist. Letzteres wird für den Seeverkehr u.a. wegen des Energiebedarfs der großen Schiffe nicht möglich sein; hier kommen nur Windschiffe als Lösung in Frage.
Bleibt noch der häusliche Bereich mit seinen verschiedenen Wärmebedarfen. Diese lassen sich statt durch fossile und biogene Verbrennungsprozesse besser elektrisch, solarthermisch oder mechanisch bedienen. Das Elektrische hat sich bei häuslichen „Hochtemperaturprozessen“ wie Backen, Grillen und Kochen auf dem Herd längst gegen das fossile Erdgas durchgesetzt, zumal Elektrizität auch für die Temperaturabsenkung in Kühlschränken und Gefriertruhen dient. Auch bei der Heizung und im Brauchwasserbereich (Körperpflege, Wäsche waschen, Geschirr spülen) nimmt der (PV-)elektrische Anteil über Wärmepumpen, Infrarot- und elektrische Fußbodenheizungen sowie Heizstäbe zu, obwohl die Solarthermie die effizientere und auch klimafreundlichere Lösung wäre. Durch Wasser- oder Windkraft angetriebene mechanische Wärmepumpen können unter geeigneten Umständen auch eine Lösung sein.
Dann gibt es noch die bei vielen Menschen geliebten Traditionen wie Osterfeuer, Biikebrennen, Sylversterknallerei, mit Holzkohle Grillen etc. Wie bei der Reichenbespaßung geht es auch bei der Volksbespaßung darum, vermehrt Abschied zu nehmen oder auf weniger temperaturintensive und klimafeindliche Verhaltensweisen umzuschwenken.
Eins muss klar sein: Energiewende – das ist segeln durch raue See, und kein Ponyhof.