27.01.2022
KFW-Förderstopp: Schwarzer Montag oder längst überfälliger Schritt
Eine Stellungnahme der DGS-Fachausschüsse Ressourceneffizienz, Energieberatung und Nachhaltiges Bauen*
Die Pressemeldung zum Download
Man musste sich am Montag früh schon mehrfach die Augen reiben, als auf der KFW Startseite plötzlich die Meldung „Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude gestoppt…“ erschien. Aber auch beim erneuten Aufruf der Seite wurde sehr schnell klar, dass es sich weder um ein Versehen noch um einen vorgezogenen Aprilscherz handelte.
Der neue Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck und sein Staatssekretär Dr. Patrick Graichen, auch bekannt als Mitbegründer und langjähriger Geschäftsführer der Denkfabrik Agora Energiewende, hatten tatsächlich den Stecker für KFW Förderantragstellungen gezogen. Als gefühlt erste Amtshandlung.
Dies ist auf den ersten Blick verwunderlich, wurde diese Entscheidung doch durch einen grünen Minister getroffen, der zwei Wochen zuvor in seiner Eröffnungsbilanz Klimaschutz von „breit angelegter und solide ausfinanzierter Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)“ gesprochen hatte. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein sehr mutiger und längst überfälliger Schritt.
Der unmittelbare Stopp der Förderungen hat viele Bauherren, Sanierungswillige, Planungsbüros und Energieberater unerwartet und eiskalt erwischt. Zwar sollte das „Wahlgeschenk“ der alten Regierung für Neubauten mit EH 55 (Effizienzhaus 55) Niveau am 31. Januar 2022 sowieso bei der KFW auslaufen. Aber nun kommen sehr wahrscheinlich auch diejenigen nicht mehr in den Genuss einer Förderzusage, die ihren Antrag noch fristgerecht gestellt hatten.
Warum diese vorgezogene Deadline?
Nachdem bekannt geworden war, dass das Programm Ende Januar auslaufen sollte, kam es zu der vorhersehbaren Antragsflut auf das Programm. Allein in den vergangenen acht Wochen wurde ein Volumen von 20 Milliarden Euro beantragt, Das muss aber noch nicht bedeuten, dass tatsächlich 20 Mrd. Euro ausbezahlt werden. Schließlich konnte auch jeder, der ein Baugrundstück für ein Wohnhaus besitzt, einen Förderantrag stellen. Der Zusatz „Bauantrag gestellt“ in den Förderbedingungen hätte somit vielleicht einige Milliarden Fördermittel nicht blockiert
Damit waren die im Haushalt eingeplanten Mittel bereits lange vor der Zeit komplett reserviert. Anfang Januar hatte das Finanzministerium für das Energieeffizienz-Programm zwar weitere 6,6 Milliarden Euro zusätzlich bewilligt, aber auch diese waren dann sofort verplant. Dem Minister blieb gar keine andere Möglichkeit, als das Programm für den Neubau mit EH 55 über Nacht zu stoppen. Dass nun auch die Sanierungen zum Effizienzhaus und das sehr anspruchsvolle EH 40 beim Neubau gestrichen worden sind, scheint eher ein handwerklicher Fehler, wenn nicht ein pures Versehen zu sein. Aber genau das hat nun zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Politik geführt.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sind noch rund 24.000 Förderanträge offen, die vor dem vorzeitigen Ende des Programms eingegangen sind. Davon sollen rund 20.200 auf Neubauten nach EH 55, 3.000 nach EH 40 und lediglich 700 auf Sanierungen fallen. Ob die angedachte Notlösung der „zinsgünstigen Kredite“ beim Neubau hilft, wird sich zeigen.
Dringend notwendig ist allerdings jetzt, wie beim BMWK schon nachzulesen, dass die Mittel für Sanierungsvorhaben umgehend wieder freigegeben werden. Das Jahr 2022 wäre sonst komplett verloren.
Wie geht es nun weiter?
Eine Grundsatzfrage ist, was eine nachhaltige Förderpolitik ausmacht. Für Investoren sind das neben ökonomischen Anreizen sicherlich auch Werte wie Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Und für die dringend benötigte Dynamik in der Ressourcenwende werden Investoren gebraucht. Gerade der Baubereich ist eine Schlüsselbranche für die Energiewende (siehe auch SONNENENERGIE 4|21: Ressourcenwende als Energiewendetreiber sowie SONNENENERGIE 2|19 Nachhaltiges Bauen und Produzieren).
60% des weltweiten Materialverbrauchs, 50% des Abfallaufkommens und jeweils 35% des Energieverbrauchs und der Emissionen werden durch Bauaktivitäten verursacht (1). Mit dem Gebäudeenergiegesetz wurden 2020 leider teilweise völlig veraltete Ansätze gewählt. Die DGS hatte darauf bereits 2019 in einer Stellungnahme hingewiesen (2).
Bisher orientiert sich das Gebäudeenergiegesetz und somit auch eine mögliche Förderung an zwei Fragen: Wie hoch ist der Jahresprimärenergiebedarf (Qp) eines Gebäudes, also die ökologische Qualität der Anlagentechnik? Und wie hoch ist der Transmissionswärmeverlust (H´t) der Gebäudehülle? Beide Werte werden ins Verhältnis gesetzt zu einem sogenannten Referenzgebäude, dessen Eckdaten im Gebäudeenergiegesetz (GEG) festgesetzt sind. Je weniger Energie ein Gebäude im Vergleich dazu verbraucht, desto besser. EH 55 bedeutet damit, dass der Qp 45% niedriger als der Referenzwert ist.
Soweit so gut. Aber was dabei bislang immer unberücksichtigt bleibt, sind die Treibhausgasemissionen (THG) durch die Herstellung der Baustoffe, den Bau selbst und die Entsorgung der Abfälle. Diese Punkte müssen in einem neuen GEG und damit auch neuen, nachhaltigen Förderprogrammen am besten über Kennzahlen (z.B. geförderter Euro / eingesparte kg THG) berücksichtigt werden. Denn nur so kann neben dem Umbau zu einer nachhaltigen Produktion die dringend benötigte flächendeckende ökologische Sanierung von Gebäuden für Investoren wieder attraktiver werden.
Der Politik ist zu wünschen, dass sie bei der notwendigen Wärmewende die Marktkenntnisse der Praktiker in ihre Entscheidungsprozesse wieder einbindet. Zumindest 2016 war dies über die KfW der Fall, beispielsweise als der Fachausschuss Energieberatung maßgeblich an der Erstellung der Studie „Förderstrategie 2020“ des damaligen BMWi unter Sigmar Gabriel beteiligt war.
Es bleibt also spannend.
* Vorsitzender Fachausschuss Ressourceneffizienz: Gunnar Böttger (energieeffizienz(at)dgs.de), Vorsitzender Fachausschuss Energieberatung: Heinz Pluszynski (faeb(at)dgs.de), Vorsitzender Fachausschuss Nachhaltiges Bauen: Hinrich Reyelts (fanb(at)dgs.de).
Die verschiedenen Fachausschüsse vertreten thematisch die knapp 3.000 Mitglieder der gemeinnützigen Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), dem ältesten und größten technisch-wissenschaftlichen Verband Deutschlands zum Thema Sonnenenergie und rationelle Energieverwendung. Wir verstehen uns als unabhängig beratender Mittler zwischen Wissenschaft, Politik, Herstellern, Handwerk und Anwender.
______________
(1) Universität Stuttgart, Institut für Systemtechnik, SFB 1244
(2) Stellungnahme der DGS zum „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude“ (Referentenentwurf des BMWi und BMI in der Fassung vom 28.05.2019)