08.03.2019
Strom von Altanlagen zu H2
Wenn ab kommenden Jahr stark zunehmend alte EEG-Strom-Anlagen nach 20 Jahren aus der Förderung herausfallen, bekommt nicht nur die deutsche Energiewende ein Problem beim Anteil der Erneuerbaren Energien am Strommix. (die DGS-News berichteten) Auch die Anlagenbesitzer stehen vor schweren Entscheidungen: als Möglichkeiten bleiben nur Eigenversorgung, Direktbelieferung, Regelenergie oder Speicherung mit späterer Nutzung. Eigenversorgung ist sicherlich für Besitzer einer häuslichen Aufdach-PV-Anlage die erst Wahl, zumal sich der Strom nicht nur für die eigenen Hausgeräte und ein E-Fahrzeug nutzen lässt, sondern man damit auch über eine Heizpatrone den Warmwasserspeicher aufheizen kann. Auch ein Windbauer mit einer Anlage kann den Strom für die Lebensmittelkühlung und zum Antrieb der Maschinen auf dem Hof verwenden – sogar Elektro-Traktoren gibt es heute von Herstellern wie Fendt, John Deere und der niederländischen Firma Elsto.
Anlagenbetreibern von PV-Freiflächen-Anlagen oder gar Windparks ist dieser Weg wegen der erzeugten großen Strommengen verwehrt. Ein prinzipiell sinnvolles Repowering der Windparks kommt wegen der dann größeren Abstände zur Wohnbebauung meist auch nicht in Frage.
Direktvermarktung und Regelenergie-Bereitstellung sind zwei weitere Optionen. Wenn nicht gerade ein größerer interessierter Industriebetrieb nebenan liegt – wodurch der Anlagenbetreiber Energieversorger mit allen entsprechenden Auflagen wird – geht der Windstrom bei der Direktvermarktung meist über einen Vermarkter an die Leipziger Strombörse, wo wegen des billigen Braunkohle-Stroms z.T. geringe Preise gezahlt werden. Besser bezahlt wird die Regelenergie bzw. Regelleistung, welche die großen Stromnetzbetreiber bei Schwankungen im Netz zur Stabilisierung einsetzen müssen. Doch auch hier gibt es kaum eigenständige Möglichkeiten für einzelne Windparkbetreiber. Meist werden mehrere Parks von Dienstleistern zu virtuellen Kraftwerken gepoolt, die natürlich auch bezahlt werden wollen. Für die Masse der Windkraftanlagen-Betreiber dürfte die finanzielle Schmerzgrenze bei Erlösen von 3 bis 3,5 ct/kWh liegen.
Bleibt also die Energiespeicherung und anschließende Weiterverwertung. Da große Batteriespeicher im Allgemeinen noch zu teuer sind, bietet sich hier die Power-to-Gas-Umwandlung an, vor allem die Elektrolyse von Wasserstoff. Und das Thema brennt derzeit den Beteiligten „auf den Nägeln“: hatte am 21. Februar 2019 der europäische Windenergie-Verband einen hochkarätigen Workshop mit dem Titel „Wind energy and hydrogen can work together for a cleaner Europe“ veranstaltet, so folgt eine Woche später die Clusteragentur Erneuerbare Energien Hamburg mit einem Fachabend zum Thema. Den zentralen Vortrag hielt Reinhard Christiansen, Urgestein der Schleswig-Holsteinischen Windenergie und Geschäftsführer verschiedener Bürgerenergieparks, darunter auch die Windpark Ellhöft GmbH & Co.KG, deren Anlagen in spätestens zwei Jahren aus der EEG-Förderung fallen. Die Antwort auf die dadurch entstehenden finanziellen Ausfälle soll ein Windenergie-Wasserstoff-Mobilitätsprojekt sein: noch in diesem Jahr soll eine H2-Tankstelle errichtet werden, auf deren Gelände der Wasserstoff direkt aus Windstrom erzeugt wird. Für die Auslastung des Elektrolyseurs, der 100 kg Wasserstoff pro Tag liefert, braucht es täglich 20 Tankvorgänge, wozu erfahrungsgemäß ein Bestand von ca. 100 Wasserstoff-Autos in der Region notwendig sind. Zwar sind bereits sieben Hyundai Nexo bestellt und sollen demnächst geliefert werden, aber wie viele der rund 50 Ellhöft-Anteilseigner und der sonstigen Personen in der Umgebung nachziehen, und sich ein sehr teures Brennstoffzellen-Auto anschaffen, ist nicht absehbar.
Wichtig ist und bleibt der Wasserstoff-Preis bzw. seine Kalkulation: um ein Kilogramm H2 herzustellen, welches beim Auto rund 100 km Reichweite ergibt, benötigt es 60 kWh Strom. Setzt man den Preis für Windstrom mit extrem knappen 3 ct/kWh an, ergeben sich H2-kg-Preise von 1,80 €, mit auskömmlichen 8 ct/kWh läge der H2-kg-Preis bei 4,80 €. Für den Zapfsäulen-Preis müssen noch die Kosten für das teure technische Equipment eingerechnet werden: Elektrolyseur, Wasserstoff-Tankstelle mit Speicher, Anschlüsse für Strom und Wasser sowie Planungskosten. Macht im Falle H2-Projekt Ellhöft summa summarum rund 1.700.000 €. Ohne die deutliche staatliche Förderung von rund 500.000 € rentiert sich grüner Wasserstoffnoch noch nicht. An den Tankstellen des Joint Ventures H2 Mobility, das in Deutschland das entsprechende Tankstellen-Netz aufbaut, kostet das Kilogramm H2 derzeit 9,50 €. Aber dort ist u.a. auch industrieller, billiger Wasserstoff aus Kohlereformierung drin, so dass man das Ganze als grauer Wasserstoff bezeichnen kann.
Das Problem ist längst bekannt. Schließlich gibt es in Schleswig-Holstein eine weitere grüne H2-Tankstelle mit Elektrolyseur im Industriegebiet von Brunsbüttel, die von Dithmarschener „Windbauern“ betrieben wird. Direkt gegenüber, nur durch eine vierspurige Straße getrennt, liegt ein Produktionsstandort des norwegischen Düngemittelriesen Yara, der große Mengen an Wasserstoff benötigt. Natürlich hat es Verhandlungen zwischen beiden Seiten der Straße gegeben, aber leider erfolglos. Wie man hört, dürfen sich die „Windbauern“ gern wieder melden, wenn der Preis für den grünen Wasserstoff nur noch ein Drittel beträgt.
Götz Warnke