08.05.2020
Was kommt nach dem Nachfragepeak der fossilen Brennstoffe?
Kingsmill Bond, Energiestratege beim Carbon Tracker und Mitglied des redaktionellen Beirats des Energy Transition Magazine hat die Tage einen interessanten Aufsatz mit dem Titel Peak Fossil Fuel Demand veröffentlicht, den wir hier für Sie frei übersetzt haben. Bond arbeitet seit 25 Jahren als Analyst und Stratege u.a. für die Deutsche Bank, Sberbank und Citibank in London, Hongkong und Moskau. Dabei hat er auch die Bedeutung der „Schieferrevolution“ und deren Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der USA im Energiebereich untersucht.
Peak Fossil Fuel Demand
Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen erreicht in einem Land nach dem anderen, aber auch in immer mehr Branchen ihren Höhepunkt. Dabei zeichnet sich ab, dass der zyklische Abschwung seinen strukturellen Höhepunkt vorverlegt hat. Was bereits seit mehreren Jahren im Gange ist, beschleunigt sich nun in Echtzeit.
Momentan steht alles, auch die Märkte, im Zeichen der schrecklichen menschlichen Tragödie, welche das Corona-Virus mit sich gebracht hat. Andererseits ist es aber auch grundsätzlich notwendig, dass wir genau jetzt den Höhepunkt der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen überwinden, um eine Chance zu haben, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass Regierungen in dieser Situation sicherstellen, dass der momentane Preisverfall nicht einen weiteren Zyklus steigender Nachfrage auslöst.
Es ist dabei durchaus von Vorteil, dass die fossile Brennstoffindustrie äußerst anfällig für Veränderungen ist. Schließlich weist sie ein geringes Wachstum auf, hat hohe Fixkosten, wird nach wie vor durch das OPEC-Kartell gestützt. Gleichzeitig sieht er sich einem Umfeld von ständig steigendem Regulierungsdruck und sinkenden Preisen für Erneuerbare Energien gegenüber. So bedeutet die rasche Einführung neuer Energietechnologien, dass in den 2020er Jahren ein struktureller Höchststand der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen bevorsteht, was ein Hauptgrund für die außergewöhnliche Schwäche dieses Wirtschaftszweigs während der letzten Jahre ist.
Wie dem auch sei, das Corona-Virus hat auf die Konjunkturabhängigkeit deutlich hingewiesen, so dass der Gesamtbedarf an fossilen Brennstoffen in diesem Jahr deutlich sinken wird. Die Kombination aus strukturellem Wandel und zyklischer Verschiebung dürfte die Spitzen der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen um mehrere Jahre vorverlegen. Das bietet die Chance, dass sobald die Nachfrage wieder anzieht, das gesamte Wachstum durch erneuerbare Energiequellen gedeckt werden könnte.
Das klassische Beispiel dafür ist der Automobilsektor. Laut „Bloomberg New Energy Finance“ erreichte die Nachfrage nach Autos mit Verbrennungsmotoren bereits im Jahr 2018 ihren Höhepunkt, zu einer Zeit, als der Absatz von Elektrofahrzeugen gerade einmal zwei Millionen Stück betrug und gleichzeitig schnell wuchs. Wenn nun die Gesamtnachfrage nach Autos wieder auf das übliche Niveau von drei bis vier Millionen zurückkehren sollte, werden Elektrofahrzeuge womöglich das gesamte zugrunde liegende Nachfragewachstum decken. Die Folge: Die Fabrikation von Verbrennungsmotoren wird Teil einer sich im Niedergang begriffenen Industrie werden.
Etwas Ähnliches geschieht momentan auch bei der Stromwirtschaft. Bereits letztes Jahr ist die weltweite fossile Stromerzeugung zurückgegangen und es ist so gut wie sicher, dass sie auch in diesem Jahr wieder sinken wird. Gleichzeitig wächst die Stromerzeugung durch Sonne und Wind weiter an. Zieht die Nachfrage im Stromsektor zu einem späteren Zeitpunkt wieder an, werden die Erneuerbaren in der Lage sein, das gesamte Wachstum abzudecken. Dies ist übrigens eine Geschichte, die wir schon viele Male erlebt haben. Beispielsweise erreichte die Nachfrage nach Pferden ihren Höhepunkt, während der Anteil der Autos gerade mal drei Prozent betrug. Bei der Nachfrage nach Gasbeleuchtung war es nicht anders. Sie erreichte ihren Höhepunkt, als die elektrische Beleuchtung lediglich zwei Prozent des Bestands ausmachte.
Die Auswirkungen des Nachfragepeaks bei fossilen Brennstoffen zeigen sich seit geraumer Zeit in den unterschiedlichsten Branchen. So hatte die Rekordnachfrage nach Kohle niedrigere Preise für US-Kohle zur Folge, was wiederum zur Pleite des halben Kohlesektors in den Vereinigten Staaten führte. In Europa kann man ähnliches beim fossilen Strom beobachten. Die daraus resultierenden sinkende Großhandelsstrompreise lösten Abschreibungen von Vermögenswerten in Höhe von 150 Milliarden Dollar und einen Einbruch der Aktienkurse aus.
Beim Öl lässt sich aktuell eine ähnliche Situation erkennen. Der Nachfragepeak hat mit zum Kollaps des OPEC-Kartells beigetragen und den Ölpreis ruiniert. Als dieser Sektor, das wahrscheinlich erste Mal in seiner langen Geschichte, auf einen strukturellen Nachfragerückgang reagieren musste, führte der jüngste Rückgang der Ölnachfrage um drei Prozent einem Rückgang des Ölpreises um fünfzig Prozent.
Eine Gefahr besteht jedoch dennoch: Die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen könnte schnell wieder ansteigen, sollten wir unsere Effizienzinvestitionen reduzieren, mehr fahren und größere Fahrzeuge kaufen. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, einem solchen Effekt von Seiten staatlicher Stellen entgegenzuwirken. Es gilt gerade jetzt, verschwenderische Subventionen für fossile Brennstoffe abzuschaffen und fiskalisch eine Abgabe einzuführen, welche die Lücke zwischen dem sinkenden Preis, den die fossile Brennstoffindustrie erhält, und dem Preis, den der Verbraucher zahlt, schließt.
Dies kann dreierlei Dinge bewirken. Erstens verhindert es, dass wir wieder süchtig nach billigem Öl werden; zweitens trägt es dazu bei, die Staatseinnahmen zu einer Zeit zu erhöhen, in der Geld zur Unterstützung einer schwachen Wirtschaft benötigt wird; und drittens wird die die fossile Brennstoffbranche stärker besteuert. Dadurch würde ein Wirtschaftszweig, welcher für externen Kosten, die er der übrigen Gesellschaft durch die globale Erwärmung und Umweltverschmutzung aufbürdet, mehr in die Verantwortung genommen und letztendlich auch bei seinem ungezügelten Handeln ausgebremst. Das ist wichtig, denn abgesehen vom Straßenverkehrssektor, das hat die OECD deutlich gemacht, wird die fossile Brennstoffindustrie nur sehr gering, gerade mal mit etwa drei Dollar pro Tonne CO2, besteuert.
Diese Krise gibt uns die Möglichkeit, den Wandel in eine hoffnungsvolle Richtung zu lenken, weg von den fossilen Brennstoffen und hin zu nachhaltigen Erneuerbaren Energien. Diese Chance müssen wir nutzen.