27.08.2021
Was macht eigentlich die Photovoltaik in der Schweiz?
Eine Betrachtung von Jörg Sutter
Die Schweiz war eines der ersten europäischen Länder, die die PV richtig vorangebracht haben. Für uns ein Grund, heute einen Blick auf die aktuellen Ausbauzahlen in unserem südlichen Nachbarland zu werfen und zu schauen, wie die Technik heute zum geplanten „netto-Null“-CO2-Ausstoß bis 2050, das derzeit politisches Ziel der Eidgenossenschaft ist, beitragen kann. Noch im Juni stand eine Verschärfung des CO2-Gesetzes an, diese wurde jedoch knapp mehrheitlich abgelehnt.
PV-Zahlen veröffentlicht
Der Schweizerische Solarverband Swissolar veröffentlicht jährlich im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BfE) einen „Jahresbericht Sonnenenergie“, in dem eine Menge statistische Zahlen und interessante Trends enthalten sind. Die neuste Fassung wurde im Juli veröffentlicht und bezieht sich auf das vergangene Jahr 2020, das Dokument ist auf der Website herunterladbar.
In puncto Verkauf von PV-Anlagen konnte das vergangene Jahr punkten: 493 MW Solarmodule wurden in der Schweiz verkauft, gegenüber den 332 MW in 2019 eine Steigerung von fast 50 Prozent. Die bisherigen Höchstwerte aus den Jahren 2013 bis 2015 wurden damit deutlich übertroffen. Allerdings handelt es sich dabei nicht unbedingt um bereits in Betrieb genommene Anlagen. Denn aufgrund von Bauverzögerungen konnte vermutlich nicht diese Gesamtleistung schon im vergangenen Jahr auch installiert werden.
Gesamt war zum Jahresende 2020 eine PV-Leistung von knapp 3 GW installiert, was der AKW-Leistung des Landes entspricht. Weil man oft bei der Schweiz sofort an eine PV-belegte Alpenhütte auf einem abgelegenen Berg denkt: Nur 0,2 Prozent der PV-Leistung läuft im Inselbetrieb und 99,98 Prozent sind „Netzverbundanlagen“, also netzgekoppelte Anlagen.
Der spezifische Jahresertrag der PV-Anlagen wurde statistisch ebenfalls erfasst: 985 kWh/kWp wurden vermeldet, was auf ein sonniges Jahr, strahlungsreiche Standorte und gute technische Funktion der Anlagen schließen lässt. Betrachtet man die Aufteilung der Anlagen, wurden von den 19.410 Neuanlagen fast 14.100 auf Einfamilienhäusern errichtet, nur 1.300 auf Dächern von Industrie und Gewerbe. Dort sind aber die Anlagenleistungen höher, so dass das Gewerbe mit 173 MW (gegenüber 138 MW bei den Einfamilienhäusern) in der Leistungsbetrachtung die Nase vorne hat.
Hinsichtlich des Stromverbrauches deckt die PV inzwischen rund 4,7 Prozent des Strombedarfs in der Schweiz ab. Weiterhin wird Strom aus Kernkraft (33 Prozent), Laufwasser (25 Prozent) und Pumpspeicherkraftwerken (33 Prozent) erzeugt. Thermische, nicht-erneuerbare Kraftwerke (Gas, Kohle) liegen bei unter 3 Prozent und spielen daher praktisch keine Rolle.
Die geringe fossile Quote hat ihren Hintergrund vor allem in der CO2-Abgabe, die in unserem Nachbarland schon im Jahr 2008 eingeführt wurde und inzwischen auf 96 CHF pro Tonne (entspricht 89 Euro) angestiegen ist. Ein rentabler Betrieb eines Gas- oder Kohlekraftwerks wird damit nicht mehr möglich sein.
Motivation ähnelt sich
Für die PV-Nutzung steht auch in der Schweiz das Thema Eigenversorgung im Vordergrund bei der Realisierung von kleinen und großen Anlagen. Auch hier stellt die Einspeisevergütung meist keinen wirtschaftlich attraktiven Hintergrund für eine Projektumsetzung dar. Das „meist“ muss eingeschränkt werden, da die Höhe der Einspeisevergütung nicht wie in Deutschland mit dem EEG einheitlich geregelt ist, sondern sich von Netzbetreiber zu Netzbetreiber unterscheidet. Die Spanne reicht dabei von 5 bis 13 Rappen (100 Rappen sind 1 Schweizer Franken (CHF), derzeit 1 CHF = ca. 0,93 Euro) und enthält in den meisten Fällen einen Teilbetrag für die Energielieferung und einen Teil als Vergütung des Herkunftsnachweises als grüner Strom, auch für kleine PV-Anlagen.
Speicher und Wärmepumpen werden verkauft
Der Verkauf von Stromspeichern hat im vergangenen Jahr in der Schweiz ebenfalls einen Sprung gemacht: Der Zubau ist gegenüber 2019 um 65 Prozent gestiegen, die Begründungen dafür sind die gleichen wir bei uns: Erhöhung des Eigenverbrauches, Zusatznutzen z.B. mit Ersatzstromfunktion, usw. Die gesamt installierte Heimspeichergröße lag Ende 2020 bei 79 MWh.
Wärmepumpen waren schon in den vergangenen Jahren in der Schweiz sehr beliebt, schon jedes fünfte Gebäude wird mit dieser Technik beheizt, im Neubau kommt diese Technik noch häufiger zum Einsatz. Attraktiv – gerade für den Neubau - sind Hausenergiesysteme mit PV-Anlage, Speicher, Wärmepumpe und Elektroauto.
Hohe Lebensdauer der Anlagen
Statistisch analysiert wird auch das Alter der PV-Anlagen, das aus einer Normalverteilung für technische Produkte abgeleitet wird. Daraus wird von einem Fachgremium ein Durchschnitt gebildet, dieser Mittelwert der technischen Lebensdauer hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten demnach auf inzwischen statistische 33 Jahre gesteigert. Zusätzlich verweist der Bericht noch darauf hin, dass alte PV-Anlagen in der Praxis etwa aufgrund Dachsanierungen oder ähnlichem abgebaut werden, auch ohne dass die Anlagentechnik bis dahin „hinüber“ ist. Würde man solche Fälle ignorieren und die Praxiswerte auswerten, läge der Durchschnitt eventuell noch höher. Derzeit sind real ja nur wenige Anlagen schon älter als 30 Jahre.
Förderung
Neben der wenig attraktiven Einspeisevergütung erhält der Betreiber einer kleinen PV-Anlage bei unseren Nachbarn noch ein Zuschuss, genauer eine Einmalzahlung in Höhe von 700 CHF pauschal plus 380 CHF pro kWp. Bei einer 10 kWp-Anlage kommen da schon 4.500 Franken zusammen. Eine Konsequenz eines weiteren Förderaspektes wird auch im Stadtbild deutlich: Der Zuschuss steigt noch für dachintegrierte Anlagen, eine solche 10 kWp-Anlage kann knapp 5.000 Franken erhalten. Im Gegensatz zu Deutschland, wo nur ganz vereinzelt dachintegriert gebaut wird, wird das zwischen Basel, Bern und Zürich und Genf auf vielen Dächern deutlich (Bild 2).
Nachfrage verständlich
Die hohe Förderung sowie die hohen Strompreise, die regional ebenfalls differieren, aber laut Statista bei rund 20,5 Rappen pro kWh liegen – und das nahezu konstant in den vergangenen Jahren – führen derzeit zu einer hohen Nachfrage nach PV-Anlagen.
Der selbst erzeugte Solarstrom kostet bei einer 10 kWp-Anlage mit Speicher und einer dort üblich angesetzten Lebensdauer von 30 Jahren etwas mehr als die Hälfte dieses Spitzenwertes, also rund 13 Rappen pro kWh. Kein Wunder, dass derzeit Eigenversorgungsanlagen boomen und es dank zusätzlichen Effekten durch Corona und Kapazitätsproblemen, von Logistik bis zum Personal bei den Elektroinstallateuren, zu Wartezeiten von mehreren Monaten kommt.
Wie sauber ist der Strom?
Über die Sauberkeit des Stroms wird diskutiert, auch im Vergleich zu Deutschland und unter der Prämisse, dass der Schweizer Strom ja nahezu CO2-frei ist. Doch auch in den Alpen fahren mehr Elektroautos, immer neue elektrische Wärmepumpen werden eingebaut und auch der Atomausstieg ist beschlossen (bis 2034), weil die nuklearen Anlagen immer älter werden: Neben der jüngsten Anlage, einem Siedewasserreaktor mit Baujahr 1979 (Alter 42 Jahre), sind noch drei Druckwasserreaktoren in Betrieb aus den Baujahren 1979, 1971 und sogar 1969 (Alter also 52 Jahre). Der Kraftwerksblock Beznau 1 gilt damit als ältestes noch in Betrieb befindliches AKW weltweit.
Es verwundert daher kaum, dass auch in der Schweiz umstritten ist, wie in Zukunft der sicherlich höhere Stromverbrauch in den kommenden Jahren gedeckt werden soll. Die Photovoltaik wird jedenfalls ihren Anteil an der Steigerung des regenerativen Anteils haben.