24.01.2020
Von der Energiewende zur Ressourcenwende, Teil 2: Einsparen und Effizienz
Da es schon wegen der nötigen Bereitstellung an Erneuerbaren Energien kaum möglich sein wird, unser extrem rohstoffbeanspruchendes, fossiles Wirtschaftssystem 1-zu-1 auf nachhaltige Ressourcen umzustellen, kommt man um Einsparungen und Effizienzverbesserungen nicht umhin. Hierbei gibt es drei wesentliche Akteure: die staatlichen Institutionen (EU, Bundesrepublik, Länder), die Hersteller sowie die Nutzer, wobei die Staatsseite den durchaus größten Wirkungshebel besitzt. Sehen wir uns die Sparpotentiale der einzelnen Akteure einmal auszugsweise an:
Der Staat
Der größte Einsparhebel bei diesem Akteur ist seine gesetzgeberische Kompetenz. Deren Wirksamkeit hat sich gerade auch in der jüngsten Vergangenheit immer wieder gezeigt: die Verpflichtung des Handels zur kostenpflichtigen Abgabe von Plastiktüten hat die Nachfrage nach diesen Umweltsünden gemäß der EU-Ziele kurzfristig gesenkt. Die EU-Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG hat das sinnlose „Wettrüsten“ bei Staubsaugern mit immer größeren, stärkeren E-Motoren seit September 2014 beendet. Und das ab 2021 geltende Verbot für Einmalplastik in der EU hat schon heute dazu geführt, dass Plastik-Strohhalme und Wattestäbchen mit Plastikschaft weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwinden. Alle diese erfolgreichen staatlichen Maßnahmen setzten übrigens auf klare gesetzliche Regeln und nicht, wie so oft die Bundesregierung, auf das „Prinzip Hoffnung“ der „freiwilligen Selbstverpflichtung“ der Wirtschaft. Welche weiteren gesetzlichen Vorschriften könnten also das Sparen befördern? Hier einige Beispiele:
+ Anhebung der gesetzlichen Gewährleistung von zwei auf fünf Jahre: Manche Hersteller scheinen inzwischen so zu produzieren, dass die erzeugten Produkte schon kurz nach dem Ende der zweijährigen Gewährleistung „ihren Geist aufgeben“. Da nicht alle Produkte recycelt werden, führt das zu erhöhtem Ressourcenverbrauch; daher müssen Tendenzen zur geplanten Obsoleszenz unterbunden werden.
+ Verbot von „Mogelpackungen“: Viele Hersteller verkaufen ihre Produkte auch mit Hilfe einer übergroßen Verpackung oder mit überhöhtem Gewicht. Ersteres findet man hauptsächlich bei Papp-Verpackungen; immerhin landen mehr als die Hälfte der produzierten Papiere, Kartonagen und Pappen im Verpackungsbereich. Überhöhte Gewichte findet man z.B. bei Parfums, deren Hersteller versuchen, mit einem dickwandigen, schweren Glasflakon den maßlosen Preis für ein wenig Parfum nicht ganz so dreist aussehen zu lassen. Beide Probleme ließen sich über Änderungen/Ergänzungen der Verpackungsverordnung (VerpackV) regeln.
+ Verbot von Kleinstgebinden: Hierbei handelt es sich um kleine, verpackte Produkte, bei denen zwar die Verpackung nicht übergroß oder überschwer ist, die aber dennoch einen überhöhten Ressourcenverbrauch beanspruchen. Zu denken ist hier an die Schnapsfläschchen mit 0,02 Liter Inhalt in Form von Kräuterlikören/Magenbitter. Auch hier ist die VerpackV gefordert.
+ Reglementierung leichter Kunststoff-Tüten: Ausgenommen von der Reduzierungsverpflichtung der EU sind bisher dünnwandige Tüten, die aus Hygienegründen zur Verpackung loser Lebensmittel, z.B. für Obst und Fleisch, verwendet werden. Für eine Ressourcenwende muss sich das auf EU-Ebene ändern, zumal diese Form des Einwegplastiks in manchen Bereichen, z.B. bei Bananen, Kohlrabi, gar nicht nötig ist, oder problemlos durch mitgebrachte Boxen ersetzt werden kann.
+ Recht auf vollständige Entleerbarkeit einer Verpackung: ob Tuben oder kurvig modellierten Flaschen – viele Behältnisse lassen sich nicht vollständig entleeren, und so bleiben auch nach Nutzungsende erhebliche Teile des Produkts darin zurück – von Asia-Saucen bis zu Zahnpasta. Ein Erfinder aus Norderstedt spricht von 10% Restmengen, aber selbst wenn es nur 5% wären: es ist als Ressourcenverschwendung nicht hinnehmbar, auch wenn es sicher die Hersteller freut.
Die Industrie
Das produzierende Gewerbe hat in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Fortschritte beim Einsparen von Energie und Rohstoffen erzielt. Triebkraft war dabei nicht in erster Linie eine edle Gesinnung, sondern der Wettkampf mit der Konkurrenz. Denn da Energie und Rohstoffe von den meisten Unternehmen zugekauft werden müssen, kann natürlich dasjenige Unternehmen billiger produzieren – und an die Kunden verkaufen – , welches hier sparsamer ist. Trotz allem Wettbewerbs bleiben noch erhebliche Einsparpotentiale bisher ungehoben:
+ Mehr Simplifizierung wagen: Manche Komplexitäten sind technisch unvermeidbar, andere dienen eher der Kundengewinnung durch das Übertrumpfen der Konkurrenz, wieder andere sind schlicht überflüssig oder gar kontraproduktiv. Nehmen wir das Auto als Beispiel: bei international tätigen Produzenten wird es als Rechtslenker für die britisch orientierte Welt und als Linkslenker für die übrige gebaut. Für die entsprechenden Armaturenbretter müssen in der Produktion jeweils verschiedene Maschinen/Pressen vorgehalten werden. Würde man hingegen ein symmetrisches Armaturenbrett bauen, dessen linker und rechter Teil spiegelbildlich sind, könnte man sich einen Satz an Fertigungsmaschinen sparen. Die Armaturen würden dann je nach Design auf dem Brett montiert oder in das Brett eingesetzt.
+ Mehr Segmentierung wagen: Hier mag ein Beispiel aus dem Bereich Sitzmöbel genügen. Viele Sofas und Sessel kommen heute als mit Leder oder Kunststoff vollbespannte Einheiten in unsere Häuser. Hat dann z.B. die Hauskatze ihre schlechte Laune in der (Arm-)Lehne verewigt, muss das gesamte Sofa zum Polsterer oder fliegt in der IKEA-Knut-Welt gleich ganz raus – und dann in die Müllverbrennung. Das klassische dänische Möbel-Design hingegen unterscheidet zwischen Halterungs- und Nutzfunktion, zwischen Gestell und Sitzflächen, wobei die dauerhafte Halterungsfunktion aus Holz (klassisch: Teak), die Nutzfunktion aus bezogenen Polstern ist. Die Gestelle lassen sich mit einfachen handwerklichen Mitteln wieder in Stand setzen, die Rücken- und Sitzpolster je nach Beschädigung reinigen, neu beziehen, oder als Einzelstück erneuern. Vorteil für die Industrie: wo das eigne, hochwertige Sofagestell steht, kommt kein anderes Sofa von der Konkurrenz hin, die eigene Marke bleibt stets im Wohnzimmer präsent.
+ Mehr Stromlinie wagen: Letztlich betrifft es alle Fahrzeuge, aber besonders beim großen und relativ schnellen Auto gewinnt es eine besondere Bedeutung: die mangelnde Stromlinie der heutigen Autos, gerade auch der SUVs. Viele Fahrzeuge sind extrem kantig und wulstig; manche erinnern sogar an Ausgeburten von StarWars. Das führt nicht nur zu erhöhten Verbräuchen, sondern auch zur erhöhten Ressourcenbeanspruchung. In beiden Fällen wäre „rund“ besser, denn die Idealform der Stromlinie ist der Tropfen, die Idealform des Ressourcensparens ist die Kugel (größter Innenraum bei kleinster Außenfläche).
Bei allen oben angeführten Punkten geht es nicht darum, dass die Hersteller etwas günstiger abgeben bzw. dass die Kunden billiger einkaufen können sollen, sondern es geht um eine Ressourcen-/Rohstoff-Einsparung, die für die Industrie durchaus sinnvoll und profitabel sein kann.
Der Nutzer
Der Nutzer, in der Wirtschaft und den Wirtschaftswissenschaften als „Verbraucher“ zu einer Art menschlichem Produkte-Schredder degradiert, hat eine Vielzahl von Einsparmöglichkeiten. Die liegen zum einen in der eigenen Grundeinstellung: eine bewusste Suffizienz, eine Genügsamkeit, die nicht auf jede von der Werbung als „neu“, „hipp“ und „angesagt“ gepriesene Banalität anspringt, sondern nach dem persönlich Notwendigen, Besseren fragt, ist hier sicher hilfreich. Zum anderen gilt das Grundprinzip der Vermeidung komplexer Geräte sowie großer Gewichte und Volumina, besonders mit längeren Transport-Strecken, die nicht nur wegen des Energieverbrauchs ein Problem darstellen; nein, für sie müssen auch Transportkapazitäten in Form von Containern, Flugzeugen, LKWs etc. bereitgestellt werden. Wegen der Vielfalt der Möglichkeiten hier nur einige wenige:
+ auf Schnittblumen verzichten: dieses voluminöse Produkt wird teilweise mit dem Flugzeug aus Afrika importiert.
+ auf Mineralwasser verzichten: aufgesprudeltes Leitungswasser erspart die Produktion von Plastik-Getränkekisten und Transport-LKWs.
+ auf Überverpackungen verzichten: Bananen und Melonen in leichten Kunststoff-Tüten, die wiederum in Plastiktüten verpackt werden – einfach unsinnig.
+ auf unsinnige Elektrogeräte verzichten: sich einen Toaster anzuschaffen, nur um beim Frühstück nach britischer Art fast nährstofffreie Weizenpappen geröstet vertilgen zu können – für solche Ressourcenverschwendung muss man schon „very british“ sein, und die schlechteste Küche der Welt lieben.
Götz Warnke
Teile der Serie Von der Energiewende zur Ressourcenwende
Teil 1 Grundlagen
Teil 2 Einsparen+Effizienz
Teil 3 Recyclen+Reparieren
Teil 4 Alte und neue Materialien