17.09.2021
Lithium aus geothermischen Kraftwerken: Kommt der neue Rausch am Rhein?
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Lithium als Abfallprodukt aus Geothermieanlagen: Eine neue Fördermethode für das nachgefragte Alkalimetall wird gerade professionalisiert: Doch nicht alle Thermalquellen sind dafür geeignet.
Die Älteren unter uns werden den Schunkel-Schlager aus dem Jahre 1960 noch kennen: „Ich hab den Vater Rhein in seinem Bett gesehen, ja der hat's wunderschön: der braucht nie aufzusteh’n.“ Doch nun soll der Vater Rhein geweckt werden. Denn unter seinem Bett lagert das Alkalimetall Lithium, ein Rohstoff, der zur Lösung der Energie- und Verkehrswende beitragen kann. Manche Insider erwarten gar einen „Lithium-Rausch am Rhein“.
Lithium-Ionen-Akkus sind heute die am Markt gebräuchlichste Form, Strom zu speichern: Sie sind leichter und kompakter als Bleibatterien; die Rohstoffe sind nicht so giftig wie zum Beispiel das Cadmium der NiCd-Akkus; Wirkungsgrad und Zyklenfestigkeit sind recht hoch, um nur einige Li-Ion-Vorteile zu nennen. Die Speicher werden meist im Zusammenhang mit Elektroautos genannt. Dabei wird aktuell der überwiegende Teil der Batteriezellen in Mobiltelefone, Laptops, Zahnbürsten, Bohrschrauber, Kameras, Taschenlampen und ähnliche Kleingeräte eingebaut.
Viele heute übliche Gewinnungsverfahren für Lithium sind kritikwürdig, weil meist nicht gerade umweltschonend: In Chile beispielsweise bleibt das Metall nach der Verdunstung einer Lösung übrig; dabei wird jede Menge Wasser verbraucht. Gleichzeitig aber wird – mangels Batteriealternativen bisher – immer mehr Lithium benötigt, um insbesondere die weltweit steigende Produktion von E-Mobilen mit Akkus zu versorgen.
Alternativen zum Import von Lithium werden auch hierzulande dringend gesucht. Im Graben des oberen Teils von Vater Rhein meinen nun mehrere Konsortien, sie könnten dort das Metall sowohl günstiger als auch umweltverträglicher gewinnen als durch Verdunstung oder im Bergbau. Allen Ideen liegt dieselbe Technik zugrunde: Sie wollen die zum Teil beachtlichen Gehalte an Lithium aus dem Wasser herausfiltern, das für geothermische Nutzung aus den Tiefen der Erde hochgepumpt wird. Die heißen Untergrundwässer im Oberrheingraben gelten hierfür als gut geeignet, weil sie unter anderem reichlich Lithium enthalten.
Nicht so in Bayern: Auch hier gibt es zahlreiche Geothermieanlagen. Doch laut Maximilian Keim von der Geothermie-Allianz Bayern GAB zapfen diese ihre Erdwärme „aus hydrothermalen carbonatischen Aquiferen (Grundwasserleiter; d.Red.), die extrem arm an Lithium sind. Es wäre eine schöne Option auch in Bayern, aber leider nicht machbar“, bedauert Keim, der sich „schon selber darüber Gedanken gemacht hat“.
Wie funktioniert die Li-Gewinnung?
An der bestehenden Geothermie-Anlage Bruchsal dagegen gibt es ein auf vier Jahre angelegtes Forschungsprojekt zur Lithiumförderung, „UnLimited“ genannt. Mit dem Kooperationsführer Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) arbeiten die Universitäten Karlsruhe und Göttingen sowie die Industriepartner BESTEC und Hydrosion zusammen.
Das Prinzip: Nachdem das Thermalwasser zur Strom- und Wärmegewinnung genutzt wurde, wird es durch mit Manganoxidlösung gefüllte Behälter geführt. Darin wird das Lithium herausgezogen. Danach fließt das abgekühlte Wasser wieder in den 2.500 Meter tiefen Grundwasserkreis zurück.
„Wir können etwa 70 Prozent des enthaltenen Lithiums entnehmen. An einer normalen Geothermieanlage kommt man so auf 900 bis 1.500 Tonnen Li pro Jahr“, beschreibt der EnBW-Geothermieexperte Thomas Kölbel das Verfahren.
Alleine die Li-Menge der Geothermie Bruchsal könnte für die Batterien von 20.000 Elektroautos reichen, so EnBW. Deshalb gehe es im Forschungsprojekt nun um die technische Umsetzung unter Realverhältnissen und die Wirtschaftlichkeit des Prozesses. Doch man denke auch an die Nachhaltigkeit der Lithiumressource im Oberrheingebiet und stelle „Untersuchungen zum ökologischen Footprint“ an.
EnBW rechnet „zum Jahreswechsel mit der Produktion von Lithium zu Testzwecken aus einem Prototyp“. Der solle „2022 optimiert und ausgebaut werden“. Seien 2024 alle Daten analysiert, „wird über die Umsetzung einer Lithiumproduktion in wirtschaftlichem Maßstab entschieden“, erklärt EnBW- Konzernpressesprecherin Friederike Eggstein das weitere Vorgehen. Von den kalkulierten Projektkosten von 3,4 Mio. Euro übernimmt das Bundeswirtschaftsministerium 2,9 Mio.
Konkrete Pläne jenseits der Forschung
An anderer Stelle gibt es jedoch bereits ganz klare Produktionspläne: „Mit jährlich 6.000 bis 17.000 Tonnen Lithium in Batteriequalität aus geothermischen Solelagerstätten in Deutschland versorgen“ werde das deutsch-australische Unternehmen Vulcan Energy den französischen Autokonzern Renault. Einen entsprechenden Liefervertrag über „umweltverträglich erzeugten Batterierohstoff für Elektrofahrzeuge“ haben die beiden Firmen vor wenigen Wochen unterschrieben. 2026 sollen die vollen Mengen geliefert werden.
Schon 2022 wolle Vulcan in einer Demoanlage 2.000 Tonnen Lithium gewinnen, erklärt Jan Martin Weinhold von der Agentur DWR im Auftrag von Vulcan. „Bereits jetzt wird Li in einer Pilotanlage in der Region gefördert“, erklärt Weinhold. Wo genau, will er aber nicht verraten. Pfälzische Bürgerinitiativen vermuten, die Demoanlage werde am Geothermie-Kraftwerk Landau entstehen.
Für das Grundwasser stelle die Lithiumentnahme kein Problem dar: „Der Geothermalprozess ist ein Kreislauf. Das Wasser wird nach oben gepumpt, das Lithiumhydroxid herausgefiltert und dann weiterverarbeitet“, heißt es von Vulcan Energy. Auch wenn die Umweltbilanz noch nicht endgültig ermittelt sei: Pro Tonne (t) Lithium werde 15 t CO2 weniger freigesetzt als bei Gewinnung aus Hartgestein, das steht für Vulcan bereits fest. Renault ergänzt dazu, man wolle so „die CO2-Bilanz bei der Herstellung einer 50-kWh-Batterie um 300 bis 700 Kilogramm“ verbessern.
Horst Kreuther, Mitbegründer des Vulcan-Lithium-Projekts und Sonderbeauftragter des Bundesverbands Geothermie, nennt drei wichtige Aspekte, damit Lithium aus Thermalwasser geholt werden kann: Hohe Temperaturen, hohe Durchflussraten und den „Chemismus“, also unkritische Mineralgehalte. Deshalb seien weder das zwar salzhaltigere, aber kältere Wasser in Norddeutschland noch das heiße, jedoch mineralienarme in Bayern geeignet, um Lithium zu extrahieren. „Der Oberrheingraben ist ideal“, so Kreuther.
Unser innovatives Verfahren Zero Carbon Lithium verursacht keine Treibhausgasemissionen und ist sowohl umwelt- als auch klimaschonend“, hebt Vulcan heraus. Denn um alle Fahrzeuge weltweit zu elektrifizieren, würde „bei konventioneller Förderung eine Größenordnung von 1,05 Mrd. t CO2 emittiert – allein zur Lithiumgewinnung“, hat das Unternehmen errechnet.
Vergleich Produktionsmethoden
Laut Vulcan Energy entstehen bei der Gewinnung je Tonne Lithiumhydroxid …
... aus Hartgestein: 15.000 kg CO2-Ausstoß, 170 m³ Wasserverbrauch, 5.670 € Kosten
... aus Verdunstungsbecken: 5.000 kg CO2-Ausstoß, 469 m² Wasserverbrauch, 4.857 € Kosten
... mit „Zero Carbon Lithium“: 0 kg CO2-Ausstoß, 80 m³ Wasserverbrauch, 4.690 € Kosten