02.10.2020
Wenn`s E-Auto brennt: In den Wassercontainer damit
Ein Gast-Interview von Bianca Loschinsky, TU-Magazin Braunschweig
Brennende Elektroautos sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Doch wie gefährlich ist so ein Brand tatsächlich? Professor Jochen Zehfuß, Brandschutzexperte der TU Braunschweig meint: "Im Vergleich ist die Brandlast, wenn ein Verbrennungsfahrzeug vollgetankt ist, sogar höher als beim Elektrofahrzeug." Aber lesen Sie selbst.
Bianca Loschinsky: Herr Professor Zehfuß, bei den Braunschweiger Brandschutz-Tagen stand vor wenigen Tagen das Brandverhalten von Elektrofahrzeugen im Fokus. Geraten Elektroautos schneller in Brand als klassische Verbrennungsfahrzeuge?
Prof. Jochen Zehfuß: Bei der Veranstaltung habe ich über erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts am iBMB zu diesem Thema berichtet. Wir gehen dort der Frage nach, ob das Brandrisiko durch Elektrofahrzeuge in offenen Parkgaragen größer oder anders ist als bei kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen.
Zunächst: Insgesamt gibt es bislang wenige Elektrofahrzeuge. Stand Anfang des Jahres sind es rund 160.000, natürlich stark wachsend, aber auf niedrigem Niveau. Insgesamt gibt es in Deutschland über 40 Millionen Pkw. E-Fahrzeuge machen also bisher weit weniger als ein Prozent aus.
Wie wahrscheinlich ist es also eigentlich, dass ein Elektrofahrzeug in Brand gerät im Vergleich mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor? Aufgrund der bisher so geringen Anzahl kann man dazu nur begrenzt statistische Aussagen machen. Wir haben in Braunschweig, aber auch in Hannover und Hamburg recherchiert - mit Unterstützung der Feuerwehr - wie viele Brände mit Elektrofahrzeugen dokumentiert wurden und wie diese abgelaufen sind. Die Ergebnisse tendieren gegen Null. Auch international gibt es wenige Brände. Medial hat man einen anderen Eindruck, weil diese Brände meist aufgebauscht werden, da sie oft spektakulär sind.
Loschinsky: Abgesehen davon, dass es bislang wenige Elektroautos gibt: Ist das Brandrisiko höher oder das Brandverhalten anders?
Zehfuß: Die freigesetzte Wärme wird im Wesentlichen durch das Interieur des Fahrzeugs bestimmt, also durch die Polsterung, die Kunststoffteile, die in einem Fahrzeug verbaut sind. Nur in untergeordnetem Maße durch das Antriebskonzept. Ja, Lithium-Ionen-Batterien können brennen, der Separator kann brennen. Aber Verbrennungsfahrzeuge haben einen Tank mit Benzin oder Diesel. Im Vergleich ist die Brandlast, wenn ein Verbrennungsfahrzeug vollgetankt ist, sogar höher als beim Elektrofahrzeug.
Das Brandverhalten ist gar nicht so viel anders. Unter Umständen entwickelt sich der Brand schneller in einem Elektrofahrzeug. Und es gibt meistens noch einen zweiten Anstieg der Wärmefreisetzung, wenn die Batterie anfängt durchzugehen. Aber in Summe ist keine wesentliche Änderung bei der Brandlast festzustellen.
Unter der Einschränkung, dass wir bisher wenig statistische Daten haben, ist zu erwarten, dass Brände bei Elektrofahrzeugen nicht häufiger auftreten. Die Batteriesysteme, die verbaut werden, haben mittlerweile ein sehr gutes Batteriemanagementsystem. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es aus sich heraus zum Brand kommt. Ein Brand kann vor allem durch äußere Einflüsse entstehen, beispielsweise durch einen Unfall, wenn neben dem Elektroauto ein Fahrzeug brennt oder aufgrund einer Überladung oder einer Tiefentladung. Aber das hat das Batteriemanagementsystem normalerweise gut im Griff.
Loschinsky: Warum sind dann Unfälle mit Elektrofahrzeugen für Feuerwehrleute eine neue Herausforderung?
Zehfuß: Wenn Elektrofahrzeuge mit Lithium-Ionen-Batterien brennen, sind sie sehr schwer zu löschen. Es kann einen etwas heftigeren Reaktionsverlauf in der Anfangsphase geben. Falls es zum thermischen Durchgehen kommt, muss sehr lange gekühlt werden und es besteht die Gefahr, dass der Brand wieder aufflammt.
Die Feuerwehren haben zusätzlich das Problem, dass sie an die Brandquelle überhaupt erst einmal herankommen müssen. Die Batterien sind meist im Bodenbereich der Fahrzeuge eingebaut.
Es gibt einige Berichte von Bränden, in denen die Feuerwehrleute Autos in großen Wasser-Containern versenkt haben, damit es zum Ablöschen kommt. Die derzeitigen Empfehlungen der Feuerwehr sehen vor, dass die Fahrzeuge auf einen Platz geschleppt werden, auf dem sie dann in Ruhe ausbrennen können. Darauf haben sich auch Abschleppfirmen spezialisiert.
Über die Toxizität der Brandgase weiß man bislang wenig. Da lauern ganz andere Gefahren für die Einsatzkräfte als bei einem Fahrzeug, das mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor angetrieben wird.
Loschinsky: Wie lange dauert das Abbrennen?
Zehfuß: Das kann Tage dauern. In einem Wassercontainer ist der Brand dagegen bereits in ein paar Stunden vorbei. Das Löschmittel der Wahl ist Wasser. Es hat eine sehr hohe Kühlwirkung. Das Problem ist nur, das Wasser dort hinzubekommen, wo es hin muss. Dafür werden zurzeit Löschsysteme entwickelt, zum Beispiel Löschlanzen. Damit können die Feuerwehrleute bis zur Batterie vordringen und am Ort des Geschehens löschen.
Loschinsky: Können Sie bereits ein Fazit zum Brandrisiko in Parkgaragen ziehen?
Zehfuß: Nach dem, was wir bislang wissen, ist das Brandrisiko durch E-Fahrzeuge in offenen Parkgaragen - bezogen auf das Tragwerk - nicht höher als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Ein Einsturz ist genauso unwahrscheinlich wie in dem Fall eines Brandes eines Verbrennungsfahrzeugs. Für Personen gilt das Gleiche: Ihnen steht ausreichend Zeit zur Verfügung zu flüchten. Damit müssen wir in offenen Garagen, in denen bislang keine Sprinkleranlagen eingebaut wurden, diese künftig auch nicht zur Verfügung stellen. Die gute Nachricht ist also: Wir müssen wegen der Elektrofahrzeuge die offenen Parkgaragen nicht nachrüsten.
Ein Punkt, der sicherlich noch untersucht werden muss, ist die Alterung der Batterien. Momentan sind immer neue Fahrzeuge im Fokus. Man weiß jedoch noch viel weniger darüber, wie sich die Batterien verhalten, wenn sie altern. Steigt das Brandrisiko und wenn ja, um welches Maß?
Loschinsky: Wie haben Sie in dem aktuellen Forschungsprojekt das Brandrisiko untersucht? Wurden dafür Autos angezündet?
Zehfuß: Nein, wir haben keine Autos abgebrannt. Im Zentrum für Brandforschung (ZeBra), das gerade entsteht, sind experimentelle Untersuchungen für weitere Projekt angedacht, unter anderem mit unseren Partnern, dem Institut für Partikeltechnik, das in der Batterieforschung sehr stark engagiert ist. Ein erklärtes Ziel ist, brandsicherere Batterien zu entwickeln. In unserem derzeitigen Forschungsvorhaben haben wir mit numerischen Modellen gearbeitet, mit denen wir den Brandverlauf unterschiedlicher Fahrzeugen und auch Fahrzeugkonfigurationen, z.B. einer Gruppe von Autos in der Garage, berechnen können. Welche Einwirkungen entstehen für das Tragwerk? Und welche Rauchgasmengen entwickeln sich und in welcher Zeit? Wie sind Rettungswege in Parkhäusern organisiert? Das können wir numerisch untersuchen. Wünschenswert ist natürlich immer, dass man zumindest für die Validierung solcher numerischer Modelle Versuche durchführt. Im Zentrum für Brandforschung wird das möglich sein und ist auch vorgesehen.
Das Gespräch mit Professor Jochen Zehfuß, Leiter des Fachgebiets Brandschutz im Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB), haben die DGS-News dankenswerterweise aus dem TU-Magazin Braunschweig übernehmen dürfen. Wir haben es leicht gekürzt. Das Gesamtinterview finden Sie hier.