01.12.2023
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 2: Wärmenetze
Ein Bericht von Götz Warnke
Wärmenetze sind die erste im § 71 des novellierten Gebäudeenergiegesetzes (GEG) genannte Heizoption, bei der automatisch von einer Erfüllung der 65%-Regel für Erneuerbare Energien ausgegangen wird. Die genaueren Erfüllungs-Tatbestände wie Bau einer Hausstation und Einrichtung eines Netzanschlusses werden § 71b „Anforderungen bei Anschluss an ein Wärmenetz und Pflichten für Wärmenetzbetreiber“ beschrieben.
Nun ist es mit Wärmenetzen wie meist im Leben: es gibt solche und solche.
Erstens gibt es Fernwärmenetze und Nahwärmenetze. Die Abgrenzung ist nicht definitorisch scharf; meist spricht man von Nahwärme bei Netzen mit einer thermischen Leistung von 50 Kilowatt bis wenige Megawatt. Fernwärmenetze gibt es in Deutschland meist zur Versorgung ganzer Großstädte; Nahwärmenetze konzentrieren sich eher zentrumsfern auf Dörfer, Siedlungen, Neubaugebiete.
Zweitens ist zu unterscheiden, wem die Netze gehören. Während in Dänemark sowohl die Nah- als auch die Fernwärmenetze meist in Hand von Genossenschaften sind (wie z.B. Marstal Fjernvarme), sind es in Deutschland eher kleinere Unternehmen (Nahwärme) oder große Energiedienstleister bzw. kommunale Unternehmen (Fernwärme). Während man bei den Genossenschaften Teilhaber ist, bleibt man in den meisten anderen Konstellationen nur Kunde.
Drittens gibt es heiße, warme und kalte Netze. Heiße Netze sind die klassischen, seit ca 1880 in den Großstädten aufgebauten Fernwärmenetze. Ihre Temperaturspreizung liegt etwa bei 130°C für den Vorlauf und 90°C für den Rücklauf.
- Warme Netze haben etwa eine Spreizung von 80°C zu 60°C; bei „kalten Netzen“ liegt diese bei etwa 40°C zu 25°C.
- Kalte Netze benötigen im allgemeinen eine Wärmepumpe in den Haushalten, um die Wassertemperatur auf ein Nutzniveau (Heizung, Warnwasser) zu heben.
Generell gilt: je länger das Netz und je höher die Netztemperatur, desto größer sind die Wärmeverluste.
Viertens existieren eine Vielzahl von Wärmeerzeugern: Braun- oder Steinkohle-(Heiz-)Kraftwerke, (Bio-)Gaskraftwerke, Biomasse-(Heiz-)Kraftwerke, Müllverbrennung, (industrielle) Abwärme, Elektroheizkessel, Geothermie, Großwärmepumpen, Solarthermie-Anlagen. Die meisten Verbrennungsprozesse versorgen tendenziell heiße Netze, andere Techniken wie Solarthermie und Großwärmepumpen speisen in unseren Breiten eher warme oder kalte Netze.
Wärmenetze haben bestimmte Vorteile: der angeschlossene Haushalt muss sich zumindest bei heißen und warmen Netzen nicht um die Heiztechnik kümmern (bei kalten Netzen ist noch eine Wärmepumpe notwendig, s.o.). Insbesondere für Vermieter ist das vorteilhaft: anders als beim Ausfall der eigenen Öl- oder Gasheizung muss er sich nicht mit frierenden, genervten Mietern herumschlagen, sondern er ruft den Wärmenetz-Betreiber an und sagt: „Mach mal!“ Auch entgeht der Vermieter den Diskussionen mit seinen Mietern, ob er nicht Öl und Gas zu teuer eingekauft habe. Wärmenetze sind quasi Monopole: da gibt es einen Preis, und den legt der Vermieter dann auf seine Mieter um.
Weiterhin entfallen mit dem Wärmeanschluss die Heizemissionen im Nahbereich; evtl. kann man sich sogar den Schornsteinfeger sparen.
Andererseits haben Wärmenetze auch Nachteile. Wärmenetze haben mit die höchsten Heizkosten. Das liegt an der weitläufigen Infrastruktur und deren Wartung, an den großen Mengen benötigtem Pumpenstrom und an den Wärmeverlusten, die z.B. auf der 13,5 km langen Trasse vom Kohle-Heizkraftwerk Wedel in Schleswig-Holstein bis in die Hamburger Innenstadt die Wärme von 3.000 Wohneinheiten ausmachen (eine Wohneinheit entspricht einer 70m2 -Wohnung). Wie bereits gesagt, sind die Wärmeverluste hauptsächlich ein Problem der heißen Netze wie dem Hamburger Fernwärmenetz. Und ein weiteres Problem kommt hinzu: Diese Netze müssen dekarbonisiert werden; künftig fallen hier Kohle und Gas als Energielieferanten aus!
Was tun? Eine Lösung wäre die Umrüstung eines heißen zu einem warmen Netz. Was sich im ersten Moment einfach anhört, ist in Wirklichkeit kompliziert. Denn die Kunden an den Endpunkten des Netzes benötigen ja die gleiche Wärmemenge wie bisher. Senkt man einerseits die Netztemperatur, muss man andererseits den Leitungsquerschnitt vergrößern: von etwa 50-100 cm auf 150-300 cm. Dazu müssen Straßen aufgerissen, andere Leitungen (Strom, Telefon) verlegt und umfangreiche Erdarbeiten durchgeführt werden. Und, und, und. Das Ganze wird sehr teuer, und es bezahlen letztlich die Fernwärmekunden.
Die zweite Lösung ist, die Heizwerke auf klimaneutrale Ersatzbrennstoffe umzustellen, zumal die gern genommene industrielle Abwärme auch keine „sichere Bank“ ist – schließlich müssen Unternehmen bisweilen ihre Fabriken schließen. Am Thema Ersatzbrennstoffe versucht sich seit Jahren auch der Hamburger Senat, wobei die Ergebnisse eher „gut gemeint“ als gut sind. Eine Idee war, Buschholz aus Namibia zu importieren und zu verfeuern. Nun ist es in der Tat so, dass der Busch dort hin und wieder „entbuscht“ werden muss, um die Zugänglichkeit für Wildtiere und Menschen zu erhalten. Allerdings sind die dort wachsenden Akazien ein Hartholz, das sich als Werkholz, Fasern oder zur Lignin-Gewinnung nutzen lässt, und zum Verfeuern viel zu schade ist.
Eine weitere Option ist die Müllverbrennung. Hier hat offensichtlich der Hamburger Senat versucht sich die dabei entstehenden CO2-Emissionen schön zu rechnen, um zu einem akzeptablen Ergebnis zu kommen. Dabei ist klar, dass die heutige Müllverbrennung z.B. noch viel zu viele Erdölprodukte wie Plastik enthält, und dass die Müllmenge künftig durch verbessertes Recycling sinken muss und sinken wird. Eine wirklich überzeugende Lösung für die großen, heißen Fernwärmenetze ist nicht in Sicht.
Wie sieht es mit dem Thema Energieautarkie aus? Ist der Fernwärmeanschluss eine Option für Familien, die einen möglichst hohen Grad von Energieautarkie erreichen wollen? Diese Frage lässt sich mit einem einfachen NEIN beantworten. Zwar gibt es Ausnahmen – etwa bei Energiegenossenschaften nach dänischem Vorbild, die sich mit Solarwärme versorgen; hier gibt es ein demokratisches Mitspracherecht und mit der Sonnenwärme eine Energieform, deren Preise nicht steigen – , aber im Allgemeinen sind solche Kollektiv-Versorgungen teuer und halten den Bürger in energetischer Abhängigkeit. Wären die heißen Fern- und Nahwärmenetze ein wirklich vorteilhaftes Angebot für die Bürger, so bräuchte es keine kommunalen Anschluss- und Benutzungszwänge, um die Bürger in eine kollektive Wärmeversorgung zu treiben. In Anlehnung an das Zitat des Modemachers Karl Lagerfeld zur Jogginghose lässt sich sagen: Wer auf Fernwärme setzt, hat die Kontrolle über sein energieautarkes Leben verloren.
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 1
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 2: Wärmenetze
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 3: Wärmepumpe
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 4: Stromdirektheizungen
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 5: Solarthermie
Das GEG: Energie, Erregung, Autarkie, Teil 6: Feste, flüssige, gasförmige Brennstoffe