23.11.2018
Alle gegen Vergütungsabsenkungen/Sammelgesetz
Der politische Druck, das Energiesammelgesetz, insbesondere hinsichtlich der Vergütungsabsenkung, noch zu ändern, ist in dieser Woche deutlich von vielen Seiten artikuliert worden. Hintergrund ist unter anderem eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses und das enge Zeitfenster, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium für die Verabschiedung gesetzt hat. Es gab weitere öffentliche Stellungnahmen in den vergangenen Tagen, darunter unter anderem von:
Eurosolar
Eurosolar lehnt eine Absenkung der Vergütung für Photovoltaik ab und fordert, den atmenden Deckel, der ja derzeit bereits ein Prozent pro Monat absenkt, wirken zu lassen. Der Verband betont die Wichtigkeit einer sicheren Planung für den Jobmotor Erneuerbare Energien. „Solardachanlagen sind eine der wichtigsten Stützen der dezentralen Energiewende. Nur mit ihnen wird die Energiewende gelingen“, so Eurosolar. Die Bonner fordern auch eine vollständige Befreiung aller PV-Anlagen von Ausschreibungen.
Germanwatch und 50Hertz
Eine ungewöhnliche Stellungnahme kam gemeinsam von Germanwatch und dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz anlässlich eines Fachworkshops: “Wir sind überzeugt davon, dass System- und Versorgungssicherheit nicht im Widerspruch zu einem beschleunigten Ausstieg aus der Kohle oder einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien stehen, wenn die Politik zeitnah den richtigen Rahmen setzt.“, so die beiden Organisationen. Und das ist schon bemerkenswert, denn im Gebiet der 50Hertz wurden schon im Jahr 2017 über 50 % der Stromproduktion durch Erneuerbare (vor allem Wind und Sonne) gedeckt. 65 % sollen dort bereits im Jahr 2021 erreicht werden. Beide Gesellschaften betonen die Wichtigkeit von Flexibilitätsoptionen für das weitere Vorankommen bei der Energiewende.
Greenpeace Energy
Auch der von Greenpeace gegründete Ökoenergieanbieter spricht sich klar gegen Vergütungskürzungen aus und fordert auch über 2022 hinausgehende Sonderausschreibungen, um eine langfristige Planungssicherheit zu bewahren. Eine zeitliche Verschiebung möglicher Kürzungen wird auch als dringend erforderlich bezeichnet, betont werden auch die Nachteile für den Mieterstrom, dessen Projekte aus Sicht von Greenpeace Energy der Absturz droht.
Energiegenossenschaften
Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften vertritt die Interessen von 855 Energiegenossenschaften mit 183.000 Mitgliedern. Dr. Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des DGRV findet klare Worte: „Mittelgroße Photovoltaik-Dachanlagen bieten den mit viel ehrenamtlichen Engagement tätigen Energiegenossenschaften ein handhabbares Geschäftsfeld, um eine lokale und klimafreundliche Energieversorgung voranzutreiben. Diese bürgernahen und regionalen Investitionen werden unmöglich, wenn der Kabinettsbeschluss zum Energiesammelgesetz in dieser Form umgesetzt wird. Wir fordern daher die Streichung der vorgesehenen Sonderkürzungen.“
Auch der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) warnte, dass die von der Bundesregierung vorgesehenen Einschnitte bei der Einspeisevergütung für Sonnenstrom die Durchführung bereits geplanter Investitionsvorhaben von Bürgerenergiegesellschaften gefährden. Dazu kommentiert GVB-Präsident Jürgen Gros: "Wer für 2019 den Betriebsstart einer Dachanlage geplant hat, dem entzieht das Energiesammelgesetz in seiner jetzigen Form schlagartig die Kalkulationsgrundlage. Das torpediert auch aktuelle Investitionsvorhaben vieler Energiegenossenschaften in Bayern. Sie haben mit anderen Rahmenbedingungen gerechnet und sind womöglich schon vertragliche Verpflichtungen eingegangen. Der Gesetzgeber ist deshalb gefragt, den Entwurf des Energiesammelgesetzes anzupassen. Engagement am Energiemarkt setzt Planungssicherheit und Vertrauensschutz voraus."
Nicht zuletzt hatte ja auch die DGS bereits in der vergangenen Woche eine Stellungnahme veröffentlicht. Diese findet sich hier.
Neben den PV-Absenkungen sind aber auch andere Verbände nicht zufrieden mit den Neuregelungen. So äußern sich die Bioenergieverbände gemeinsam und betonen den aktuellen Handlungsbedarf, insbesondere hinsichtlich einer Herstellung von Rechtssicherheit für bestehende Biogasanlagen sowie Änderungen im KWK-Gesetz, die im aktuellen Gesetzentwurf anders ausgefallen ist als im Frühjahr von den Regierungsfraktionen vereinbart. Die Windbrache fordert die Einführung einer Regionalquote, um die Anzahl von Anlagen im Süden der Republik zu erhöhen. So wurden in den letzten Ausschreibrunden nur 10 % der neuen Windräder südlich des Mains bezuschlagt.
Workshop beim BMWI
Am Montag hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu einem Workshop zur geplanten Vergütungskürzung geladen. Zahlreiche Verbände, aber auch Marktteilnehmer und andere interessierte Kreise waren eingeladen, die DGS war ebenfalls dabei. Dort wurden die Hintergründe der geplanten Absenkung erläutert. Durch Studien wurde seit vergangenem Jahr die Preis- und Renditeentwicklung von großen PV-Anlagen untersucht und teilweise eine zu hohe Rendite ermittelt. Warum zu hoch? Weil die EEG-Förderung eine beihilferechtliche Genehmigung der EU benötigt und dafür eine Rendite-Höchstgrenze definiert wurde.
Ob nun überfördert oder nicht – das ist hier sehr abhängig von den Parametern, mit denen die Berechnung begonnen wird. Einigkeit zwischen Teilnehmern und den Vertretern des Ministeriums bestand in der Feststellung, dass die Spanne von System- und Betriebskosten erheblich sind und ein Mittelwert nur schwer den Markt abbildet. Der Vorwurf der Solarbranche: Sowohl Bau- als auch Betriebskosten wurden zu gering angesetzt, wodurch es zu hohen Renditen kam, die reale Projekte nicht abbilden. Gleichzeitig wurde klar, dass in die beihilferechtliche Prüfung keinerlei inhaltliche Abwägung durchgeführt wird – alle Argumente, dass wir die PV für die Energiewende brauchen, greifen daher für die hier notwendige Argumentation nicht. Etliche Teilnehmer haben die Nachreichung von Real-Daten für eine korrektere Ermittlung von Wirtschaftlichkeitsdaten angeboten.
Das HTW Berlin hat dazu auch rasch eine Kurzstudie erstellt, die keine Überförderung bei größeren PV-Anlagen feststellt. Die Kurzstudie finden Sie hier.
Als Treppenwitz bezeichnete es ein Vertreter der Solar-Hersteller beim Workshop, dass von der EU erst vor kurzem die Schutzzölle abgeschafft wurden, um den Markt durch Preissenkung anzukurbeln und jetzt Brüssel aufgrund des gesunkenen Preises beim EEG eine Überförderung ansetzt und den Markt wieder abwürgt. Im Workshop diskutiert wurde neben einer geringeren Absenkung auch eine zeitliche Streckung, vor allem um die laufenden Projekte noch umsetzen zu können. Mit breiter Kritik wurde Zeitplan, Kommunikation und weitere Punkte an das Ministerium adressiert. Zu Veränderungen wurde auf das weitere parlamentarische Verfahren verwiesen.
Von einem Mieterstromexperten wurde angemerkt, dass viele Solaranlagen in diesem Bereich zwar kleiner als 30 kWp sind und damit eigentlich von der Kürzung nicht betroffen wären, aber durch die Zusammenfassungsregelung im EEG (wenn z.B. die Gebäude einer Wohnungsbaugesellschaft auf einem Grundstück stehen) die Absenkung auch auf diese Anlagen voll durchschlägt.
Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Am Dienstag fand in dieser Woche eine zweistündige öffentliche Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie statt. Dort wurden die Experten zur Energiewende allgemein, den Ausbauzielen und den konkreten Änderungen bei Kraft-Wärme-Kopplung, anderen Techniken und den erwarteten Auswirkungen der PV-Absenkung befragt.
Carsten Pfeiffer vom BEE betonte, dass das 65%-erneuerbare-Ziel der Bundesregierung bis 2030 mit dem Energiesammelgesetz nicht erreichbar ist, nicht einmal 58% sind damit möglich, selbst ohne den Ausbau der Elektromobilität und mehr Wärmepumpen zu berücksichtigen. Der BEE fordert,
den Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien an das 65%-Ziel anzupassen. Das bedeutet für PV: Erhöhung der Ausbaukorridore und Abschaffung des 52-GW-Deckels. Er wies auch auf die Verzögerung der Sonderausschreibungen hin, die für die Erreichung der EU-Ziele für 2020 nun zum Teil zu spät kommen, da sie erst zwischen 2019 und 2021 laufen.
Dr. Patrick Graichen (Agora Energiewende) wies darauf hin, dass das 65%-Ziel insgesamt festgeschrieben werden muss, um Planungssicherheit nicht nur für die Erneuerbaren, sondern auch für die konventionellen Kraftwerke zu erreichen. Er sagte, es müssten ab 2020 Wind und PV mit jeweils 4 bis 5 GW netto jährlich ausgebaut werden, um das Klimaziel zu erreichen. Es wies auch darauf hin, dass mit dem Ausbau der Erneuerbaren nicht auf den großen Ausbau der HGÜ-Leitungen gewartet werden muss. Er plädierte für ein konsequentes Netzmanagement und den Start der Sektorenkopplung in Norddeutschland als „Test“ im Kleinen, um Erfahrung für später zu sammeln.
Carsten Körnig betonte, dass aus Sicht des BSW der 52-GW-Deckel schon im Jahr 2020 erreicht wird und daher hier dringend Handlungsbedarf besteht. Die Vergütungssenkung konterkariert die Ausbauziele und beerdigt den Mieterstrom. „Die Sonderkürzungen werden rund 50 % des Solar-Marktes in Deutschland betreffen“, so Körnig. Er kritisierte auch die Eingangsparameter, mit denen die Berechnungen geführt wurden und ist optimistisch, dass der atmende Deckel funktioniert.
Der VKU betonte, dass auch Stadtwerke in erneuerbare Energien investieren und Mieterstromprojekte umsetzen. Auch dieser Verband sieht eine gravierende Gefahr der Vergütungskürzungen für Mieterstromanlagen. Sebastian Boley vom DIHK plädierte auch für bessere Rahmenbedingungen für den Einsatz von Speichern. Damit könnte mehr Flexibilität auch in Industrie und Gewerbe geschaffen werden.
Jetzt müssen in diesen Tagen noch intensive Gespräche geführt werden, um aus dem Ausschuss oder spätestens in der Abstimmung mit dem Bundesrat, der ebenfalls bereits Änderungswünsche kommuniziert hat, die wichtigen Änderungen zu bewirken. Der Bundesrat behandelt das Thema bereits am heutigen Freitag.
Jörg Sutter