24.11.2023
Der Überfluss der Woche
Eine kleine Reise durch aktuelle Meldungen, die es nicht gebraucht hätte. Meint Heinz Wraneschitz
Grüner Wasserstoff (H2): Wenn er schon nicht in großer Menge verfügbar ist, muss er eben künstlich in Szene gesetzt werden. Oder wie es das Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) e.V. formuliert: „Das angewandte Forschungsprojekt GREAT H2 unter Leitung des ThEEN zelebrierte mit Partner HySON-Institut und rund 100 Teilnehmenden seinen Abschluss mit einer Fachkonferenz zu industriellen Anwendungen grünen Wasserstoffs.“ GREAT ist er also. Doch damit er überhaupt in nutzbarer Größenordnung nach Thüringen kommen kann, brauche man dort „eine gute Einbindung ins deutsch-europäische Wasserstoffnetz“. Das es bislang nicht gibt. Trotzdem „sind Industrieunternehmen derzeit aufgefordert, ihre H2-Bedarfe den Netzbetreibern zu kommunizieren, um einen Anschluss an geplante Wasserstoffleitungen entlang der A4 (Umwidmung von Erdgasleitungen) zu erhalten“, heißt es vom ThEEN weiter. Über das „Wann“ und „Woher“ des Grün-H2 schweigt es dagegen.
Alle wollen Wasserstoff – egal woher
Wie die Faust aufs Auge passt die vom Richtung H2 mutierenden Gaslobbyverband DVGW ermittelte „Wahrnehmung des Wasserstoffmarktes in Deutschland: 84 Prozent der Marktakteure bewerten die Bedeutung von Wasserstoff als sehr hoch.“ Darauf baut der DVGW seine Forderungen auf, bei denen „der Verschlankung und Erleichterung von Genehmigungsverfahren besondere Bedeutung zukommt, insbesondere für den Ausbau von Infrastruktur“. Als Beispiel dient dem Gas- und Wasserfach-Verein „die schnelle Genehmigung von LNG-Terminals“. Und der DVGW vergisst nicht, dass die Politik „für die Infrastrukturbetreiber auskömmliche und planbare Investitionsanreize schaffen“ müsse.
Das deutet darauf hin, dass auch künftig „die Gewalt des Kolonialismus, des Kapitalismus und des Imperialismus Katastrophen im Globalen Süden (Überschwemmungen, Dürren usw.) verursacht oder sogar schafft, die Millionen von Menschen vertreiben, sie arbeitslos machen und dazu führen, dass sie als Vertriebene, die Volkswirtschaften auf der ganzen Welt unterstützen, nicht zuletzt die Zentren des Kapitals im Globalen Norden.“ So steht es (leider sehr kontrastarm) im Projekt „Dismantling Eco-Fascism“ zu lesen.
Ökofaschismus und Energiekolonialismus
Die „Berliner Gazette“ schreibt dazu sehr deutlich: „Ein solcher Ökofaschismus ist neben dem grünen Kapitalismus auf dem Vormarsch, als der andere große kapitalkonforme Ansatz zur Eindämmung von Arbeiter*innen- und Klimakämpfen, zur Sabotage von Bündnissen zwischen Arbeiter*innen und zur Verhinderung von Umweltgerechtigkeit.“ Denn mit Grün-H2 aus Ländern der oft so genannten „Dritten Welt“ führen „wir“, also die selbsternannten Industriestaaten, den bisher mit Öl, Gas, Kohle festgezurrten Energiekolonialismus mit Ökoenergie einfach weiter. Und – achja: Dieser Abschnitt ist natürlich beileibe nicht überflüssig.
Übrigens nimmt dieses Großnetzdenken nicht nur beim Wasserstoff immer größere Formen an, sondern gerade auch beim Strom. „Supergrid: Münchner Unternehmen Theva und SuperNode kooperieren für Aufbau eines Pan-europäischen Stromnetzes“, heißt es in einer Pressemeldung vom Mittwoch dieser Woche. Theva hat – von wem auch immer – „elf Millionen Euro frisches Kapital“ bekommen, und will damit – so der Werbespruch – „die Energiewende ermöglichen – mit Supraleitern von Theva“.
Ja, Supraleiter: auch eine Entwicklung, die seit 1911 nicht wirklich vorangekommen ist. Da bleibt selbst Wikipedia hinter den aktuellen Nicht-Entwicklungen um Jahre zurück.
Aber nun wollen es halt mit elf Mios die Münchner mit ihrer Supraleitung schaffen. Doch wofür genau ist die gedacht? Per Vertrag habe „SuperNode die Lieferkette für künftige europäische Pilotprojekte gesichert, welche langfristig die Dekarbonisierung des europäischen Stromnetzes unterstützen sollen“. SuperNode sei „auf die Entwicklung innovativer Erd- und Offshore-Stromkabel spezialisiert, die sich die Eigenschaften supraleitender Materialien zu Nutze machen. Supraleitende Kabel werden eine Schlüsseltechnologie für die Energieunabhängigkeit und die Zukunft der erneuerbaren Energien sein“, heißt es in besagter Presseinfo. Doch brauchen wir nicht schon mittelfristig CO2-Freiheit bei Strom in Europa? Und wozu ein neues „Pan-europäisches Stromnetz“, wenn in keinem europäischen Land genügend Ökostrom für den Eigenverbrauch produziert wird? Der Netz-Aufbau – noch dazu unterirdisch – würde sicher viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Fehlte noch etwas zum Energieverschwenderthema E-Fuels. Da hat die Bayerische Logistik-Initiative im CNA e.V. ihren diesjährigen Innovationspreis in der Kategorie Science an ein Forschungsteam der Hochschule Coburg um Prof. Markus Jakob vergeben. Dessen „innovatives Sensorkonzept für E-Kraftstoffe identifiziert und bewertet eFuels“. Damit können laut Begründung beispielsweise „zukünftig auf Basis optischer Messverfahren fossile von regenerativen Kraftstoffen unterschieden werden“. In der Logistik-Branche scheint also die Angst zu herrschen, dass Betrüger Fossilien als eFuels verkaufen könnten. Trübe Aussichten …
Vom Weltraum aus der Erde beim Kollaps zusehen
Die zu verbessern hilft etwas, was aktuell flüssiger ist als Wasser: Klimaforschung im Weltraum. Denn wenn das KIT Karlsruhe den Zuschlag für dieses Projekt bekommt, wollen die dort Forschenden per „Satellitenmission CAIRT klären, wie die Erdatmosphäre auf den Klimawandel reagiert“. Sprich: Man will sich offensichtlich anhand von Bildern aus dem All daran ergötzen, wie das Klima auf der Erde den Bach hinuntergeht. Über den Zuschlag wird aber erst in zwei Jahren entschieden – und dann dauert es erstmal noch, bis der Satellit hochkommt. Vielleicht ist das Klima ja bis dahin eh schon im A…