18.03.2022
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert
Ein kritischer Bericht von Götz Warnke
Dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien seit Jahren auf eine Vielzahl von Hindernissen stößt, die nicht in diesen Energieformen selbst und ihren Vertretern begründet sind, ist kein Geheimnis. Vielmehr gibt es seit Jahren entsprechende wissenschaftliche Zusammenfassungen, die sich z.B. für die PV sogar an prominenter Stelle finden lassen, nämlich bei der in diesem Bereich stark engagierten Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin. Doch erkennen können und erkennen wollen sind zweierlei, und gerade an letzterem hat es in den vergangenen Merkel-Jahren stark gemangelt. Mehr als deutlich wird das, wenn man sich nicht nur auf die einzelnen Hindernisse konzentriert, sondern einmal „The Big Picture“ betrachtet. Dann nämlich nehmen sich diese Einzelhindernisse wie die politischen Stacheldrahtverhaue eines Schlachtfeldes aus, die begreifbar machen, warum der Anteil der Erneuerbaren an der Energieerzeugung in den letzten Jahrzehnten auf gerade einmal rund 20 Prozent gekommen ist. Auch wenn die Absichten und Anteile der Hinderniserrichter sicherlich unterschiedlich sind, so kann man in der Gesamtbetrachtung zweifellos von Sabotage sprechen.
Bevor wir – ohne auch nur den entferntesten Anspruch an Vollständigkeit – zu einzelnen Sabotageakten in den verschiedenen Energiesektoren kommen, sehen wir uns erst einmal den Reigen der „De-Facto-Saboteure“ an:
Die EU
Brüssel hat sich in den vergangenen Jahren immer ambivalent verhalten: zwar wurden auf der einen Seite die Erneuerbaren Energien mit vielen Projekten erforscht und gefördert, auf der anderen Seite gab und gibt es eine starke Förderung der Fossilen Energien, denen man trotz Klimakrise eine größere Zukunft zubilligt: „Shale gas is widely considered to be the unconventional fossil fuel with the greatest development potential in Europe. To further explore, the European Commission and the Geological Surveys of Europe conducted a pan-European assessment, which also included Ukraine, of unconventional gas and oil resources.“
Ausdruck dieses Festhaltens an den Fossilen ist auch die neue EU-Taxonomie. Damit werden einerseits nicht nur Atom- und Gaskraftwerke gefördert, sondern auf der anderen, erneuerbaren Seite werden z.B. der Handel mit Solarmodulen und Ökostrom schlicht übergangen. Hingegen hat man die fossile Konkurrenz, sprich Gaslobby, in der EU sogar an den hochsubventionierten Ausbauplanungen der Gasinfrastruktur beteiligt – ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Deutsche Regierungen
Deutlich verheerender als die EU hat in den letzten 16 Jahren die Bundesregierung in den Erneuerbaren Energien gewirkt, oder besser gesagt: „gewürgt“. So hat man regierungsseitig die einst blühende deutsche Solarbranche mit ihren rund 120.000 Arbeitsplätzen zerstört, indem man u.a. chinesischer, staatsfinanzierter Billig-PV freie Bahn ließ. Natürlich hätten Merkel und Konsorten die deutsche EEG-Förderung auch an eine CO2-arme Produktion der Module und soziale Mindeststandards in den Fabriken koppeln können. Aber dann hätte man mit chinesischen Erschwernissen für die deutsche Autoindustrie rechnen müssen, und die galt der Kanzlerin stets als „Heilige Kuh“. Immerhin hatte es ja bereits im Zuge der Finanzkrise 2008 und zur Sicherung von Arbeitsplätzen eine als „Umweltprämie“ kaschierte Abwrackprämie zu Gunsten der Autoindustrie gegeben (kleines, altes Auto abwracken, großes, neues Auto kaufen). Ähnlich großzügige Prämien zum Abwracken von bestehenden Öl- und Gasheizungen gab es von dieser Regierung selbstverständlich nicht. Eher verordnete man der ungeliebten, weil immer konkurrenzfähigeren PV eine „Strompreisbremse“ bzw. sogar eine „Atempause“.
Nicht nur die Erneuerbaren Energien, sondern auch flankierende, auf das Energiesparen und damit auf die Reduktion des Fossilenergieverbrauchs zielende Verbände und Personen wie die staatlich ausgewiesenen Energieberater hat man versucht, ins AUS zu schieben, indem man auf ihre bisher bei geförderten Sanierungen verpflichtende Expertise verzichten wollte.
Mit der Fossilwirtschaft verbandelte Großunternehmen wurden von solchen Hindernissen stets verschont. So konnten energieintensive Unternehmen sich von der für alle geltenden EEG-Umlage weitgehend befreien lassen. Waren es 2017 noch knapp über 1.900 Unternehmen mit 114 Milliarden kWh, so wurden für 2019 bereits von 2.209 Unternehmen Anträge für 119 Milliarden TWh eingereicht. Die dadurch in der EEG-Kasse fehlenden rund 6,5 Milliarden € durften z.B. Bürger und Handwerksbetriebe zahlen, während manche Großunternehmen ihren Strom auch noch günstig an der Strombörse erwerben konnten. Diese Politik hat den Erneuerbaren Energien nicht nur dadurch geschadet, dass gegen sie mit der hohen EEG-Umlage Stimmung bei den Bürgern gemacht wurde. Durch die Privilegierung waren die Großunternehmen auch nicht gezwungen, selbst Erneuerbare-Energien-Anlagen zu errichten, was andernfalls wegen der dann notwendigeren höheren Produktionsstückzahlen zu günstigeren PV- und ST-Anlagen auf dem Markt geführt hätte.
Letztlich war die Merkelsche „Energiewende“ stets ein Schwindelunternehmen; der plötzliche Atomausstieg 2011 resultierte nicht aus höherer Einsicht, sondern aus der Angst der CDU, in Baden-Württemberg die Wahlen zu verlieren – was dann doch geschah. Um den Regierungskurs beizubehalten, hat man auch tunlichst nie die Klimafolgekosten der Fossil-Energien solide einberechnet. Und so ist es nicht verwunderlich, dass diese Energiepolitik mit ihren angestrebten Klimazielen schließlich vom Bundesverfassungsgericht richtig „abgewatscht“ wurde. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass die ganze Merkelsche Energiepolitik schon wenige Monate nach dem Abtritt der Bundeskanzlerin völlig kollabierte.
Doch nicht nur die Bundesregierung hat den Erneuerbaren Energien „Knüppel zwischen die Beine geworfen“, auch die „Landesfürsten“ machten und machen munter mit. Allen voran die bayerische Staatsregierung. Zwar sind auch in Bayern die Zeiten längst vorbei, als man – wie Ende der 1970er Jahre – den Landwirten zwangsweise die Kollektoren wieder von den Dächern schraubte. Dafür blockiert man heute die Windenergie mit einer absurden 10-H-Abstandsregelung. Jetzt im Ukraine-Krieg sorgt sich die bayerische Regierung um die unabhängige Lebensmittelversorgung Europas – es wäre schön, wenn man sich in Bayern ebenso um die unabhängige Energieversorgung Europas sorgen und den 10-H-Unfug beenden würde.
Anders, aber deshalb nicht besser sieht es in weiteren Bundesländern aus: in Mecklenburg-Vorpommern hat die Ministerpräsidentin Schwesig den Ausbau der Gasabhängigkeit von Russland mittels Nordstream 2 quasi bis zur letzten Patrone verteidigt. In Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen wurden und werden mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen, und bergrechtlich legitimiert, für die Braunkohle ganze Landschaften umgestaltet und Dörfer weggebaggert – während es bei den Erneuerbaren schon für einen Bruchteil dieser Eingriffe ins Landschaftsbild und in persönliche Gewohnheiten einen gewaltigen Aufschrei geben würde. Die Liebe zur Braunkohle geht dabei durch alle Parteien – von der CDU über FDP, SPD, Grüne bis zur Linken. Und wo es in Bundesländern keine Braunkohle gibt, da beschäftigen sich Politiker mit einer kurzsichtigen Wärmewende nach dem Motto „Weg mit der Ölheizung, hin zu klimafreundlichem Erdgas“. In Hamburg machte sogar ein grüner Umweltsenator dabei mit.
Daneben gibt es viele kleine, kaum sichtbare Hindernisse, z.B. durch überlastete/unterbesetzte Behörden, mangelnde Abstimmung verschiedener Gesetze aufeinander, und die Baugesetze/Bauordnungen mit ihren Baufenstern, Fluchtlinien und Carportverboten in Vorgärten etc., die jedes Streben nach mehr Energie-Autarkie in Bürokratismus ersticken.
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 1
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 2
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 3