26.06.2020
Die Parteien in der Klimakrise (I): Die Volksparteien SPD und CDU
Eine Kritik von Götz Warnke
Die deutschen Parteien wirken, so will es das Grundgesetz laut Artikel 21, bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Diese umfängliche und durch höchstrichterliche Urteile ausgestaltete Mitwirkung ist aber nicht nur ein Privileg, sondern auch eine Verantwortung. Dieser Verantwortung werden die verschiedenen Parteien je nach Thema in unterschiedlichster Maß (nicht) gerecht. Insbesondere im Zusammenhang mit der Klimakrise und den deutschen Verpflichtungen gemäß des Pariser Klimaabkommens vorn 2015 ist von den Klimabewegungen „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ etc. immer wieder der Vorwurf erhoben wurden, keine der deutschen Parteien würde mit ihren Konzepten dem Ernst der Klimakrise gerecht. Dieses ist ein verheerendes Zeugnis angesichts einer Krise, die völlig aus dem Ruder laufen und bis Mitte diesen Jahrhunderts dem größten Teil der Menschheit das Leben kosten könnte. Da sich unser Schicksal mehr am Agieren der Parteien und den daraus resultierenden Folgen entscheidet als an schönen Sonntagsreden und wohlklingenden Parteiprogrammen, sollen im Folgenden die sechs Parteien im Deutschen Bundestag unter die Lupe genommen werden.
Die SPD
Kennen Sie derzeit einen bedeutenden Klima- und Umweltpolitiker in Deutschlands ältester Partei? Nicht? Überlegen Sie mal! Nein, nicht? Ich auch nicht! Dabei hatte die Partei einstmals eine Persönlichkeit wie Hermann Scheer in ihren Reihen: Gründer von Eurosolar, Vater des EEG, vielfacher Buchautor zu Erneuerbaren Energien und Vorantreiber derselben – ein Mann, der es nicht nur verstand, komplexe Dinge zu systematisieren, sondern auch kreativ neue Aspekte zu finden. Nun gibt es solche Ausnahmepolitiker nicht „in Serie“, und die politischen Parteien sind mit ihrer Parteidisziplin, ihren Seilschaften und unendlichen Kompromissen nicht gerade die Biotope, in denen Persönlichkeiten an der Grenze von noch brillant und schon genial wachsen. Aber so schlimm wie heute hätte es nicht kommen müssen. Denn in der Partei gibt es durchaus fähige und engagierte Klimapolitiker, so z.B. die in den Fußstapfen Hermann Scheers bei Eurosolar wirkenden Axel Berg und Fabio Longo. Nur stehen viele dieser Leute nicht einmal in der 2. oder 3. Reihe der Partei, andere sind ohne Parteiamt.
Ganz vorne steht dagegen Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der durch ein Riesen-Corona-Hilfspaket mit „Wumms“ wieder zum üblichen Wirtschaftsleben zurück kehren will. Dass er damit die Nation wieder auf dem Abweg in die Klimakatastrophe schiebt, und dazu beiträgt, diesen Planeten mit „Wumms“ an die Wand zu fahren, geht diesem klimapolitisch eher desinteressierten Politiker nicht auf. Mag das „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ in dem Scholz-Füllhorn noch so viele klimafreundliche Milliarden finden – es bleibt insgesamt ein den Konsum antreibendes Anti-Greta-Paket.
Ebenfalls in der 1. SPD-Reihe steht Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Die nette Frau aus Nordrhein-Westfalen versagt zuverlässig immer dann, wenn sie eigentlich gefordert ist. So antwortete sie auf die Frage eines Reporters, wie viele Tonnen CO2-Äquivalente die Deutschen noch emittieren dürften – eine entscheidende klimapolitische Größe – , mit: „Unter diesen ganzen Tonnen und so kann sich doch keiner was vorstellen“. Dabei wäre es doch ihre Aufgabe gewesen, den Bürgern das zu erklären und zu sagen, dass die große Konsum-Party vorbei ist. Ähnlich schlecht sah sie bei der Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung aus, die ja mangels umfangreicher Erneuerbarer Energien auf absehbare Zeit vorwiegend mit Wasserstoff aus Erdgas laufen muss.
Nicht in der ersten Reihe, aber durchaus in der zweiten lauert Michael Vassiliadis. Der Vorsitzende der mächtigen Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), liiert mit einer SPD-Bundestagsabgeordneten, ist so etwas wie der „Pate" der Braunkohlekumpels und Dörferwegbaggerer in der Lausitz. Er sitzt in den verschiedensten Ämtern und Gremien; ihn als Treiber der Energiewende zu bezeichnen, wäre eher eine Beleidigung für alle anderen Energiewender. Dies nur als Beispiele.
Wie unschwer vorstellbar, ist die Klima- und Energiepolitik der heutigen SPD entsprechend. Während Maßnahmen zum Schutz des Klimas eigentlich schnell erfolgen sollten, dauert es bei der SPD oft endlos lange. Und die eigenen Vorschläge sind oft wenig originell und durchdacht: So z.B. das „Windbürgergeld“, eine Form von „legaler Korruption“, bei der sich die Bürger einer Gemeinde ihre Widersprüche gegen den Anlagenbau abkaufen lassen sollen. Würde Hermann Scheer heute noch leben, er hätte in seiner Partei wohl längst mit der Faust auf den Tisch gehauen!
Dabei brauchen der Klimaschutz und die Energiewende einen sozialdemokratischen Impetus, ein präsentes und verbalisiertes Wissen, dass gerade Arbeiter in den Städten einerseits von der zunehmenden Heißzeit betroffen sind, andererseits sie sich auch über Mieterstromprojekte und Bürgerenergie-Genossenschaften finanziell an der Wende beteiligen können. Willi Brandt hatte in seiner Regierungserklärung 1969 die Menschen mit „Mehr Demokratie wagen“ gewonnen; warum versucht es die SPD nicht mit „Mehr Klimaschutz wagen“?!
Die CDU
Umweltkanzlerin? Energiewendekanzlerin? Klimakanzlerin? Brot kann schimmeln, was kann Merkel?! Was sich vielleicht als ein „Abwatschen“ einer Regierungschefin anhört, kann man auch als eine ernsthafte Frage verstehen. Denn an grundsätzlichem Problem-Bewusstsein kann es der Kanzlerin seit langem nicht gefehlt haben.
So sprach Angela Merkel bereits auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung am 27. November 2007 (!) in Berlin: „Wir dürfen die Zukunft nicht verbrauchen. Wir müssen die Grenzen der Belastbarkeit unserer Erde beachten. Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösen und darf sie nicht kommenden Generationen aufbürden. ... Unser Verbrauch an Energieträgern, zum Beispiel an fossilen Energieträgern, ist nicht nachhaltig. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass die Ölnachfrage im Jahr 2030 um mehr als ein Drittel über dem heutigen Wert liegen wird. Neben zunehmenden Versorgungsrisiken würde diese Entwicklung mit erheblichen Klimabelastungen einhergehen.“
Erdüberlastung, Generationengerechtigkeit, Fossil-Gefahren, Ressourcennutzung, Klimalasten – alles schon da! Und wie sah die entsprechende Politik aus: wenig Umweltschutz, Atomeinstieg, Atomausstieg, Energiewende, EE-Ausbremsung, die „Atempause“ für die Photovoltaik, das Verfehlen des 1 Million E-Autos bis 2020, der viel zu späte Kohleausstieg, das Einhalten des 40%-Reduktionsziels bis 2020 wohl nur mit Hilfe des Corona-Lockdowns, etc., etc. Nicht nur Greenpeace stellt der Kanzlerin ein schlechtes Zeugnis für die verschenkten Jahre aus, auch die Tagesschau wünscht einfach nur resigniert „Gute Nacht, Klima-Kanzlerin!“ Die Angesprochene selbst verteilt währenddessen weiterhin wohlfeile Appelle auf großer Bühne: „Wir müssen handeln!“ Wer bestimmt eigentlich seit 15 Jahren die Richtlinien der Politik in Deutschland? Ach ja, …
Die Kanzlerin ist vielleicht die Hauptschuldige, aber nicht die Alleinschuldige. Denn ohne einen Haufen von Wachstumsfetischisten, Marktanbetern, Opportunisten und Energieselbstversorger-Hassern etc. könnte man eine solche Wackelpudding-Politik gar nicht umsetzen. Und solches Personal findet die Kanzlerin hinreichend in ihrer eigenen Partei und Bundestagsfraktion. Da gibt es die Windkraftbremser wie Michael Mohring in Thüringen, Jens Koeppen in Brandenburg oder Armin Laschet in NRW. Da gibt es den „Wirtschaft-über-alles“-Flügel um Carsten Linnemann und es gibt die stramm konservative „Werteunion“, deren bayerischer Verbandsteil massiv gegen die menschengemachte Klimakrise, die Klimawissenschaften („Müll-Wissenschaft“) und Klimaschutzmaßnahmen polemisiert. So ist es dann kein Wunder, wenn von der CDU unter dem schönen Titel „Für einen 'Green Deal' - …" Papiere veröffentlicht werden, die genauso gut „Mehr Schlupflöcher statt noch mehr Klimaschutz“ heißen könnten. Diese Mischung aus extremer klimapolitischer Unwillig- und Unfähigkeit wird von der jungen Fridays-for-Future-Generation zunehmend und zu recht („Die Zerstörung der CDU“) kritisiert.
Dabei hatte auch die CDU mit Klaus Töpfer einen großen, aktiven Klima- und Umweltpolitiker in ihren Reihen, sowie mit Heinz Riesenhuber einen Forschungsminister, der das erste solare 1.000-Dächer-Programm mit aus der Taufe gehoben hat. Und es braucht auch einen christlich-konservativen Impetus bei der Klima- und Umweltbewegung: Die christliche Erkenntnis, dass der Mensch fehlbar ist, und nicht in Systeme eingreifen sollte, die er letztlich kaum durchschaut; die Anerkenntnis der Endlichkeit allen Irdischen, auch des Wirtschaftswachstums; eine konservative Sparsamkeit, die nicht das Geld für Importe von Energien verschleudert, die wir selbst erzeugen können; ja, selbst einen Law-and-Order-Standpunkt, der deutlich sagt, dass Verbrechen durch ihre Folgen immer auch Klima-Verbrechen sind.
Fazit
SPD und CDU sind keine Klimaschutzparteien, mögen auch einzelne ihrer Gesetzesvorhaben dem Klimaschutz förderlich sein. Dem gegenüber gibt es aber genügend Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Energiepolitik (Nordstream, LNG), der Wirtschaft und der entsprechenden Wachstumsförderungs-Maßnahmen, die geradezu als Brandbeschleuniger der Klimakrise wirken. Dabei gäbe es durchaus sinnvolle Maßnahmen, die schnell und einfach umzusetzen wären: Ausdehnung der Pfand- und Mehrweg-Systeme auf alle Getränke; Änderung des Baugesetzbuchs (BauGB), so dass alle Bauten unabhängig von Fluchtlinien nach der Sonne ausgerichtet werden können, sofern sie bestimmte Mindestabstände zu Nachbargrundstücken einhalten; verpflichtender Einbau von Wärmetauschern bei Abluft- und Abwasser-Systemen im Neubau und bei Grundsanierungen.
Teil I: Die Volksparteien SPD und CDU
Teil II: Die Klientel-Parteien FDP und DIE LINKE
Teil III: Die Gesinnungs-Parteien AfD und GRÜNE
Teil IV: Schlussfolgerungen