15.04.2022
Baiern: der Energie-Irrsinn hat System. Aber nicht nur hier
Der Versuch einer Glosse von Heinz Wraneschitz
Ja ist denn schon wieder Baiern? Ich kann mir nicht verkneifen, die mittelalterliche Schreibweise des süddeutschen alpennahen Land- und Weltstadt-München-Volks und den abgewandelten Franz-Beckenbauer-Spruch an den Anfang dieser Absonderung zu stellen. Denn seit einigen Wochen habe ich das Gefühl, dass ich wieder ganz tief im Weißblauen Energie-Mittelalter stecke.
Ja, in gewisser Weise ist es schon lustig, wenn der fälschlicherweise oft „Hubsi“ genannte Bayern-Energieminister Hubert Aiwanger, seines Zeichens Bundes- und am liebsten wohl sogar Weltvorsitzender der Freien Wähler, mit seinem Superduper-Energiesparvorschlag um die Ecke springt: In Wolldecken einmümmeln und die Heizung runterdrehen. Leider gibt er diese Empfehlung nur auf Facebook. Falscher Hubsi deshalb, weil nicht nur für unseren Chefredakteur der einzig wahre Hubsi jener aus Hubert und oder ohne Staller sein kann.
Jener vornamenlose Polizeiobermeister Hubert hätte sicherlich recht schnell herausgefunden, dass derselbe Warmhalteeffekt wesentlich kleidsamer mit einer dicken Hose, Wollstrümpfen, Pullover und Wollmütze zu erreichen wäre. Aber vielleicht sucht der niederbayerische (Land-)Wirtschaftsfachmann Aiwanger ja nur nach einer Zweitverwendung für jene 90.000 Wischmopps, die er zu Beginn der Coronazeiten im Überschwang des Geldausgebens beschafft hat und die niemand braucht? Doch das ist eine ganz andere Baustelle.
Von Hubsi zum Maggus
Kommen wir also schnell wieder zurück zur Energiepolitik. Zu des falschen Hubsis Chef nämlich, zu CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Dieser hatte ob der durch Putins Angriffskrieg auf die Ukraine befeuerte Gaskrise tatsächlich vorgeschlagen, ob ernstgemeint oder nicht: Umweltfreveln durch Fracking und Atomkraftwerke länger laufen lassen. Zwar hat E.ON-Vorstandsboss Leo Birnbaum gleich mehrfach klar „Njet“ zu irgendeiner AKW-Laufzeitverlängerung gesagt, und dabei vor allem darauf verwiesen, dass AKW-Stromproduktion fehlendes Heizgas nicht ersetzen könnte. Birnbaum: „Für uns ist die Sache beendet.“ Aber was stört schon einen pseudoökologischen, populistischen Baumumarmer, dass ein ausgewiesener Energiefachmann und noch dazu Atomkraftbetreiber etwas begründet ablehnt. Widerlegt sind solche Verlängerungsphantasien übrigens schon seit vielen Jahren. Doch das ist dem „Maggus“ egal. Hauptsache es bringt Schlagzeilen – wenn möglich sogar bis nach Italien.
Der beinah letzte Kampf gegen Windmühlen
Ach ja, ablehnen: Da ist Markus Söder weiterhin auf dem populistischen Kriegspfad gegen Windkraft – mich erinnert das Ganze an Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen. Ob Söder die Ökokraftwerke wie der Don auch „für mächtige, vielarmige Riesen hält“? „Söder warnt Habeck vor Aufhebung der Abstandsregeln für Windräder“, titeln jedenfalls aktuell zahllose Medien. Warum? Glaubt Baierns Landesfürst wirklich, sich nicht an bundesweite künftige Gesetze zum verstärkten Ausbau der Erneuerbaren (Wind-)Energie halten zu müssen? Wie Großteils bekannt, hat die Bundesregierung in ihrem Ostereipaket auch festgelegt: „Windschwache Standorte werden verstärkt erschlossen.“ Damit ist vor allem jenes Baiern gemeint, in dem sich mittelalterlich verbrämt noch Oberbaiern-Öhi und -Ömi Gutnacht sagen.
Baiern ist fast überall
Okay, auch anderswo in diesem unserem Lande (iduL; © Helmut Kohl) wird Energieirrsinn betrieben. So wurde auf der nordgewandten Seite der Republik eine Erdgasleitung durch die Ostsee nach Russland getrieben, von der eigentlich jeder vorher wusste: Sie würde nicht gebraucht, wenn der Ausbau der Ökoenergien bei uns nicht ständig torpediert worden wäre. Aber dass ausgerechnet die allweil charmante Ministerpräsidentin Manuela Schwesig - Motto: „Starke Wirtschaft mit guter Arbeit, sozialer Zusammenhalt und intakte Natur.“ – eine möglicherweise jenseits von Recht und Gesetz stehende „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ ins Leben gerufen hat, um diese EE-Bremsleitung zu installieren, das ist nicht mehr zum Lachen, sondern zum Weinen. Einen „Sumpf unzulässiger Verquickungen zwischen staatlichem Handeln im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern und den wirtschaftlichen und politischen Interessen einer ausländischen Macht“ nennt die DUH diese Stiftung für die Gasleitung durch den Schlick der Ostsee.
Vielleicht fängt ja Bundesenergieminister Robert Habeck (Grüne) mit seinen Enteignungsideen bei NordStream 2 oder jenen Gasspeichern an, die irgendwie vielleicht immer noch ein bisschen oder gar ganz zum russischen Kriegstreiber-Einflussbereich gehören.
Wobei: Falls Habeck von viel Nachdenken Kopfschmerzen bekommt, sollte er das mit dem Enteignen besser bleiben lassen. Denn die hiesigen Pharmaindustriebosse werden von „Sorgen bezüglich eines möglichen Importstopps von russischem Erdgas, das ein unverzichtbarer Energieträger für die Arzneimittelproduktion ist“ geschüttelt. Aber gottseidank gibt es ja Alternativen zu Spalt und Aspirin in diesen „Unglaublichen Zeiten: Echter Bio-Energy-Drink günstiger als Benzin und trotzdem mit mehr Power.“
Die (schl)echte Alternative
Außerdem ist da noch Gerd Mannes. Der Mann ist Mitglied der AfD-Fraktion im – natürlich – Bayerischen Landtag. Warum fragt den eigentlich niemand? Denn der weiß offenbar schon immer alles – logisch: besser. Und zwar nicht nur zum Thema Energie. „Mit der AfD in der Regierung wäre auch die Inflation gebannt, weil wir ihr mit echten Steuererleichterungen und sofortigem Bürokratieabbau begegnen würden.“ Bürokratieabbau gegen Putin – eine Superlösung. Heute aber „lernt der Nachwuchs leider zu viel Gender-Gaga, und die links-grüne Regierung zwingt unserer Heimat eine ökosozialistische Planwirtschaft auf“, postuliert Mannes. Und bei der Energie erinnert der AfD-Mann irgendwie an … ich hab den Namen vergessen: „Wir haben immer gefordert, Kernkraftwerke am Laufen zu halten.“
Naja, da ist mir eine ganz pfiffige Idee vom falschen Hubsi lieber, die ich nicht verschweigen will. Immerhin hat Bayerns Energieminister das PV-Speicher-Programm des Freistaats im April wieder aufleben lassen, nachdem schon im März 2022 die ursprünglich für das ganze Jahr geplanten Fördermittel völlig aufgebraucht waren. Das ist tatsächlich kein Mittelalter, sondern zukunftsgewandt. Und hier passt der unverfälschte Spruch vom Fußballkaiser zu 100 Prozent: Ja ist denn schon wieder Weihnachten?