18.01.2019
OMV führt in Österreich vibroseismische Messungen zum Auffinden fossiler Rohstoffe durch
Die OMV fördert und vermarktet Öl und Gas. Mit einem Konzernumsatz von EUR 20 Mrd. und einem Mitarbeiterstand von rund 20.700 im Jahr 2017 ist die OMV Aktiengesellschaft eines der größten börsennotierten Industrieunternehmen Österreichs [I1]. Die IPIC/Abu Dhabi hält 24,9% der Aktien, die Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungs GmbH halten 31,5%, 43,3% befinden sich im Streubesitz [I2].
Die OMV deckt derzeit rund 10% des Erdgasverbrauchs in Österreich und will - mit weiteren fossilen Energieträgern - die Versorgungssicherheit der Zukunft mit vibroseismischen Untersuchungen und der Erschließung neuer Lagerstätten sichern [I8]. Ausgerechnet in Zeiten des Klimawandels und einer längst notwenigen Energiewende führt das Unternehmen als Erweiterung der bereits durchgeführten 3D Seismik, am Nordrand von Wien und Gemeinden im östlichen Weinviertel weitere seismische Messungen durch. Die Messungen dienen dazu den geologischen Untergrund bis in eine Tiefe von 4.000–6.000 m zu vermessen und sollen Aufschluss über mögliche erdgasführende Strukturen geben [I3, I4]. Die Messung erfolgt im Wesentlichen durch das gleichzeitige Auslegen von rund 10.000 Messboxen auf einer Fläche von ca. 12 x 12 km (144 km²) [I4]. Mit Hilfe künstlicher Quellen (Anm: sog. Vibro-Seismik-Schwer-LKWs) werden in den oberen Erdschichten Schwingungen angeregt. Die Schwingungen breiten sich dreidimensional im Boden aus und werden an Gesteinsschichten im Untergrund reflektiert [I4].
Durch die auf den LKWs befestigten Vibrationseinheiten werden Schwingungen der Reaktionsmasse über eine absenkbare Platte auf die Erdoberfläche übertragen [I4]. Soweit bekannt, beträgt die Schwingmasse der Trucks ca. 10 t, das Gesamtgewicht solcher Trucks ca. 25 t. Im Auftrag von GeoTief Wien (gleiche vibroseismische Messtechnik) - so wurde es zumindest versprochen - sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma „Müller und Milchrahm KG – Permit und Geophysik“ das Einverständnis der betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer sowie der Nutzungsberechtigten von Grundstücken einholen, auf denen gemessen werden soll [I5].
Zum Projektstart wird das Gelände, auf dem die Messungen stattfinden sollen, durch Mitarbeiter der Messfirma DMT GmbH & Co KG markiert und die Mess-Sensoren (Geophone) für die vorgesehene Messstrecke ausgelegt [I5]. DMT gehört zu den Unternehmen der TÜV NORD GROUP [I6].
Die OMV Austria Exploration & Production GmbH führt, nach Mitteilung des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) die vom Staat in Verträgen, die ihr auferlegte Verpflichtung, „Aufsuchungstätigkeiten durchzuführen um Österreich mit Energie versorgen zu können“, durch. Eine Anfrage zur Offenlegung dieser Verträge ist noch nicht beantwortet.
Zur Frage ob bei Einhaltung der ÖNORM S9020 mit Schäden an Gebäuden, Kanälen, Stromkabeln, Wasserleitungen, Gasleitungen usw. durch seismische Explorationstätigkeiten der OMV Austria Exploration & Production GmbH zu rechnen ist, teilte das BMNT, obwohl sich bereits individuelle Berichte und auch Medienbericht über derartige Schäden bereits mehren mit, dass dies aus der „bisherigen Erfahrung“ verneint werden kann. Standards wie die ÖNORM S9020 haben aber keine rechtliche Verbindlichkeit – es sei denn, sie werden vertraglich vereinbart oder der Gesetzgeber erklärt sie für verbindlich [I9]. Zudem kann durch die Einhaltung von Normen ein Schadenseintritt ohnehin nicht zu 100% ausgeschlossen werden. Auch zur Frage ob die Schwingungen eventuell Auswirkungen auf im Untergrund befindliche wasserführende Schichten und Klüfte oder Brunnen haben, kann dies angeblich „ebenso aus der bisherigen Erfahrung“ verneint werden, so die Montanbehörde des BMNT zuletzt in einer eher ausweichenden und knappen Antwort.
Von der OMV heißt es dazu in einer Anfragebeantwortung fast ident: „Aufgrund unserer Auflagen in Bezug auf die ÖNORM S9020 sind die von uns ausgelösten max. Schwinggeschwindigkeiten unterhalb des Grenzwertes für denkmalgeschützte Gebäude. Das bedeutet, dass wir mit der Einhaltung der Grenzwerte keinen Schaden verursachen können. Trotz der bereits mehr als 70.000 Punkte an denen die Vibrationsfahrzeuge die seismischen Wellen generiert haben, sei es angeblich, so die OMV, bis dato zu keinen Schäden gekommen [E1].
Die Schwingungsanregung im bebauten Gebiet durchläuft innerhalb von 1 Minute ein Frequenzband von 12-90 Hz. Es Aufzeichnungen parallel zur Schwingungsanregung, welche die Einhaltung des Frequenzbandes nachweisen [E1].
Vermeintliche Schäden in Wien und Niederösterreich
Am 18.12.2018 hat sich ein Geschädigter aus Wien 22 gemeldet, der behauptet, seit den seismischen Untersuchungen der Rüttelgeräte durch GeoTief Wien, einen Gebäudeschaden zu haben [E2]. Anfang November wurden vibroseismische Messungen in Gänserndorf durchgeführt. Dies ist die vermeintliche Ursache an Rissen am Gebäude eines Landwirts. Die OMV meinte dazu: „Aufgrund unserer Auflagen in Bezug auf die ÖNORM S9020 sind die von uns ausgelösten maximalen Schwinggeschwindigkeiten unterhalb des Grenzwertes für denkmalgeschützte Gebäude. Das bedeutet, dass wir mit der Einhaltung der Grenzwerte keinen Schaden verursachen können“ [E2].
Im Fall des vermeintlich Betroffenen wird ein durch das Gericht beauftragter Sachverständiger eventuell Klarheit schaffen, ob die Schäden durch die vibroseismischen Messungen entstanden sein können. Derzeit liegt die Beweislast allerdings beim mutmaßlich Geschädigten. Dieser muss nachweisen, dass vor den Messungen kein Schaden vorhanden waren [E2].
Durch die zahlreichen vermeintlichen Schadensmeldungen, die aus Niederösterreich eingegangen sind, wird es nach Ansicht der betroffenen Person vermutlich im Gerichtsverfahren etwas leichter werden, es zu beweisen, dass die Kausalität mit den Rüttelungen gegeben ist. Ein Bürger aus Gaiselberg bei Zistersdorf vermutet, dass Rüttelungen vor vielen Jahren und Schäden am öffentlichen Kanal und Wasserleitungen in Verbindung stehen [E2].
Die OMV hat am 18.12.2018 in aller Früh, mit den Seismikuntersuchungen in Langenzersdorf begonnen, ohne wie zuvor versprochen vorab die Bevölkerung zu informieren, berichtet die SPÖ Langenzersdorf. Diese warnt seit Wochen davor, dass es bei diesen Untersuchungen, die durch eine Kolonne von Seismik-Schwer-LKWS durchgeführt werden zu Schäden und Rissbildungen an Häusern kommen kann. Dr. Baumgärtel von der SPÖ Langenzersdorf hat diese Schäden bereits vor Wochen in anderen Bezirken besucht und gesehen, dass die Risse teils schwerwiegend waren und die Besitzer der betroffenen Häuser von der OMV dann sprichwörtlich im Regen stehen gelassen wurden und diese in jahrelangen Gerichtsstreits gegen die OMV ankämpfen müssen. Denn - und das ist hier für Langenzersdorf fatal: Die OMV hat sich bisher immer geweigert für allfällige Schäden aufzukommen, wenn diese nicht vorher dokumentiert wurden angefertigt wurden. Das setzt jedoch voraus, vorab von den Rüttelungen informiert zu werden, was die ÖMV, trotz Versprechen, im Falle von Langenzersdorf jedoch verabsäumt hat [I7].
Auf Anfragen betreffend möglicher Schäden aus den Aktivitäten der seismischen Exploration bekommt man sowohl von Seite des BMNT als auch der OMV beschwichtigende Antworten. Es wird mehrfach und immer wieder mit den Erfahrungen argumentiert, wonach demgemäß nicht mit Schäden zu rechnen sei. Die OMV behauptet sogar, dass aufgrund der Einhaltung der Normen keine Schäden eintreten können. In Gerichtsverfahren wurde ebenfalls mit der geringen Wahrscheinlichkeit argumentiert, wobei der OMV die Rechtslage (Nachweispflicht der Kausalität durch die Geschädigten) zu Gute kommt [E3].
Dazu ist allerdings anzumerken, dass sowohl umfassende Erfahrungen, oder anders ausgedrückt eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit keinesfalls die Möglichkeit von Schäden ausschließen können. Statistik erlaubt es nie, gültige Schlüsse auf den Einzelfall zu ziehen. So gesehen wären die Katastrophen von Tschernobyl, Fukushima, Kaprun oder Genua alle nur Hirngespinste, weil auch diese Ereignisse im kompletten Widerspruch zu den vorangehenden Erfahrungen stehen. Auch die übergroße Zahl von Fällen wo alles gut gegangen ist, erlaubt nicht den Schluss zu, dass es unmöglich zu Schäden kommen kann.
Die behauptete absolute Sicherheit wird auch bisher nie mit Argumenten aus der Physik, der Geologie oder der Statistik begründet, denn klarerweise kann man derartige Aussagen nicht begründen. Außerdem findet sich auf der Homepage der AUSTRIA Standards ausdrücklich der Hinweis, dass Normen nur Richtwerte darstellen und keineswegs gerichtliche Relevanz haben, und nur vernünftig festgesetzte, willkürliche Werte darstellen [E3].
Die falsche Überzeugung, dass nichts passieren könne, führt dann dazu, dass mögliche Vorsichtsmaßnahmen (wie Bestandsaufnahme) verzichtet wird, andererseits aber im behaupteten Schadensfall von dem vorher durch Beschwichtigungen beruhigten Bürger abverlangt wird. Und schließlich wird - weil nicht sein kann was nicht sein darf - wird jede Klage wegen vermeintlicher Schäden mit diesen Argumenten als Einzelfall dargestellt [E3]. Angesichts verschiedenster Vorkommisse, Beschwerden und sogar Prozesse, welche vermeintlich im Zusammenhang mit vibroseismischen Messungen stehen, müssten der OMV
doch eigentlich selbst Zweifel an der Korrektheit ihrer Argumentation haben. Jedenfalls ist die zeitliche Häufung von vermeintlichen Schadensfällen im Zusammenhang mit den beschriebenen Messungen, die bislang an die Öffentlichkeit gedrungen sind, bemerkenswert. Zur Frage, ob dem BMNT vermeintliche Schadensfälle bekannt sind, steht noch eine Antwort aus. Auch die OMV hat eine Hotline für Bürgerinnen und Bürger eingerichtet.
Konträr dazu stehen die Erfordernisse angesichts der Klimaschutzvereinbarungen von Paris, vom IPCC-Sonderbericht sowie der COP24. Um das 1,5°C zu erreichen müssen jetzt die Weichen für den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, die Steigerung der Energieeffizienz sowie den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien gestellt werden. In Österreich müssen dazu die #mission 2030 (integrierte Klima- und Energiestrategie) und im nächsten Jahr der integrierte nationale Energie- und Klimaplan angepasst werden.
Dazu gehört:
• Reduktion der THG-Emissionen bis 2030 in Österreich um 55 bis 60% gegenüber 1990.
• 60% Erneuerbare Energien bis 2030 anstelle der im Entwurf vorgesehenen 45% bis 50%.
• Reduktion des Bruttoinlandsverbrauchs in Österreich bis 2030 um mindestens 35%, bis 2050 ist eine Halbierung erforderlich.
• Ablehnung der Atomenergie und aktiver Einsatz dagegen.
• Ablehnung gegenüber CCS auf Ebene der EU.
• Ablehnung des Ausbau der fossilen Energieinfrastruktur in der EU (LNG-Häfen, Nord-Stream 2, …) und in Österreich.
• Ausstieg aus Öl und Gas im Neubau ab 2019.
• Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2020.
• Verbot von Fahrzeugen mit herkömmlichem Verbrennungsmotor ab 2030.
• Klares Bekenntnis zum vollständigen Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern bis 2050.
• Aufkommensneutrale soziale Ökosteuer.
• Demokratisierung der Energiewende.
Tragisch daran ist, dass es mehrere Parallelen gibt. Mögliche Auswirkungen der vibroseismischen Messungen an ober- und unterirdischer Infrastruktur treten erst im Anschluss an Untersuchungen zu Tage. Die Auswirkungen des Klimawandels haben Ihre Ursache im Wesentlichen in unserem Energieverbrauch und werden unsere Kinder und Enkelkinder spüren. Vertreter der fossilen Energielobby waren und sind es, die Schäden ausschließen und den Klimawandel für unrealistisch halten. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fracking zur Erschließung der immer schwerer ausbeutbaren Ressourcen eingesetzt wird.
Aber jeder Bürger in jeder Gemeinde kann die Energiewende und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern selbst beschleunigen. Dabei gilt: Besser leben mit weniger Energie.
Quellen:
[I1] https://www.omv.at/de-at/ueber-uns, 19.12.2018
[I2] https://www.omv.at/pbd_download/10/920/OMV_AG_Factsheet_2016_DE.pdf, 19.12.2018
[I3] https://www.omv.at/de-at/aktivitaeten/exploration-und-produktion/versorgung-fuer-oesterreich, 19.12.2018
[I4] https://www.omv.at/pbd_download/544/372/OMV%20Factsheet_Austria_Seismik_DE_August2018,0.pdf, 19.12.2018
[I5] http://www.geotiefwien.at/media/files/2018/2018.09.25_geotief_ folder%20a5_final_271330.pdf, 19.12.2018
[I6] https://www.tuev-nord-group.com/de/unternehmen/dmt/, 19.12.2018
[I7] https://www.facebook.com/spoe.langenzersdorf/, 19.12.2018
[I8] https://www.youtube.com/watch?v=JzxIK3Q9gkg, 19.12.2018
[I9] https://www.austrian-standards.at/ueber-standards, 19.12.2018
[E1] Antworten von der OMV Public Relations auf eine Anfrage von www.oekonews.at an die OMV
[E2] Josef Zihr, vermeintlich geschädigte Person von den vibroseismischen Messungen in Niederösterreich
[E3] Hans Georg Feichtinger, vermeintlich geschädigte Person von den vibroseismischen Messungen in Niederösterreich, führte eine Klage gegen die OMV
Kurzes Video mit den Messfahrzeugen
Fotos zur freien, kostenlosen und unverbindlichen Verwendung
Kontakt
BI Bürgerinitiative SCHIEFESgas: http://weinviertel-statt-gasviertel.at, https://www.facebook.com/BI.SCHIEFESgas/?fref=nf
Josef Zihr, vermeintlich geschädigte Person von den vibroseismischen Messungen in Niederösterreich: josef.zihr(at)gmx.at
EUROSOLAR AUSTRIA (Recherche, Herstellung von Kontakten zur Politik und Medien, Unterstützung der BI und von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern bei der Vernetzung): vernetzung(at)eurosolar.at