05.06.2020
Warum das Grillen mit Holzkohle ein Klimaverbrechen ist
Das Grillen ist in der Bundesrepublik eines der beliebtesten heimischen Sommervergnügen: 97 Prozent der Deutschen grillen gern, rund 90 besitzen einen eigenen Grill, und immerhin mehr als zwei Drittel können uneingeschränkt auf dem Balkon bzw. der Terrasse grillen. Selbst im Winter lassen sich ca. 38 Prozent ihr Freizeitvergnügen nicht nehmen. Als Technik der Wahl steht mit etwa 67 Prozent immer noch der Holzkohlegrill im Vordergrund, gefolgt von Elektro- (ca. 19%) und Gas-Grills (11%); nur eine kleine Gruppe grillt noch nach alter Pfadfinder-Sitte mit Holz (2%).
Generell ist Grillen kein klima- und umweltfreundliches Freizeitvergnügen. Das liegt schon allein daran, dass auf den Grills meist Fleisch und Würstchen landen, die in Deutschland als beliebteste Grillgüter gelten. Insbesondere die zumeist verwendeten Fleischprodukte von Rind und Schwein verursachen einen erheblich größeren Öko-Abdruck als pflanzliche Nahrungsmittel oder auch Wild. Aber selbst manche veganen Grill-Lebensmittel wie Avocados haben einen heftigen ökologischen Fußabdruck. Doch die Bilanzen der einzelnen Lebensmittel sind nur ein Teil des Problems.
Der andere Teil sind die verschiedenen o.a. Grilltechniken. Und die unterscheiden sich noch mal unter einander von ihrem Klima- und Umwelt-Einfluss. Gerade die beliebteste Grilltechnik, das Grillen mit Holzkohle, schneidet dabei besonders schlecht ab.
Rund 85 Prozent der in Deutschland verkauften Holzkohle werden importiert. Im Jahr 2017 wurden so 215.000 Tonnen dieses Brennstoffs importiert, wobei die größten Mengen aus Polen (79 000 Tonnen), Paraguay (32 000 Tonnen) und der Ukraine (23 000 Tonnen) stammen. Dabei wurde offensichtlich ein Teil der polnischen Grillkohle wiederum aus Nigeria importiert, enthält also Tropenholz, was in Nigeria überwiegend nicht nachhaltig produziert wird. Selbst in als frei von Tropenholz zertifizierten Holzkohlen finden sich immer wieder die Reste von tropischen Wäldern, wie 2018 die Dokumentation „Die Story im Ersten - Das schmutzige Geschäft mit der Grillkohle" (Teaser hier) zeigt, bei der der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zusammen mit dem WWF Holzkohle-Chargen von den Wissenschaftlern des Thünen-Instituts für Holzforschung auf ihren Ursprung hin analysieren ließ. Denn: Würden die Deutschen nur mit Holzkohle aus heimischer Forstwirtschaft grillen, bräuchten wir dafür eine Fläche von 500.000 Fußballfeldern.
Damit sind wir bereits beim nächsten Problem – diesmal kein ökologisches, sondern ein klimatologisches: für die Produktion von einem Kilogramm Holzkohle werden im industriellen Maßstab 5 bis 7 Kilogramm Holz benötigt, in der traditionellen Köhlerei sogar deutlich mehr ; der Wirkungsgrad liegt also meist deutlich unter 20 Prozent. Die Problematik der Treibhausgas-Emissionen dieses „Woodfuels“ sind seit langem bekannt und wissenschaftlich aufbereitet, werden aber von der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen: denn die Treibhausgas-Emissionen auf dem Holzkohleweg liegen deutlich höher als beim direkten Verfeuern von Holz, und z.B. um das fünf- bis zehnfache höher als beim Flüssiggas aus der Mineralölindustrie. (Tabelle 1+2) Nach Berechnungen des Energiedienstleisters LichtBlick werden durch das holzkohlige Grillvergnügen in Deutschland jährlich rund 500.000 Tonnen CO2 freigesetzt.
Und solche harten Erkenntnisse könnten schließlich das schöne, private Sommer-Grillvergnügen stören und das eigene Ökogewissen belasten – da machen auch viele Grüne und Klimabewegte lieber doch beide Augen ganz fest zu, von den bornierten Klima-Ignoranten ganz zu schweigen. Denn diesmal ist die Ursache nicht die böse, böse Industrie, auf die man so schön und bequem schimpfen kann. Diesmal ist man nicht Opfer, sondern selbst der Täter, und dass nur wegen eines Freizeitvergnügens. Das – insbesondere auch fleischlastige – Grillen mit Holzkohle ist ein Klimaverbrechen, mag sich der Einzelne das auch noch so sehr als kleine Umweltsünde schön reden.
Dabei gäbe es durchaus Lösungen, das Grillen klimafreundlicher oder sogar weitgehend CO2frei zu gestalten. Eine Lösung wurde bereits erwähnt: die Gasgrills. Es gibt sie in allen Größen – von gut transportabel bis zu herdgroßen Standgeräten – und in allen Preisklassen. Im Frühjahr 2019 hat die Stiftung Warentest solche Flüssiggas-Brutzler getestet. Vor- und Nachteile der Gasgrills: Deutlich weniger CO2 und Feinstaub als bei Holzkohle, aber auch nicht CO2frei, und die Gas-Kartuschen müssen extra besorgt werden.
Eine andere Option sind Elektrogrills, die heute in ihren Grill-Ergebnissen den Gas- und Holzkohle-Varianten in nichts nachstehen. Die Stiftung Warentest hat in diesem Frühjahr (Heft 5/2020) ein Dutzend Flächen- und Kontaktgrills unter die Lupe genommen. Fast alle erreichten die Note „gut“, auch solche mit Preisen unter 100 Euro. Vor- und Nachteile des Elektrogrills: Einfach zu bedienen, schnell heiß, und er läuft immer dann, wenn die eigene PV die meiste Energie erzeugt; andererseits ist man mit dem Grill auf einen Netzanschluss angewiesen.
Schließlich gibt es noch Solargrills, welche die solare Strahlungswärme nutzen. Die meisten Exemplare sind nach Do-it-yourself-Vorlagen gefertigte Eigenbauten, einige sogar OpenSource. Doch es gibt auch einige, wenige, professionell gemachte Solargrills wie von Sun-and-Ice.de, den den SolSource Classic Solarkocher Grill oder den GoSun Grill. Vergleichstests gibt es hier wegen der geringen Auswahl nicht. Vor- und Nachteile der Solargrills: Keine Brennstoffkosten, überall aufzustellen, aber sie sind noch teuer und haben einen Temperatur-Rückgang, sobald sich eine Wolke vor die Sonne schiebt.
Fazit: Wer das Grillen liebt und kein „Klimaschwein“ sein will, hat heute eine Vielzahl an Möglichkeiten – er muss nur bei der Grilltechnik (keine Holzkohle!) und dem Grillgut (weniger Fleisch!) die richtige Auswahl treffen. Ausreden gibt es nicht mehr: So sind z.B. Elektrogrills auch nicht teurer als Holzkohlegrills und zudem leichter zu bedienen. Klimaschutz ist hier wie in so vielen anderen Bereichen eine Frage des Wollens, nicht des Könnens!