10.03.2023
Drohnen könn’ sich lohnen
Ein Bericht von Götz Warnke
Eine Drohne ist nach der Wikipedia-Definition ein unbemanntes Luftfahrzeug, d.h. „ein Luftfahrzeug, welches ohne eine an Bord befindliche Besatzung autark durch einen Computer oder vom Boden über eine Fernsteuerung betrieben und navigiert werden kann“, wobei unter „Besatzung“ hier Luftfahrtpersonal wie Pilot oder Navigator zu verstehen ist. In den letzten Jahren haben Drohnen eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Das liegt vor allem – und leider – am Krieg um Bergkarabach 2020, den Aserbaidschan mit Hilfe von türkischen Drohnen gegen Armenien gewann, und an Russlands Krieg in der Ukraine ab Februar 2022.
Und ja, die Idee stammt aus dem Militärbereich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Zuerst als terrestrische oder Land-Drohnen – wie den funkgesteuerten Sprengstoffpanzern – und Untersee-Drohnen wie dem Torpedo „Zaunkönig“, dann aber auch als funkferngesteuerte Luft-Drohnen wie die mit Flügeln versehene Gleitbombe HS 293. Doch um das Militär mit seiner meist freien Auswahl der Antriebe (Atom, Brennstoffzelle, Düse, Fossil-Motor, Rakete etc.) soll es hier nicht gehen.
Es geht vielmehr um die Sektorenkoppelung, Teilsektor Verkehr, Teilsektor Luftverkehre, zu dem die Drohnen gehören. Und es geht damit um E-Mobilität und Luftschraubenantriebe. Denn der E-Motor verändert die Fliegerei erheblich.
E-Motoren sind kompakt, unkompliziert, gut miniaturisierbar, relativ ausfallsicher, drehmomentstark, wartungsarm, kostengünstig, gut miteinander kombinierbar, leise und abgasfrei. So lassen sich z.B. mehrere E-Motoren mit ihren Propellern in unterschiedlichsten Konfigurationen zusammenfassen und mit der entsprechenden Elektronik zielgerichtet ansteuern. Und so sind eine Vielzahl von Konstruktionstypen möglich, die mit Verbrennermotoren nicht oder nur schlecht funktionieren. Wäre die Energiedichte in einem Tank nicht deutlich größer als die in einem gleichvolumigen Akku – niemand würde heute mehr über Fossilantriebe in der zivilen Luftfahrt sprechen.
Welche Drohnen-Konfigurationen gibt es nun? Im Prinzip sind es die gleichen, die wir schon aus der allgemeinen Luftfahrt her kennen: Starrflügler (Flugzeuge) und Drehflügler (Hubschrauber). Jedes System hat seine spezifischen Vor- und Nachteile, wobei der Elektromotor einige davon relativiert.
Starrflügler brauchen im Allgemeinen eine Start- und Landebahn sowie einen permanenten Vortrieb (Propeller), der zusammen mit den Flügeln für Auftrieb sorgt. Der Starrflügler braucht auch in der Horizontalen Raum, um Höhe zu gewinnen oder zu verlieren, und ist nicht in der Lage, in der Luft über einem geographischen Punkt „stehen“ zu bleiben. Dafür eignet er sich gut für das Zurücklegen längerer Strecken und für höhere Geschwindigkeiten.
Drehflügler benötigen keine Start- und Landebahn, da sie senkrecht starten und landen, sich in der Luft auch um ihre eigene Achse drehen, und über einem Bodenpunkt stehen können. Sie fliegen allerdings weniger schnell als vergleichbare Starrflügler und haben auch eine geringere Reichweite, da sie ihren Auftrieb praktisch ausschließlich mit ihren Rotoren erzeugen. Mit Drehflüglern lässt sich z.B. ein regulärer Transatlantikflugverkehr nicht aufrechterhalten – soviel zum viel diskutierten Thema „Technologieoffenheit“.
Bevor wir uns mit den Einsatzmöglichkeiten von Drohnen beschäftigen, müssen wir uns die einzelnen Unterkategorien bei Starrflüglern und Drehflüglern ansehen.
Bei Starrflüglern gibt es zu einem die Entsprechungen zu den klassischen Flugzeugen, wie z.B. die energiesparsam per Katapult gestarteten Drohnen der Firma Zipline. Weiterhin gibt es Flugzeuge mit starren Flügeln, die sogar senkrecht starten und landen können wie z.B. die Strix von BAE Systems Australia, die es derzeit nur als Militärversion gibt – ohne den E-Motor wäre eine solche Drohne gar nicht umsetzbar. Es folgen Flugzeuge, bei denen der Flügel mit den Propellern ganz oder teilweise um bis zu 90 Grad nach oben geklappt werden kann, um senkrechte Starts und Landungen zu ermöglichen – wie bei der Firma Lilium oder bei diesem von DHL 2016 in Reit im Winkel eingesetzten Parcelcopter. Dazu kommen Flugzeugdrohnen, bei denen nicht die Flügel, sondern nur die E-Motoren samt Propellern geklappt werden wie z.B. beim Wingcopter; ähnliche Konzepte mit Verbrennermotoren wie bei der V-22 Osprey führten z.T. zu erheblichen Unfällen. Letztlich gibt es noch die Möglichkeit, nur den Propeller (also ohne den Motor) zu verschwenken, was allerdings eher bei großen und schweren Verbrenner-Motoren praktiziert wird.
Auch bei den Drehflügel-Drohnen gibt es Einszueins-Kopien der konventionellen Hubschrauber – von klassisch-schlicht über Tandem-Typen wie DPI DP-14 HAWK und zwei Rotoren an seitlichen Auslegern bis zum Koaxialrotor (doppeltem Hauptrotor) bei der Phenix Ultra 2XL. Daneben gibt es die Mengen an Tricoptern, Quadrokoptern, Hexakoptern, Octocoptern bis zu den Multikoptern wie die Volodrone von Volocopter. Einige besitzen auch an jedem Ausleger zwei gegenläufige Rotoren, einen nach oben und einen nach unten. Das ergibt zwar eine kompakte Bauweise, führt aber bei größeren Drohnen dazu, dass das Bodenpersonal nicht nur auf seine Köpfe, sondern auch auf seine Beine aufpassen muss.
Schließlich gibt es noch eine Art Zwitter aus Starrflügler und Drehflügler: An einer Flugzeugkonfiguration sind neben den Flügeln auch Ausleger mit Rotoren zum senkrechten Start befestigt; diese Rotoren können in Geradeausflug zusammen geklappt werden, wenn die Propeller den Vortrieb übernehmen, wie z.B. bei der Wisk Cora. Die Auftriebsrotoren erhöhen allerdings selbst in zusammengeklappter Form den Luftwiderstand, und dieser Versuch, die Vorteile beider Konzepte zu vereinen, steht stets in der Gefahr, am Ende doch nur die Nachteile kombiniert zu haben.
Worin besteht nun das besondere Potential der Drohnen? Drohnen werden überall dort eingesetzt, wo es
a) für Onbord-Piloten zu gefährlich, zu beanspruchend, zu eng ist – oder Piloten schlicht überflüssig und zu teuer sind, und
b) schnelle Verbindungen und Transporte durch Berge, Gewässer, Staus, Wälder etc. sehr erschwert werden.
Im Rahmen dieser Kategorien gibt es verschiedene Einsatzbereiche, die z.T. hier kurz betrachtet werden sollen:
Beobachtung/Überwachung
Dieser Bereich betrifft die Gebiete Umwelt, Verkehr, Kriminalität, Grenzschutz etc. Bei der Seeaufklärung von Ölverschmutzungen können Drohnen unter Wetterbedingungen eingesetzt werden, die für Piloten zu gefährlich wären. Drohnen können die Flügel von Windkraftanlagen auf Schäden untersuchen; da das eh nur mit elektronischen Geräten geschehen kann, ist ein Besatzung überflüssig und zu teuer. Bei Atom- oder Chemieunfällen können sie in teilzerstörte Gebäude einfliegen, die für Hubschrauber zu eng, und für deren Piloten zu gefährlich sind. Dauereinsätze in Solar-Höhenaufklärern sind für Piloten zu belastbar. Nur für die Sondierung eines höheren Dachs auf Schäden oder auf seine Eignung für Solarenergie extra einen Piloten einzusetzen, ist einfach zu teuer und zu aufwändig. Und manche Aufsprenger von Fahrkartenautomaten wären längst geschnappt, würde die Polizei vorab eine Drohne zum Tatort schicken.
Transport
Medikamententransporte in Afrika, wie sie mit den Drohnen der o.a. Fa. Zipline stattfinden, gehören hierher, und sind wohl eine der sinnvollsten Formen der Paketlieferdienste. Drohnen können Geräte und Personen zu Offshore-Windanlagen bringen. Sie können Seile von Schiff zu Schiff, und dringend benötigte Blutkonserven schnell staufrei von Krankenhaus zu Krankenhaus liefern. Und sie könnten manchem Ertrinkenden einen Rettungsring bringen, lange bevor es der Rettungsschwimmer schafft – analoges gilt natürlich auch in den Bergen.
Drohnen als Teil der E-Mobilität sind also nicht nur energiesparend, sie eröffnen auch neue Handlungsoptionen. Doch nicht alle heutigen Fantasien werden sich realisieren: Die „Schnapsidee“, große, schwere Container mit Drohnen durch den Hamburger Hafen zu fliegen, hat sich inzwischen erledigt. Und auch die gehypte „Urban Air Mobility“ (vulgo: Flugtaxis) hat angesichts des begrenzten Luftraums über den Städten ihre beste Zeit bereits hinter sich, wenngleich sich einige Nischen finden lassen werden.
Doch insgesamt wird die Verbreitung der Drohnentechnik zunehmen – einfach weil sie so viele Vorteile bietet.