25.01.2019
Weltwirtschaft und Klimaschutz
Die Bedeutung eines verbesserten Klimaschutzes für die Wirtschaft ist unbestritten. Einige Branchen haben das schon vor Jahren verstanden. So hat die Versicherungswirtschaft deutlich gemacht, dass zukünftig keine fossilen oder atomaren Kraftwerke mehr versichert werden sollen. In der Stiftung „2Grad – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz“ mit Sitz in Berlin sind namhafte Unternehmer und Unternehmen vertreten, die für einen starken Klimaschutz eintreten. „Für die Wirtschaft hat der Klimaschutz eine große Bedeutung: Frühzeitig erkannt, ist er wichtiger Treiber von Innovationen und zukunftssicherer Dynamik, und er schafft neue, bedeutende, weltweite Märkte. Allein technologisch dürfen wir den Anschluss an die dynamischen Märkte vor allem in Asien nicht verlieren.“, so Michael Otto, der Vorsitzende der Otto-Group und seit 2016 Vorsitzer des Kuratoriums der Stiftung.
In dieser Woche findet im schweizerischen Davos das jährliche Weltwirtschaftsforum (WEF) statt, über 3.000 Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutieren. Ist der Klimaschutz dort auch ein Thema? Das Renommee der Veranstaltung insgesamt hat schon im Vorfeld gelitten, als bekannt wurde, dass einige politischen Schwergewichte in diesem Jahr nicht nach Davos fahren werden. Darunter der amerikanische Präsident Trump, der französische Präsident Macron und die britische Premierministerin May. Alle drei sind derzeit mit Problemen in ihren eigenen Ländern beschäftigt. Im Mittelpunkt stehen daher vor allem die Wirtschaftsmächte China und Deutschland.
In der Vorberichterstattung zum WEF war von einer „Orientierung in einer gespaltenen Welt“ die Rede. Themen dazu gibt es genug: Der Brexit, die aktuellen Handelskonflikte und die Zunahme des Populismus weltweit. Aber auch gesellschaftliche Fragen wie den Umweltschutz-Technologien solle Platz sein. Das klingt nicht nach einem sehr wichtigen Thema, oder?
Im Vorfeld veröffentlichte das WEF den Global Risk Report, in dem drei der fünf größten Risiken den Themen Umwelt und Klima zugeordnet werden. Die Wirtschaft begreift langsam, dass diese Gefahren auch ihre betrieblichen Zukunftschancen schmälern können. Ein mahnendes Beispiel dafür ist PG&E, der größte Energieversorger der USA mit über 5 Mio. Stromkunden und 4 Mio. Gaskunden. PG&E war noch im Oktober ein robustes Unternehmen mit 17 Mrd. Dollar Jahresumsatz (2017), bis die verheerenden Waldbrände den Ort Paradise und andere in Kalifornien verwüsteten. Nur zwei Monate später, in der vergangenen Woche, kündigt der Konzern die Vorbereitungen zur Insolvenz nach Chapter 11 an. Grund: Der Vorwurf der Mitschuld an den Bränden aufgrund maroder Infrastruktur. So schnell kann es gehen.
Doch nicht alle haben das verstanden: Der neue brasilianische Präsident Bolsonaro, dessen erste internationale Rede in Davos mit Spannung erwartet wurde, kündigte nur im Stakkato an, das Land für ausländische Investoren zu öffnen, Steuersenkungen durchzuführen, den Staatshaushalt auszugleichen sowie Regeln und Bürokratie abzubauen. Nur eine kurze Floskel, dass das nicht auf Kosten der Natur erfolgen soll. Klimaschutz war kein Thema bei ihm.
Am zweiten Tag kamen in einer Session hochrangige Klimaschützer zu Wort, darunter Al Gore und die neuseeländische Ministerpräsidentin Ardern. Al Gore fragte Ardern, was sie Führungskräften antworten würde, die noch immer nicht an den Klimawandel glauben. Ihre Antwort: “Wollen Sie eine Führungskraft sein, die auf der falschen Seite der Argumente stand, als die Welt nach einer Lösung suchte? So einfach ist das!”. Sie empfehle eine Reise in den Pazifik, wo die Erhöhung des Meeresspiegels sichtbar sei und man dafür keine Naturwissenschaft verstehen müsste.
Insgesamt jedoch liegt das Thema Energie in der Online-Auswertung der WEF-Berichterstattung derzeit (Stand Mittwoch) auf dem achten Platz der Themen, Platz eins ist die Digitalisierung vor Ausbildung/Arbeit und Cybersicherheit. Es bleibt abzuwarten, ob das Thema in den kommenden Tagen noch an Bedeutung gewinnt.
Doch noch ein weiteres positives Beispiel aus der Industrie sei genannt: In dieser Woche hat ThyssenKrupp angekündigt, bis zum Jahr 2050 über 10 Mrd. Euro in CO2-freie Stahlproduktion zu investieren. Es ist ein konkretes Ausstiegsdatum aus der Kokskohle, die für ein Drittel der CO2-Industrieemissionen in Deutschland verantwortlich ist. Ersetzt werden soll die Kokskohle durch Wasserstoff, bei dem dann kein CO2, sondern nur noch Wasser aus dem Sauerstoff des Eisenerzes entsteht. Die lange Umstellungszeit begründet der Konzern damit, dass die komplette Produktion und die Versorgung umgestellt werden müssen. So müssen zuerst Pipelines gebaut werden, die ausreichende Mengen Wassersoff sicher bereitstellen können. Parallel dazu testet ThyssenKrupp seit 2018 in Duisburg auch das Verfahren Carbon2Chem, bei dem das entstandene CO2 nicht in die Luft entlassen, sondern unter Zugabe von Wasserstoff in Methanol umgewandelt wird. Dieses Methanol kann dann der chemischen Industrie wieder als Grundstoff dienen. Neues Denken kann CO2 vermeiden und dem Klimaschutz nutzen.
Jörg Sutter