17.05.2024
Solarthermie: Ab ins Museum oder ganz groß raus?
Kein klassischer Veranstaltungsbericht von Matthias Hüttmann
Ohne Solarthermie keine Wärmewende: So lautete das Motto des diesjährigen, mittlerweile 34. Symposium Solarthermie, das in den letzten Jahren mit der Ergänzung „und Innovative Wärmesysteme“ antrat(*). Dazu schreibt der Veranstalter Conexio-PSE: „Im exklusiven Rahmen diskutieren die Teilnehmer drei Tage lang die aktuellen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, technische Entwicklungen und konkrete Lösungen aus der Praxis und vernetzen sich untereinander.“ Ja, exklusiv, das ist ein Attribut, dass durchaus auf die diesjährige Veranstaltung zutrifft. Denn leider war die Anzahl der Teilnehmenden überschaubar. Hier schwingt die Veranstaltung allerdings durchaus im Rhythmus der Branche, die, um es positiv zu formulieren, im Umbruch ist. Denn, das ist durchaus die Frage: Wird die Solarthermie (ST) künftig vor allem groß dimensioniert, oder kann sie auch im Kleinen noch mal Fuß fassen?
Dass die ST unverzichtbar ist eine Binsenweisheit, die aber nicht überall verstanden wird. Denn selbst in den Berliner Ministerien scheint sie, vielleicht auch aufgrund der dort fehlenden Marktkenntnis, nur noch groß sein zu können, sprich als Wärmeerzeuger von Wärmenetzen vorzukommen. Dabei könnte die ST, so eine These des engagierten Architekten Florian Lichtblau, durchaus sehr gut als Stauumfahrung für die Wärmewende dienen. Denn das ist, bei aller Euphorie um die Erfolge beim Zuwachs regenerativ erzeugten Strommengen, eines unserer Kernprobleme: Die Sanierungsquote des Gebäudebestands ist unterirdisch niedrig. Und bekommen wir die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung nicht in den Griff, wäre eine Verfehlung unserer Klimaziele zwangsläufig die Folge. Nur wie kann die Wärmeversorgung defossilisiert werden, wenn wir weiterhin aus der Henne-Ei-Teufelskreis nicht herausfinden. Dieser hängt in der Endlosschleife, in der zwar durchaus Technologien für einen wärmebedarfsreduzierten Gebäudebestand existieren, diese aber nicht auf das Gros der Gebäude zu passen scheinen. Fast schon ein wenig skurril ist das Ignorieren dieser Technologie daher, wenn man bedenkt, dass die Erträge der ST umso höher werden, je schlechter die Gebäude sind. Reduzierungen von Treibhausgasemissionen wären daher sehr schnell erreichbar, würde man den Sanierungsstau mit ST ein wenig umfahren. Dazu nochmal ein schönes Zitat von Florian Lichtblau: ST kann das Aspirin im Klimaschutz sein, sie wirkt schnell und ist einfach. Eine echte erneuerbare Brückenlösung, wenn man so will. Wird das Gebäude später saniert, kann sie ja weiterhin in Funktion bleiben, auch wenn ihre Erträge dann sinken. Schließlich können wir uns es nicht leisten, auf die Modernisierung der Gebäude zu warten.
Die Zukunft wird heute gemacht
Aber offensichtlich denkt man nicht immer an das Offensichtliche und schwebt viel lieber in einer Science-Fiction-artigen Zukunft. So hat erst kürzlich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in einem Social Media Post seine Vorstellung zu Klimapolitik erklärt, dass es besser sei, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und Ziele zu formulieren, statt zu dirigieren und bevormunden. Den Ingenieuren und Erfindern solle man es dann überlassen, wie wir diese Ziele erreichen. Weshalb in der Klimapolitik eigentlich ständig Ziele formuliert werden müssen ist insofern unklar, da es von diesen bekanntlich schon genügend gibt, allen voran das Pariser Klimaschutzabkommen, das für Deutschland verbindlich ist. Wir müssen entsprechende Anstrengungen unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Verlässt sich die Politik auf den Innovationsgeist von „Erfindern und Ingenieuren“, dann versucht sie sich faktisch aus der Verantwortung zu stehlen. Um auf die ST zurückzukommen: An ihr haben schon Generationen von Erfindern und Ingenieuren gearbeitet, so dass sie einsatzbereit ist, und Nein, sie ist weder überholt noch antiquiert. Redet man jedoch ständig über morgen und übermorgen, dann übersieht man geflissentlich, dass weder Fusionsreaktoren, noch Wasserstoff unser gegenwärtiges Dilemma lösen werden. Und ja, es gibt immer wieder Innovationen wie etwa bei Röhrenkollektoren, bei denen statt wie üblich die Rohre in einem Verteil- und Sammelrohr parallel verschaltet werden, ein sogenanntes „Trommelanschlusskonzept“ zum Einsatz kommt. Dort wird ein „komplexer, 3-dimensional gebogener Rohrmäander auf einen Kreisring (Trommelanschluss) zusammengeführt.“ Oder ein anderes Beispiel: Bifaziale Flachkollektoren für die Freiflächen-Solarthermie und landwirtschaftliche Nutzung. Ja, ein Solarthermie-Symposium weiß immer wieder zu überraschen.
Big is Beautiful
Viel von der Hoffnung, dass die Geschichte der Solarthermie noch lange nicht zu Ende erzählt ist, liegt bekanntlich in den großen Freiflächenanlagen für Nah- und Fernwärme. Das weiß man auch in Berlin und hat sich große Ziele gesetzt. So sollen bis 2045 insgesamt 30% der Haushalte ans Wärmenetz angeschlossen werden, was vieler neuer Netze bedarf. Aber es müssen auch bestehende Netze dekarbonisiert werden. Schließlich ist Gebäudesanierung oft schwer finanzierbar, Wärmenetze dagegen schon. Und für die Dekarbonisierung der Industrie ist die große ST durchaus charmant. Interessanterweise möchte man dort aber primär Wärme(lieferverträge) und keine Technologie einkaufen. Prozesswärme ist hier das Stichwort. Ja, die Freiflächen-Solarthermie, sprich solarthermischen Großanlagen, haben mittlerweile einen hohen technischen Entwicklungsstand erreicht. Diese Technik zur Wärmegewinnung ist bereits seit vielen Jahrzehnten europaweit im Einsatz, vielfach erprobt und technisch ausgereift. Bereits in den späten 1980er Jahren wurde insbesondere in Skandinavien damit begonnen, die Nah- und Fernwärme mittels Solarthermie zu unterstützen. Mittlerweile erzeugen Kollektoren auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Quadratmetern solare Fern- und Prozesswärme in Europa.
Das Wärmeplanungsgesetz (Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze) macht hier Hoffnung. Es ist gemeinsam mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes am 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Beide Gesetze sollen dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen. Die Bundesregierung schreibt dazu: „Erstmals werden damit alle Städte und Gemeinden in Deutschland eine lokale Wärmeplanung bekommen. Diese gibt den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und Energieversorgern Sicherheit darüber, ob und mit welcher zentralen Wärmeversorgung sie vor Ort rechnen können. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral heizen. Die kommunale Wärmeplanung informiert Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen, ob sie mit einem Fernwärmeanschluss rechnen können oder sich für eine andere klimafreundliche Heizungsoption entscheiden sollten.“
Dekarbonisierung sofort!
Das ist ja auch das Charmante an der ST: sie hat ihre Stärken, wenn sie mit anderen Wärmeerzeugern auftritt. Und da Gas und Öl ersetzt werden müssen, könnte sie gut helfen. Zum Verständnis: Nahezu jedes Haus, dass älter als 50 Jahre ist – das hat Stephan Mathéz vom Schweizer Bundesamt für Energie sehr schön formuliert – birgt ein kleines Museum der Heizungstechnik. Und dazu noch: 2023 wurden so viele Gas- und Ölkessel neu eingebaut, wie schon lange nicht mehr. Nur finden sich im BMWK nicht mehr allzu viel Befürworter:innen für den Einsatz von ST in Einfamilienhäusern, vielmehr ist von dort zu hören, dass ST eine lebensverlängernde Maßnahme für Gaskessel sei. Das ist zwar rein theoretisch betrachtet nicht ganz verkehrt, aber leider wenig realitätsbezogen. Es gibt da durchaus einen gegensätzlichen Aspekt: ST verlängert die Lebensdauer von Komponenten, da sie den Sommer entlastet und Heizkessel in den Sommermonaten aus den hoch-ineffizienten Teillastbereichen nimmt. Den Sommer zu dekarbonisieren ist daher am einfachsten. Weshalb sollten wir nicht damit beginnen? In der Sanierung „auf einen Rutsch“ sieht das sicherlich anders aus, aber diese ist leider nicht die Regel, sondern die Ausnahme.
Die große Nummer für den Klimaschutz war ST leider bislang nicht. Denn trotz riesigem Potential beträgt der Anteil der ST an der Wärmeversorgung in Deutschland gerade mal 1,5%, und auch in Österreich sind es lediglich 1,8%. Und wie werden die Gebäude in Deutschland mit Wärme versorgt: Zu zwei Drittel mit Öl und Gas. Bedenkt man, dass die Biomasse beispielsweise in Österreich bereits an der Kapazitätsgrenze angekommen ist und 89% des verfügbaren Holzes dort in der Nutzung sind, bei einem Holzimportanteil von 39%, dann macht das schnell klar: hier sind Grenzen schon mehr als überschritten. Wohin die Reise gehen soll, macht auch eine aktuelle Broschüre des BSW klar: Möchte man die Ziele der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU erreichen, dann müssen die kumulierten Kapazitäten der ST im Betrieb im Jahr 2023 in Höhe von 40,5 GWth auf 140 GWth im Jahr 2030 erhöht werden. Das entspricht einer Verdreifachung des Bestands innerhalb der kommenden 6 bis 7 Jahre.
Verunsicherung?
Warum aber passiert vieles nicht, was eigentlich auf der Hand liegt? Gerne spricht man in dem Zusammenhang von der Verunsicherung potentieller Nutzer. Ob das der richtige Begriff ist, kann bezweifelt werden. Denn, das zeigen Marktanalysen immer wieder, es ist gibt weniger Unsicherheit als vielmehr eklatantes Unwissen, gerne auch als Halbwissen bezeichnet. Und beim Halbwissen fehlt oftmals die wichtige Hälfte des Wissens. Das Tragische: der sogenannte Dunning-Kruger-Effekt zeigt, warum sich Halbwissende gar für besonders klug halten. Die Selbstüberschätzung bei Inkompetenten ist nämlich besonders ausgeprägt, während sie gleichzeitig die Leistungen kompetenterer Menschen unterschätzen. Auch schon Friedrich Wilhelm Nietzsche stellte schon fest: Das Halbwissen ist siegreicher, als das Ganzwissen: Es kennt die Dinge einfacher, als sie sind, und macht daher seine Meinung fasslicher und überzeugender. Zurück zum dem Dilemma: Es kursiert allerhand fehlendes Wissen über Begrifflichkeiten, welches einher geht mit Unwissen über Technologien. Das hat es im Übrigen den Kampagnen gegen das GEG, sprich „Heizungsgesetz“ leicht gemacht. In den Konglomeraten mit Coronakrise, Ukrainekrieg und Regierungsdissonanzen konnte jede Menge an Chaos erzeugt werden, das fehlende Wissen konnte gezielt ausgenutzt werden. Dass ST eigentlich „alles kann“, ist daher immer weniger bekannt. ST kann direkt genutzt werden, kann Wärmequellen regenerieren, als direkte Quelle für Wärmepumpen dienen oder auch als hybrides System seine Dienste leisten. Und es kommt noch „dicker“: Menschen glauben das, was nicht wahr ist, aber dafür umso öfter wiederholt wird, wodurch sich Halbwissen rasant vermehrt.
Zum Schluss…
… ein kleines Zitat von Dr. Korbinian Kramer vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, dem fachlichen Leiter des Solarthermie-Symposiums:
„Die Nutzung der Sonnenenergie zur Wärmegewinnung ist eine äußerst effiziente und umweltfreundliche Methode, um unseren Bedarf an Wärmenergie zu decken. Dabei kann sie kombiniert mit bestehenden fossil befeuerten Heizungsanlagen sofort eine deutliche Reduktion der emittierten Treibhausgase bewirken. Kombiniert mit Wärmepumpen ergibt sich auch nach dem fossil fade out eine hohe lokale Versorgungssicherheit und Entlastung der Netze und ermöglicht eine sinnvolle Sektorkopplung. Die Integration der Solarthermie in Wärmenetze und die Kombinationsmöglichkeiten mit Überschussstrom-Nutzung und Wärmepumpen zur Bewirtschaftung von thermischen Großspeichern eröffnen ein zwar komplexes, aber auch hoch wirksames Potenzial der CO2-freien netzgebundenen Wärmeversorgung.“
* Zukunft
Auch wenn das Symposium sicherlich mehr Teilnehmer verdient hätte, auch 2025 wird es wieder am bekannten Ort, dem Kloster Banz bei Bad Staffelstein in Oberfranken stattfinden. Die Reise geht weiter, nächster Halt: 20. bis 22.05.25. Das Symposium hat dann jedoch einen neuen Namen, das Wort Solarthermie ist jetzt nicht mehr im Titel zu finden, es heißt künftig: "Symposium Zukunft Wärme". In Kürze wird die neue Domain dazu freigeschaltet, von der alten URL (www.solarthermie-symposium.de) wird man dann entsprechend weitergeleitet.
Hinweis: Das Symposium war zum Redaktionsschluss noch nicht beendet.