03.07.2020
Wohin die Reise geht
Urlaubszeit? Nein, an dieser Stelle möchten wir Ihnen, lieber Leser, zwei aktuelle Positionspapiere vorstellen, es geht um den Einsatz von Speichern im Stromnetz und den Ausbau der Ladetechnik für E-Autos. Wir wollen kurz skizzieren, welche Veränderungen in diesen Bereichen erwartet werden können. Ein weiteres aktuelles Hinweispapier zu Photovoltaik auf Flachdächern zeigt den sicheren Aufbau solcher Anlagen auf.
Zukunft der großen Speicher
Wie werden große Stromspeicher in Zukunft eingesetzt? Erste Beispiele (z.B. von Wemag) im MW-Maßstab wurden bereits realisiert. Der Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES) hat zu diesem Thema ein Positionspapier vorgelegt, das den Titel „Netzoptimierung mit Energiespeichern vor Netzausbau - Für ein effizientes und versorgungssicheres Energiesystem“ trägt.
Der Titel ist Programm: Im Papier wird betont, dass bisher die Kapazität des Stromnetzes an der höchst selten auftretenden Spitzenlast bemessen wird und mit Blick darauf auch der Netzausbau erfolgt. Hinsichtlich der derzeit rasanten Systemveränderungen sowie der langen Planungs- und Nutzungszeiten von 40 bis 50 Jahren bei Stromleitungen erkennt der BVES hier deutliche Ineffizienzen. Große Stromspeicher können gemäß BVES helfen: Sie bieten langfristig Sicherheit, können aber auch schnell gebaut werden.
Anlässlich der deutschen Ratspräsidentschaft ab 1. Juli fordert der BVES die 1:1-Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien Richtlinie und der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie. „Energiespeicher müssen mit der Umsetzung des EU-Winterpakets endlich als Speicher anstatt als Letztverbraucher eingeordnet werden, so der BVES-Bundesgeschäftsführer Urban Windelen. Hier muss derzeit noch gehofft werden, dass die politischen Änderungen angegangen werden. Gleichzeitig schaffen die Richtlinien den Rechtsrahmen, um es Stadtwerken und andere Netzbetreibern zu ermöglichen, Speicher einzusetzen anstatt das Netz auszubauen. Nach aktuellem Rechtsrahmen liegt der Anreiz beim Netzbetreiber im Einsatz von Kupferleitungen, denn damit kann über die garantierte Verzinsung langfristig Geld verdient werden. Ein Einsatz von Speichertechnik dagegen wären nur Ausgaben, mit denen kein Geld verdient werden darf. Aufschläge dürfen darauf nämlich nicht erhoben werden.
Speicher sind verfügbar
Der BVES weist darauf hin, dass eine Vielzahl von Speichertechnologien am Markt in Serie verfügbar sind und flexibel eingesetzt werden können, die Spanne reicht hier von Batterien, Druckluftspeichern und Schwungrädern bis zu Power-to-Heat und Power-to-X-Technologien. Die Chance: Diese Technik kann kostengünstig und vor allem schnell eingesetzt werden, oftmals als mobile Container-Lösungen. Braucht ein Netzausbau im Verteilnetz bei uns rund 18 bis 36 Monate, so ist ein Speicherprojekt in rund 15 Monaten umsetzbar. Auch sind Netzengpässe oftmals nur für begrenzte Zeit vorhanden. Hier kann ein Speicher bei Bedarf auch wieder abgebaut und an anderer Stelle seine Dienste verrichten. Das schont auch Ressourcen.
Konkret fordert der BVES eine Transparenz bei der Netzentwicklung, die derzeit auf Verteilnetzebene völlig intransparent ohne öffentliche Auslage von Netzentwicklungsplänen und einer transparenten Beschaffung von Netzdienstleistungen durch die Verteilnetzbetreiber erfolgt. Netzbetreiber sollen angereizt werden, bei Netzengpässen auch Speichertechnik wirtschaftlich einsetzen zu können. Beispiele aus verschiedenen Ländern – auch im Papier erwähnt – zeigen, dass es auch bei uns anders gehen könnte und ein Speichereinsatz einigen Netzausbau in den Verteilnetzen vermeiden könnte.
Zukunft der Ladepunkte für E-Autos
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) hat in einem aktuellen Positionspapier Vorschläge zum weiteren Aufbau der Lade-Infrastruktur gemacht.
Der Hintergrund: Die technischen Anforderungen der Verteilnetzbetreiber unterscheiden sich stark, bei der Planung bleibt viel Zeit und Effizienz auf der Strecke. Ziel muss laut BNE eine Harmonisierung der Anforderungen sein, die sowohl technisch als auch ökonomisch sinnvoll ist.
Neben einer gemeinsamen Anmeldung kleiner Ladepunkte - damit bei Mehrfamiliengebäuden nicht jede Wallbox einzeln angemeldet werden muss - fordert der BNE auch eine Sanktionierung, wenn eine Netzanfrage beim Netzbetreiber nicht oder zu spät bearbeitet wird. Derzeit kann dabei eine Wartezeit von zwei Monaten auftreten. Das schafft Probleme, wenn z.B. nach einem Unfall oder einem anderen Schaden schnell ein neues Auto angeschafft werden muss und der Umstieg auf einen Stromer vorgesehen ist.
Der BNE kritisiert auch das derzeitige Inbetriebnahme-Prozedere: Die Belieferung einer Ladesäule darf erst beginnen, nachdem Zählerprotokolle sowie Identifikationsnummern vergeben und in den Prozessen der Netzbetreiber verarbeitet sind. Auch hier kann es nochmals zu Verzögerungen im Bereich von Monaten kommen, bis der erste Strom getankt werden kann, obwohl er Stromzähler längst installiert wurde.
Netzdienlicher Betrieb gewünscht
Zu guter Letzt fordert der BNE noch eine Vereinfachung bei netzdienlichem Betrieb von Ladepunkten: Eigentlich gewollt, aber derzeit für Investoren zu unattraktiv sind die entsprechenden Regelungen für die Betreiber von Ladepunkten, daher fordert der Verband auch hier eine Korrektur. In diesem Zusammenhang weist der BNE auch auf zwei Vorschriften hin, die derzeit für Rechtsunsicherheit sorgen: Einerseits kann ein Ladesäulenbetreiber nach §14a EnWG eine Absenkung der Netzgebühren erhalten, wenn er die Infrastruktur netzdienlich aufbaut. Andererseits darf ein Netzbetreiber nach §19 NAV jedoch den Einbau eines Lastmanagements fordern – das ferngesteuert den Ladepunkt regeln kann, ohne dass der Betreiber dafür eine finanzielle Entschädigung erhält. Hier muss der Gesetzgeber die Regelungen anpassen oder zumindest klarstellen, für welchen Fall welche Regelung anzuwenden ist.
Photovoltaik auf Flachdächern
Das letzte Papier stellt keine Zukunftsperspektive dar, sondern erläutert, wie man PV-Anlagen auf Flachdächer technisch richtig umsetzt. Im ersten Moment klingt das profan, ist es jedoch in der Praxis bei weitem nicht, weswegen sich der BSW damit aktuell in einem Hinweispapier (Bestellmöglichkeit hier) auseinander gesetzt hat.
Hintergrund ist die aktuelle Aufstellung von PV-Anlagen auf flache Dächer: Diese sind oft mit einer Folie als oberste Dachschicht bedeckt, darunter liegt eine Dämmung, darunter der Unterbau der Dachkonstruktion. Auf die Folie werden die PV-Module mit aktuellen Montagesystemen einfach aufgestellt und ballastiert, eine zusätzliche Befestigung findet nicht statt. Meist werden Schienen auf die Dachhaut aufgebaut, die dann zu linienförmigen Lastabführungen führen. Wird dies bei der Planung nicht auf den vorhandene Dachaufbau abgestimmt, besteht die Gefahr von Verformungen und Schädigungen von Dachhaut und Dämmung.
Neben den Normen ist daher die Druckfestigkeit der Dämmung zu berücksichtigen, die abhängig vom verwendeten Dämmmaterial und den Datenblättern der Hersteller zu entnehmen ist. Während das Dämmmaterial XPS als Hartschaum sehr druckfest ist, schwanken die Festigkeiten bei Mineralwolle von Hersteller zu Hersteller. Das Hinweispapier nennt dazu konkrete Lastfälle und zulässige Stauchungen der verschiedenen Materialien, die für eine PV-Betrachtung angesetzt werden können. Doch was tun, wenn bei einem alten Bestandsdach die Dämmung nicht bekannt ist? Dann weist der BSW darauf hin, dass eine Probeöffnung an einer Stelle des Daches erfolgen kann, um den Typ, aber vor allem auch den Zustand der Dämmung konkret zu bestimmen, bevor eine PV-Anlage für über 20 Jahre darauf aufgebaut wird und womöglich dann schonnach kurzer Zeit Schäden am Dach auftreten.
Im Hinweispapier wird dann noch auf Sicherheitsbeiwerte, Lastkombinationen sowie die Ermittlung von Korrekturfaktoren eingegangen, auch werden einige konkrete Berechnungsbeispiele zur Klärung der zulässigen Dämmungsbelastung erläutert. Tabellen der relevantesten Hersteller runden das Hinweispapier zu einer gut verständlichen, praktischen Anwendungshilfe ab.
Jörg Sutter