10.03.2023
Klimaschutz spart Geld und schützt Menschenleben
Über eine Pressekonferenz berichtet Heinz Wraneschitz
„Wir werden alles tun, um auch internationale Verpflichtungen zum Klimaschutz einzuhalten“, versprach Stefan Wenzel am Montag. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vertrat sein Ministerium, als die brandaktuelle Studie „Was uns die Folgen des Klimawandels kosten“ öffentlich gemacht wurde. Wenzel nahm mit seiner Aussage zwar ausdrücklich auf das Pariser Klimaschutzabkommen Bezug. Er nannte aber auch den Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2021 als weiteren Grund für sein Versprechen.
Das gab Wenzel im Übrigen gemeinsam mit Christiane Rohleder bei dieser Pressekonferenz ab. Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) nannte die Zahlen „besorgniserregend“, welche die vom BMWK beauftragten und vom BMUV fachlich begleiteten Studienmachenden vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Prognos und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) für ihre Veröffentlichung zusammengetragen haben.
Der Forschungsauftrag hatte dabei gelautet: „Systematisch und umfassend die volkswirtschaftlichen Folgekosten sowie immaterielle Schäden klimawandelbedingter Extremwetterereignisse untersuchen.“ Und Thomas Korbun, der Wissenschaftliche Geschäftsführer des IÖW, hatte im Auftrag der drei Organisationen ja auch wahrhaft Erschreckendes vorgetragen: „Kumulierte volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro allein bis 2050, je nach der Stärke des tatsächlichen Klimawandels“ könnten in Deutschland entstehen, wenn nichts dagegen getan werde.
Doch Korbun konnte auch eigentlich Beruhigendes für die Menschen hierzulande verkünden: „Diese Kosten können durch konsequente Anpassung verringert werden. Je nach Szenario könnten im mittleren bis zu 80, im stärksten bis zu 60 % vermieden werden.“ Aber nur, wenn die Politik tatsächlich handele – sofort.
Auf Nachfrage ergänzte er jedoch, dass die Untersuchung „nur direkte und indirekte monetäre Kosten berücksichtigt. Biodiversität oder Todesfälle schlagen in der gesellschaftlichen Bilanz zu Buche, sind aber nicht monetär bewertbar.“ Was Staatssekretärin Rohleder zu der Klarstellung veranlasste: „Natürlich haben solche Schäden einen materiellen Aspekt. Die Summe wird aber die Schäden nicht aufwiegen können, wenn zum Beispiel Arten aussterben.“
Die Studierenden haben demnach nur direkte Kosten für Gebäude, Infrastruktur, Produktion, Ernteausfälle, Gesundheitskosten und mehr, sowie indirekte wie die durch Störungen in Zulieferketten oder Nachfragerückgang, berücksichtigt. Dabei haben sie sich vor allem an der Vergangenheit orientiert, und zwar ganz konkret an den Zahlen der Versicherer. Die haben zuletzt allein 40,5 Mrd. Schäden für die Flutwellen durch das Ahrtal im Jahre 2021 gelistet – wobei unversicherte Schäden in dieser Summe noch nicht einmal enthalten seien, so Korbun.
Gerade dieses Beispiel mache auch deutlich, wo die Hebel und die Förderung konkret anzusetzen seien: Im kommunalen Bereich. Doch dahin reiche bislang die Förderkompetenz des Bundes nicht, das gaben auch die Ministeriumsvertretungen zu. „Da haben wir intensive Diskussionen. Aber wir werden hartnäckig und überzeugungsstark sein. Wir müssen eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen erreichen und eine gemeinsame Finanzierung hinbekommen. Was wir bisher haben, reicht nicht“, bekannte BMWK-Mann Wenzel. Seine Kollegin Rohleder aus dem BMUV ergänzte ganz konkret: „Die Förderung durch den Bund ist laut Grundgesetz nicht möglich. Wir prüfen im Moment den Weg einer Änderung. Denn für die Umsetzung des Klimaanpassungsgesetzes müssen Werkzeuge auf allen Ebenen vorhanden sein. Vor allem die Kommunen brauchen Unterstützung.“
Vertreter der Kommunen hatten genau eine solche Änderung des Grundgesetzes erst wenige Wochen zuvor selbst gefordert (die DGS-News berichteten).
Doch ob die Forderung der Bürgermeister:innen nach mehr und konsequenter Finanzierung Erfolg haben wird, scheint fraglich. Denn nach Erkenntnissen nicht nur der neuen Klimaschutzstudie „gibt es gerade im Gebäude- und Verkehrsbereich die größten Herausforderungen“. Und diese beiden Bereiche verantwortet bekanntlich der offenbar Klimaschutz-resistente FDP-Minister Volker Wissing.
Laut Stefan Wenzel (BMWK) wäre es jedoch „gerade im Verkehrsbereich wichtig, dass Kommunen vor Ort freier entscheiden können“. Doch Wissing folgt mit seiner fossil orientierten Verkehrspolitik nicht nur konsequent den Spuren seiner CSU-Vorgänger Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer, er liegt auch fast auf AfD-Linie. „Völlig an den Haaren herbeigezogen ist es, Wetterschäden wie im Ahrtal dem Klimawandel zuzuschreiben – obwohl es vor hundert Jahren schon eine ähnliche Katastrophe gab“, gab am Dienstag das baden-württembergische Rechts-Landtagsmitglied Uwe Hellstern von sich. Also genau einen Tag nach der Studienpräsentation, und mit eindeutiger Zuordnung des Zusammenhangs.
Was es denn finanziell für den Bund bedeuten, wenn die Klimaschutzförderung so umgesetzt würde wie von der Studie vorgeschlagen, wurde Christiane Rohleder von einem Journalisten gefragt. Die Antwort der BMUV-Staatssekretärin: „Was es kostet ist die falsche Frage, weil nicht zu handeln wesentlich teurer ist als zu handeln. Wir werden Überzeugungsarbeit leisten müssen, brauche Mehrheiten über Koalition hinaus“, gab sie mit Blick auf eine notwendige Grundgesetzänderung aber ganz offen zu. Es bleibt spannend.
Klimaschutz und Arbeitswelt
Einen ganz anderen Blick auf den Klimaschutz hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gerichtet: den auf die Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Denn anders als die Behauptungen der so genannten „Wirtschaft“ verändern laut DGB „die Maßnahmen zum Schutz des Klimas nicht nur die Geschäfts- und Produktionsmodelle vieler Unternehmen, sondern haben auch Auswirkungen auf die Arbeit“. In der im Januar 2023 erschienenen Broschüre „Klimaschutz und Arbeit - Weiterbildung als Baustein einer erfolgreichen Transformation“ ist unter anderem zu lesen: „Der mit dem Klimaschutz verbundene Umbruch in der Arbeitswelt bedeutet auch, dass viele Beschäftigte für sich verändernde Anforderungen neue Kompetenzen erwerben müssen. Der Weiterbildungsbedarf ist im Kontext der Transformationsprozesse außerordentlich hoch. In den von Klimaschutzmaßnahmen besonders betroffenen Bereichen besteht die Notwendigkeit, in relativ kurzer Zeit große Teile der Belegschaften weiter zu qualifizieren.“ Doch daran wird selten gedacht.