13.04.2023
Stellungnahme der DGS zum Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)
Am Mittwoch, 13.04.23 hat die DGS eine Stellungnahme zum Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes abgegeben. Der Entwurf zur Gesetzesänderung, der gemeinsam von BMWK und dem Bundesbauministerium (BMWSB) erstellt wurde, findet sich hier.
Die Stellungnahme der DGS können Sie hier herunterladen. Sie wurde trotz kurzfristiger Rückmeldefrist – und das noch über die Oster-Feiertage – unter Koordination unserer Geschäftsstelle erstellt und fristgemäß an die beiden beteiligten Ministerien versendet.
Allgemeine Hinweise
Die Energiewende im Wärmebereich ist ein zentraler Schlüsselbereich für die Erreichung der klimapolitischen Ziele und für die Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Insofern ist eine Neufassung des GEG das richtige Vorgehen, sofern es konsequent auf diese Ziele gerichtet ist. Die Vorgabe des 65%-Zieles für erneuerbare Heizenergie ist dahingehend konsequent. Wir begrüßen auch ausdrücklich die Einführung des „überragenden öffentlichen Interesses“ auch im Wärmebereich. Trotzdem muss auch an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass noch immer zahlreiche Fördermittel und Subventionen den Einsatz von fossilen Energieträgern fördern.
Diese Förderungen fossiler Brennstoffe müssen sofort beendet werden.
Aufgrund der engen zeitlichen Rückmeldefrist kann unsere Analyse notgedrungen nicht ausreichend in die Tiefe gehen, sondern enthält einige allgemeine Feststellungen und einige Detailanmerkungen zum Entwurf.
Priorisierung der Gebäudehülle fehlt
Der vorliegende Gesetzentwurf hebt in erster Linie auf die Elektrifizierung der Heizungssysteme mit erneuerbaren Energien und hier v.a. auf Wärmepumpen ab. Dies ist zwar in der Sache zu begrüßen, wirft ohne angemessene Anstrengungen zur Sanierung der Gebäudehüllen jedoch erhebliche Probleme bezüglich der erforderlichen Strommengen und der Lastgänge auf.
Grundsätzlich sollte im Regelfall zunächst die Reduzierung des Heizenergiebedarfes und anschließend die Umstellung des Heizsystems erfolgen, dies insbesondere mit Fokus auf unsanierte Gebäude schlechterer Effizienzklassen. So wird vermieden, dass teure Heizungssysteme bei einer späteren Gebäudesanierung überdimensioniert sind, wodurch Investitionsmittel vergeudet werden und Wärmeerzeugungsanlagen in einem ineffizienten Betriebspunkt mit hohen Betriebskosten arbeiten. Wenn das Gebäude jedoch NT-ready ist, kann die Heizungsumstellung auch parallel zur weiteren Sanierung der Gebäudehülle durchgeführt werden.
Eine Verzahnung mit der aktuell in Diskussion befindlichen EU-Richtlinie zur Gebäudesanierung („worst first“) fehlt vollständig.
Angesichts des Fachkräftemangels sollten schnell klimawirksame Dekarbonisierungsmaßnahmen priorisiert werden. Dazu kann gehören, dass kritische Produkte (Wärmespeicher, Wärmedämmverbundsysteme, Solar- komponenten, etc.) von öffentlichen Trägern und/oder Bundesländern im Zuge von verbindlichen Abrufaufträgen für später zu bauende Projekte geordert werden. Dies gibt Investitionssicherheit für die Hersteller, verhindert dass wichtige Produkte ins Ausland geliefert werden, und beugt Mangellagen vor, um Dekarbonisierung umsetzen zu können.
Zudem sollte in die gesetzlichen Vorschriften integriert werden, dass im Neubau- Bereich keine Gebäude unterhalb des Passivhaus-Standards mehr genehmigt werden.
Ein Neubau muss mindestens Passivhaus-Standard erfüllen.
Schlechte Verzahnung des GEG mit Förderprogrammen
Investitionsentscheidungen für die dringend notwendige Wärmewende werden überwiegend auf Grundlage der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) getroffen. Die Förderbedingungen weichen dabei stark vom Ordnungsrecht des GEG ab. Die Durchführer KfW und BAFA, sowie die steuerliche Förderung interpretieren zudem die Richtlinien unterschiedlich. In der Praxis existiert deshalb eine immense Verunsicherung mit großen juristischen Fallstricken bei Energieberatern, Planern und Handwerkern. Fallende Antragszahlen und eine sinkende Sanierungsquote sind die Folge.
Eine einheitliche Verwaltungspraxis könnte hier für mehr Klarheit sorgen, so dass Berater einfacher die verschiedenen Förderinstrumente vergleichen und dem Kunden die passende Lösung empfehlen können. Insbesondere für Entscheidungen von Hausbesitzern zur Durchführung von freiwilligen Maßnahmen sind letztlich oft die Förderbedingungen und deren klare Ausgestaltung entscheidender, als die ordnungsrechtlichen Festlegungen des GEG. Insofern birgt die bessere Verzahnung dieser Instrumente ein erhebliches Potenzial zur Beschleunigung der Maßnahmen zum Klimaschutz.
Der berüchtigte „Förderdschungel“ wird durch immer neue Anpassungen nicht übersichtlicher. Es gilt, sehr einfache und lange geltende Förderprogramme aufzulegen.
Sonderprobleme der südlichen Bundesländer
Vor allem Bayern und Baden-Württemberg haben auf absehbare Zeit eine zu geringe Stromerzeugung aus Windkraft und auch nach den geplanten Netzausbauten zu geringe Leitungskapazitäten, um die zusätzlichen Strommengen im Winter weitgehend aus erneuerbaren Energien zu bestreiten, sofern die Umstellung der Heizungssysteme nicht durch umfassende Anstrengungen zur Gebäudehüllen-Sanierung flankiert wird. Während im Norden Deutschlands ein Großteil des Stromes für neue Wärmepumpen aus Windkraft (ggf. in Verbindung mit Kurzzeit-Speichern) bereitgestellt werden kann, erscheint diese Option für die südlichen Bundesländer erst in längerer Frist (15 bis 20 Jahre) realistisch. Bis dahin wird zusätzliche Strom-Nachfrage insbesondere im Winter großenteils durch fossile Kraftwerke und Stromimporte gedeckt werden müssen.
Insofern liefert bei der Berechnung der Klimawirksamkeit von Umstellmaßnahmen im Süden Deutschlands der Durchschnitts-Anteil der Erneuerbaren am gesamtdeutschen Strommix über das gesamte Jahr kein sinnvolles Maß. Maßgeblich ist, welche Zusatzerzeugung bzgl. saisonale (Sommerüberschuss) Wärmespeicherung zur Deckung der Bedarfe herangezogen wird.
Die in Bayern und Baden-Württemberg mit vorherrschende erneuerbare Energie Photovoltaik hat gerade im Winter bei höchster Heizlast Ertragsminima, so dass hier für die nächsten Jahre vor allem Wind und Biomasse in größerem Maße als Energieträger für winterliche Zusatzverbräuche in den Blick gerät, wobei derzeit gerade der Ausbau der Windenergie nicht vorankommt und die Biomasse zwar CO2-neutral ist, aber deren Verbrennung trotzdem zur Steigerung der CO2- Konzentration in der Atmosphäre beiträgt.
Auch gibt der Gesetzentwurf keine Hinweise, wie Hausbesitzer/Investoren verfahren sollen, wenn z.B. aufgrund eines Netzengpasses kein Anschluss z.B. einer Wärmepumpe oder einer PV-Anlage an das Stromnetz oder kein Anschluss an ein Wärmenetz möglich ist. Dies ist ein dynamischer Prozess des Netzbetreibers, d.h. ein zu Planungsbeginn ausreichendes Stromnetz kann zu Baubeginn eines Gebäudes nicht mehr ausreichend sein; entsprechende Leistungsreservierungen (Stromnetz) sind derzeit nur über wenige Wochen möglich.
Die erneuerbare Strom- und Wärmeerzeugung muss vor allem in Süddeutschland massiv ausgebaut werden. Praktische Hilfestellung muss erfolgen, wo kein Netzanschluss an Strom- oder Wärmenetz möglich ist. Der Ausbau saisonaler Wärmespeicher als polyvalente Multifunktionsspeicher, die Power2Heat und direkt erzeugte Wärme einspeisen können, ist deutlich zu fördern, Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden.
Strom als erneuerbar
Wir haben in Deutschland einen regenerativen Anteil bei der Stromerzeugung von rund 50 % im vergangenen Jahr erreicht und dieser Anteil wird in den kommenden Jahren noch weiter gesteigert. Trotzdem erschließt sich daraus nicht, dass z.B. bei Wärmepumpen oder Stromdirektheizungen eine Stromnutzung pauschal ohne weitere Anforderungen in Richtung der 65% möglich ist. Wir befürchten dabei insbesondere eine Zunahme von Infrarot-Stromheizungen. Wir fordern daher, auch für Wärmepumpen und Stromdirektheizungen die Vorgabe einzuführen, hier ebenfalls mindestens einen 65%-Anteil erneuerbar nachweisen zu müssen, durch Solarstromnutzung vom eigenen Dach und/oder durch den Nachweis der Nutzung eines Ökostrom-Tarifes. Das würde insbesondere die Prosumer-Kombination von Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen voranbringen.
Die Stromversorgung von Wärmepumpen muss mit erneuerbarer Energie erfolgen.
Weitere Detailanmerkungen
PVT
Während der Solarthermie an einigen Stellen im Gesetzentwurf eine „entscheidende Rolle“ zugesprochen wird und auch die Photovoltaik genannt wird, fehlt eine technische Entwicklung völlig, auf die wir gerne hinweisen möchten: PVT-Kollektoren in Verbindung mit Wärmepumpen können Wärme und Strom ohne Flächenkonkurrenz gleichzeitig erzeugen. Diese Technik sollte im Entwurf bei den Möglichkeiten der erneuerbaren Energieerzeugung unbedingt explizit berücksichtigt werden.
PVT soll als Technologieoption ausdrücklich genannt werden.
zu §71 b (Wärmenetze) I
Durch den neuen §71 b wird beim Anschluss an ein bestehendes Wärmenetz unterstellt, dass die Bedingungen erfüllt werden. Jedoch besteht für bestehende Wärmenetze keine Pflicht, sondern allenfalls die in der Entwurfsbegründung genannten Anreize, um die bestehenden Wärmenetze ebenfalls bis 2045 auf vollständige erneuerbare Wärme umzurüsten. Hier muss eine Pflicht für die Wärmenetzbetreiber eingestellt werden, anderenfalls werden solche Netze nach unserer Befürchtung nicht bis 2045 klimaneutral.
Wärmenetzbetreiber müssen analog zu Gasbetreibern Ihren (potentiellen) Kunden Garantien abgeben, bis 2045 klimaneutral (besser: frei von Treibhausgas- emissionen) Wärme zu produzieren und zu liefern.
zu §71 b (Wärmenetze) II
Neubau- und Sanierungsgebiete dürfen (kalte) Wärmenetzanschlusszwang aussprechen; einzige Ausnahme von der Anschlusspflicht: Wo Hausbesitzer bereits in der Vergangenheit auf Sonnenhäuser, Passivhäuser o.ä. gesetzt haben. Wo Wärmeleitungen bereits liegen, muss begründet werden, weshalb kein Anschluss vorgenommen wird, bevor eine Einzelheizung genehmigt wird.
Wärmebetreiber (z.B. Wohnungsbaugesellschaften) haben bis 2025 auszuweisen, wo und wann Wärmenetze ertüchtigt, erweitert oder gebaut werden, um Immobilienbesitzern Investitionssicherheit zu bieten. Entsprechende Transformationspläne zur vollständigen Dekarbonisierung der Netze sind auszuarbeiten und vorzulegen. Einzelheizungen werden nur genehmigt, wenn kein Anschluss an ein Wärmenetz möglich ist.
Zu blauem Wasserstoff (Einfügung 4a in §3)
Der Gesetzentwurf sieht „blauen Wasserstoff“ als Möglichkeit der Ersatzerfüllung der 65% erneuerbare Energien an. Dies lehnen wir ab, denn blauer Wasserstoff wird aus Erdgas erzeugt und ist daher nicht erneuerbar. Da für die CCS- Speicherung derzeit noch keine Daten zu Energieaufwand und langfristiger Stabilität der Speicherung vorliegen, und der bei der Herstellung unweigerlich entstehende Schlupf von Methan und Wasserstoff extrem klimaschädlich ist, macht ein solcher Einsatz weder aus energetischer noch aus Klimaschutz-Sicht einen Sinn.
Nach übereinstimmenden Aussagen der Wissenschaft ist ein Wasserstoff-Einsatz für eine Gebäudeheizung auch mittel- bis langfristig nicht sinnvoll. Die Möglichkeit des Gesetzentwurfes, hier auch zukünftig ohne Einschränkungen weiter mit "normalen“ Gaskesseln arbeiten zu können, nur diese um einen „H2-ready“- Aufkleber ergänzen zu müssen, lehnen wir daher entschieden ab.
Eine Förderung von Wasserstoffverbrennung in Wohngebäuden darf nicht stattfinden.
Zum hydraulischem Abgleich
- Hydraulischer Abgleich: Thermostatventile, die keine Durchflussbegrenzung erlauben, sollten bis 2030 aus dem Verkehr gezogen und ab 2024 nicht weiter im Verkauf angeboten werden;
- Heizungsoptimierung/hydr. Abgleich: Die Pflicht zur Heizungsoptimierung ist auch auf Gebäude mit unter 6 Wohneinheiten anzuwenden. Dies könnte stufenweise (ab sofort über 6 WE, später ab 4, im 3. Schritt ab 1 WE) eingeführt werden.
Bei der Betriebsprüfung gemäß §60 a wird ausdrücklich ausgeschlossen, dass nicht der Ausführer des hydraulischen Abgleiches auch die Prüfung übernimmt. Hier muss ein Interessenkonflikt vermieden werden.
Zur Treibhausgasreduktion
Das GEG sollte auch Maßnahmen aufnehmen und fördern, die jenseits der CO2- Vermeidung die Bindung von CO2 vorantreiben, um Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entziehen. Hier sind insbesondere Dach- und Fassadenbegrünung zu fördern, aber auch gebäudenahe „Mikro-Moore“ wie sie mit Muldenrigolen System der Wasserrückhaltung oder mit biologischen Kleinkläranlagen zu realisieren sind, sowie der Aufbau von langjährig stehenden Baumbeständen, und das Bauen/Sanieren mit Holz und recyceltem Baumaterial. >Siehe dazu auch den Hinweis bzgl. Förderdschungel und verteilte Zuständigkeiten, die sich an Gebäuden, deren Planung, Bau, Betrieb und Bewirtschaftung treffen.
Zeitliche Vorgaben
Die zeitlichen Vorgaben sollten nochmals dahingehend überprüft werden, dass auch entsprechend Material und Fachkräfte zur Verfügung stehen. Mindestens eine Fachkräfteoffensive halten wir für unbedingt notwendig.