27.09.2024
Nicht über Kosten jammern, sondern die Energiewende für die Firma nutzen
Ein Sachstandsbericht von Heinz Wraneschitz
Sedlbauer tut es mit einer 600-Kilowatt-(kWp)Photovoltaik-Anlage, Mibrag hat gar 34.000 kWp installiert. Selbst das Manager-Magazin berichtet inzwischen über Eigenstromversorgung, während die Wirtschaftswoche einen „Trend zum eigenen Strom“ sogar schon vor über zehn Jahren erkannt haben will. Bosch zum Beispiel setzt dabei vor allem auf Langzeit-Direktlieferverträge (PPA) mit großen, alten Stromkonzernen wie RWE, Statkraft oder Vattenfall. Industrie- und Handelskammern wie die IHK Pfalz informieren ihre Mitglieder über Rechte, Plichten und Möglichkeiten für eigenen Strom aus Wind, Sonne, Wasserkraft oder Bioenergie. Doch nur wenige Unternehmen sind so weit, wie der Baukonzern Max Bögl, der inzwischen sogar eine eigene Tochter gegründet hat mit dem Angebot, andere Unternehmen beim Aufbau der Eigenstromversorgung zu unterstützen.
Wie weit aber ist die „Grüne Transformation in deutschen Unternehmen“ in der Breite der Wirtschaft allgemein vorangekommen? In der „TÜV Sustainability Studie 2024“ hat der TÜV-Verband auch heuer wieder den Status Quo erhoben. Doch die Prüforganisation beschreibt darin nicht nur die wie weit auch immer vorangekommene Energie-Transformation, sondern liefert auch Beispiele, welche „wirtschaftlichen Chancen der Energiewende“ die Unternehmen ergreifen können – oder besser: sollten.
Bei der Vorstellung der diesjährigen Nachhaltigkeitsanalyse kam die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Wirtschaft deutlich heraus. Michael Fübi, Präsident des TÜV-Verbands und Vorstandsvorsitzender der TÜV Rheinland AG, erwähnte einerseits: „Die größten Sorgen sind Fachkräftemangel, Inflation, Bürokratie. Erst an vierter Stelle liegen mit 15 Prozent die Energiekosten.“ Dass andererseits in der Öffentlichkeit Unternehmer immer wieder über massive Energiekostenbelastung jammern, passt dann eigentlich nicht zu diesem Stimmungsbild. Denn dort wiederum haben 85 Prozent der Unternehmen angegeben, „sie stehen hinter der Energiewende, das ist der richtige Weg“, so Fübi.
Lautes Jammern schafft Aufmerksamkeit - leider
Womöglich wird – wie aktuell auch im Politik-Bereich allgemein – den Jammernden mehr Raum in den Medien eingeräumt, als ihnen tatsächlich zusteht. Denn „im Fazit hat eine sehr deutliche Mehrheit die Energiewende positiv bewertet“, so der TÜV-Präsident. So haben laut Studie zwei Drittel der Firmen Energieeffizienzmaßnahmen bereits umgesetzt, zwölf Prozent haben welche geplant. Meldet sich also nur jenes weniger als ein Fünftel lautstark über die Medien zu Wort, das angab: „Wir planen nichts!“ oder „Wir nutzen keine Erneuerbaren Energien.“ Wenn nicht gar: „Wir sehen die Firma durch die Energiewende existenzgefährdet“? Fübi nannte dass vielsagend „ein diverses Bild“.
Nahezu einig sind sich die Unternehmen dagegen, dass es „schnellere Genehmigungsverfahren“ und „bessere Regulatorik“ sowie mehr Fördermittel brauche, damit sie das – allgemein erkannte – Innovationspotenzial einer nachhaltigen, erneuerbaren Energieversorgung noch besser nutzen könnten. Anders als oft öffentlich zu vernehmen, war von Seiten des TÜV-Chefs in diesem Zusammenhang Lob für die Ampel-Regierung zu hören: „Viele Regeln dafür sind auf dem Weg. Gebäude-Energiegesetz GEG, Energieeffizienzgesetz, Wasserstoff-Importstrategie“ nannte er als Beispiele. Doch sei unsere Wirtschaft stark exportabhängig. Wenn wir also weiter „ein Vorreiter in und für die Welt bleiben wollen, kann das nur funktionieren, wenn Technologieentwicklungen nicht abgewürgt werden“, kritisierte er die Verwaltungen auf allen Ebenen.
Darauf basieren auch die „vier politischen Empfehlungen: Genehmigungsverfahren erleichtern; Investitionssicherheit verbessern; >Greentech made in Germany< als Marke fördern; Versorgungssicherheit durch Wasserstoffhochlauf, Speicher- und Infrastrukturausbau stärken“.
Wird Strom billiger?
Mit einer Forderung, die gerade seitens verschiedener Politiker:innen immer wieder zu hören ist, räumte TÜV-Präsident Fübi allerdings grundlegend auf: „Die Sorgen vor Versorgungsengpässen müssen ernst genommen werden. Durch die dezentrale Erzeugung gehen die Kosten des Netzbetriebs massiv nach oben. Unsere Netzinfrastruktur kommt an die Belastungsgrenze. Die Vorhaltung und der Bau von Reservekapazität kostet Geld. Man setzt auf Wasserstoffund auf neue Kraftwerke, die nicht benutzt werden. Das ist teuer, das alles muss mitbezahlt werden. Die Hoffnung, der Strom wird wieder günstiger, die teile ich nicht.“
Mit dieser Einschätzung ist Michael Fübi nicht allein. Doch andere Gruppen wie beispielsweise Kritiker des massiven Ausbaus von Übertragungsnetzen, sehen dabei einfach die Weichen falsch gestellt: Weil die Verteilnetze von der Bundesnetzagentur in Einheit mit der Politik bislang kaum beachtet werden, fließe viel unnötiges Geld in die Kassen der Verteilnetzbetreiber.