23.08.2019
Das Klimakabinett wird RWE und Eon zum Sieger des Kohleausstiegs machen
Vom RWE-Konzern, der in den letzten Jahren stark gebeutelt worden war, sind ungewohnte Erfolgsmeldungen zu hören. Die Geschäfte das Dax-Unternehmen laufen wieder richtig gut und der Gewinn in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über 30 Prozent auf 914 Mio. Euro. Die RWE hatte nach einer Meldung von boerse.ard.de erst vor einiger Zeit ihre Prognosen für das gesamte Geschäftsjahr 2019 nach oben korrigiert. Aber auch der angebliche Konkurrent, der durch Aktientausch mit RWE verbandelte Eon-Konzern, erwartet einen erhöhten Gewinn von bis zu 800 Millionen Euro – 200 Millionen Euro mehr als ursprünglich angekündigt.
In Analystenkreisen spricht man bereits von einer neuen RWE, die schon bald zum größten Erzeuger von grünem Strom in Europa heranwachsen könnte. Hintergrund ist die konsequente Neuaufteilung der Geschäftsfelder zwischen RWE und Eon bei gleichzeitiger Aktienverflechtung: RWE macht den Erzeuger, während Eon sich auf Netze und das Endkundengeschäft konzentriert. Im September tritt das schon im vergangenen Jahr ausgekochte Tauschgeschäft in Kraft, wonach das komplette Netz- und Vertriebsgeschäft der bisherigen RWE-Tochter Innogy an die Eon übergehen wird. RWE behält von der Innogy die bislang dort angesiedelten Erneuerbaren Energien und erhält zusätzlich die Erneuerbaren Energien-Geschäfte von Eon.
Diese Flurbereinigung zwischen den beiden traditionellen Platzhirschen der konventionellen Energiebranche beendet nicht nur deren Konkurrenzsituation in der Stromerzeugung. Es bietet auch die Grundlage für eine Art abgestimmten Vorgehens - sowohl mit als auch gegen die Erneuerbaren Energien. Weit vorangeschritten bei dieser Neuordnung war bisher Eon, die Berichten zufolge bereits 70 Prozent des Endkundengeschäftes in ihren Händen hält. Technisch beruht dies auf Big Data-Technologien einerseits und der fantasievollen Gründung und Verwaltung einer Vielzahl von neuen Stromlabels, hinter denen die Stromkunden alles anderen vermuten als den Eon-Konzern.
Im Handling mit Erneuerbaren Energien sieht das Geschäftsmodell vor, dass im Rahmen des Netzgeschäftes der Fluktuationsausgleich auf zentraler Stufenleiter durchgeführt werden soll. Dies wird nach Außen unter dem Stichwort „Digitalisierung der Energiewende“ verklärt, mit welcher eine große Leistungselektronik betrieben und gesteuert wird. Dieser Ausbau eines zentralen, digitalen Fluktuationsausgleiches steckt zwar noch in den Anfängen, aber mit dem Deal zwischen RWE und Eon sind die Fundamente gelegt. Die „Digitalisierung der Energiewende“ wird auch von der Bundesregierung als die große Innovation angepriesen, ohne offen zu legen, dass dieses Konzept alleine den Interessen der beiden großen Konzerne dient.
Für die Bürgerenergie, die gegenwärtig noch rund die Hälfte aller EE-Anlagen besitzt und betreibt, wird ihr mangelndes Interesse am Fluktuationsausgleich bzw. ihre fehlende Erkenntnis, dass dies für ihr Überleben zentral sein wird, in absehbarer Zeit gravierende Folgen haben. Vor allem Bürgerenergiegesellschaften und –genossenschaften, zu deren Geschäftsmodell kein Fluktuationsausgleich gehört, kommen spätestens dann unter Druck, wenn ihre Anlagen aus dem EEG herausfallen. Sie werden höchstens als über das Land verteilte Zulieferer überleben, die von der zentralisierten Dienstleistung des Fluktuationsausgleiches und dem Wohlgefallen der Großen abhängen.
Aber natürlich lassen sich die Besitzverhältnisse bei den Erneuerbaren Energien nicht im Handstreich verändern. Und ebensowenig kann ein neuer Gigant der Erzeugungsbranche sich über Nacht alle PV- und Windparks unter den Nagel reißen. Aber die Perspektiven sowohl der RWE als auch von Eon sind mit dem Abschlussbericht der Kohlekommission deutlich gestiegen. Nachdem keine Festlegungen über die finanziellen Konditionen der Stilllegung von Kohlekraftwerken im Bericht niedergelegt waren, verhandeln nun die Konzerne hinter verschlossenen Türen mit der Bundesregierung über die Entschädigung für stillgelegte Braunkohlekraftwerke.
In der Branche wird davon ausgegangen, dass massive Kompensationszahlungen des Bundes zu erwarten seien. Es geht dabei um riesige Summen, angeblich wird um eine Milliarde Euro pro 1.000 MW gepokert. Wohlgemerkt um Steuergelder. Mit Spannung können daher die Ergebnisse des Klimakabinetts erwartet werden, die am 20. September in Form des angekündigten Kohleausstiegsgesetzes zu erwarten sind. Die Konzerne können damit nicht nur ihre Aktionäre mit einem warmen Dividendenregen erfreuen, sie werden mit diesem Kapital auch große Investitionen tätigen. RWE wird in einem gewissen Umfang in Erneuerbare Energien investieren, sich aber vor allem dem Fuel Switch, also der Kohlenachfolge durch Gas- und Gasmotorenkraftwerke widmen.
Auch Eon wird den eingeschlagenen Weg einer „Digitalisierung der Energiewende“ mit frischem Kapital fortsetzen, aber vor allem den Ausbau der Gasinfrastruktur forcieren. Denn der Riese Eon ist im Gegensatz zum kleineren Bruder RWE im Erdgasgeschäft federführend, und zum Beispiel am Bau der Ostseepipelines und als Treiber der LNG-Infrastruktur beteiligt. Man sollte also vom Klimakabinett trotz seines wohlklingenden Namens keine Aktivitäten zugunsten des Klimaschutzes erwarten. Es wird unter diesem gefakten Deckmäntelchen ein neustrukturiertes „Weiter so“ betrieben, das die Klimakrise letztlich weiter zuspitzen wird.
Es ist gut, wenn die Bewegung der Frydays for Future am 20. September unter dem Motto „#Alle fürs Klima“ auf die Straße geht und möglichst viele der Klimaschützer, Umweltschützer und Solarfreunde mobilisiert. „Wir möchten noch viel mehr Sichtweisen zur Klimakrise auf die Straße bringen und noch vielfältiger für den sozialgerechten Wandel protestieren“, so ein Statement von F4F. Dazu gehört auch, dass der miese Kuhhandel zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen enthüllt wird als das, was er ist. Ein Raubzug der fossil-atomaren Konzerne und ein Betrug am Stromkunden, denn dieser wird letztlich die Zeche zahlen müssen.
Klaus Oberzig
Kohlekommission: So viel vergiftete Luft, DGS News 01.02.2019
Die Seite: allefuersklima.de mit vielen Aufrufen zum 20. September
Und passend dazu der Entwurf eines Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen vom 21.08.2019
Kohleausstieg ohne Kohleausstieg? Nach eigenen Angaben ist das Bundeswirtschaftsministerium gestern einen „weiteren Schritt“ zum Kohleausstieg gegangen: Der Referentenentwurf des „Strukturhilfegesetzes“, in dem bis zum Jahr 2038 Finanzhilfen von 14 Mrd. Euro für Investitionen in den Kohleregionen aufgelistet werden, wurde veröffentlicht. Über ein Thema liest der interessierte Energiewender im Gesetzentwurf übrigens nichts: Über die Strukturierung des Kohleausstiegs oder die konkrete Abschaltung von Kraftwerken. Das war aber so kurz vor wichtigen Landtagswahlen in Kohleländern auch kaum anders zu erwarten. „Die Regelungen für den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung sind Gegenstand eines weiteren, separaten Gesetzgebungsverfahrens“. Also: Erst wird das Geld fest zugesagt, anschließend über den Ausstieg diskutiert. Die Fridays for Future-Bewegung darf schon mal (wieder) den Kopf schütteln. Link zum Gesetzentwurf: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/entwurf-eines-strukturstaerkungsgesetzes-kohleregionen.pdf