12.05.2023
Augen auf beim Umbau der Wärmeversorgung
Ein Veranstaltungsbericht von Matthias Hüttmann
Für das 33. Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme ging es vom 9. bis 11. Mai wieder mal ins Kloster Banz. Die hochwertige Veranstaltung stand ganz im Zeichen der sich rasant ändernden politischen Rahmenbedingungen. Etwa 200 Teilnehmer:innen waren gekommen, mehr als im Vorjahr; das Spektrum der behandelten Themen war breiter denn zuvor und die Durchmischung der Technologien hat erneut zugenommen.
Die Dekarbonisierung der Wärmesektors ist im vollen Gang, oder besser gesagt, nach Jahrzehnten des öffentlichen Desinteresses ist die Wärmeversorgung plötzlich in den Vordergrund gerückt. Auch wenn das nicht immer im positiven Sinn passiert. Denn, das hob der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V., Carsten Körnig, hervor, läuft gerade eine massive Medienkampagne der Springerpresse, die die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums als „Heizungshammer“ zu diskreditieren versucht. Und auch wenn die Gasbranche die Regierungspläne wohl als „Kriegserklärung“ empfindet, so Körnig, ist das Ende von Öl und Gas offensichtlich Konsens. Dennoch hielt sich die Begeisterung für den aktuellen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Grenzen, da die nicht stromgeführte Wärmeversorgung nach wie vor zu wenig im politischen Horizont auszumachen ist. Zwar ist im aktuellen Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) die Solarthermie mittlerweile auch als eine Erfüllungsoption aufgeführt, von einer erneuerbaren Technologieoffenheit kann, so die übereinstimmende Meinung, keine Rede sein. Noch immer ist die etablierte solare Wärme im GEG verzichtbar und kompliziert. Der Freibrief für die Wärmepumpe, die via Definition regenerativ ist, steht dabei im klaren Gegensatz zu den geforderten aufwändigen Nachweisen für die Schwestertechnologie. Solarthermie muss ihre Tauglichkeit gemäß DIN V 18599 belegen, um die 65-%-Vorgabe erfüllen zu können. Dagegen wird Wärmepumpen bekanntlich, fernab der Realität, pauschal unterstellt, mittels grünen Stroms Wärme bereitzustellen. Achtung: Es geht den Expert:innen nicht darum, die Wärmepumpe schlecht zu reden, ganz im Gegenteil, sie muss künftig eine zentrale Rolle spielen. Es wird vielmehr die fehlende Gleichberechtigung kritisiert und zu das zu geringe Verständnis dafür, dass Solarthermie durchaus kurzfristig, auch ohne EE-Stromausbau, bereits substantielle Beiträge liefern kann. So warnen viele davor, jetzt schon alles auf die All-electric-Karte zu setzen. Der Gaskrise könnte dadurch allzu schnell eine Stromkrise folgen, denn der Zubau von EE-Strom muss schneller voran gehen, als die attestierte rasante Zunahme beim Strombedarf.
Das eine tun, aber das andere nicht lassen, ist hier die bessere Strategie. Wie eine solches Sowohl-Als-Auch ganz pragmatisch aussehen kann, zeigen die PVT-Kollektoren (Photovoltaisch-Thermischer Kollektor). Diese sind alles andere als neu, erhalten aber in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit. Denn so ein PVT-System kann beispielsweise der Sole-Wärmepumpe entscheidend helfen, indem es ihr etwa als alleinige Wärmequelle dient. Auch wenn eine PVT-Anlage - genauso wenig wie die reinrassige PV auf dem Dach - eine Wärmepumpe in Zeiten niedriger Außentemperatur autark mit Betriebsstrom versorgen kann, so hilft sie doch, beispielsweise durch Vorwärmung der Wärmequelle, Stromspitzen deutlich zu reduzieren. Letztendlich ist ein solches Kombisystem also netzdienlich. Das zeigt, wie eminent wichtig ein Systemdenken beim Umbau der Wärme ist. Wird nur an den Austausch der fossilen Brennstoffe gedacht, sind Kapazitätsgrenzen sicher schneller erreicht, als vielfach angenommen. Schließlich sind die Stromspitzen eine entscheidende Größe beim Netzausbau. Ebenso sollte mit der Annahme, dass den produzierten EE-Strom immer irgendjemand brauchen kann, ein wenig aufgeräumt werden. Bei der Wärme war das schon immer anders, dort wurde der Blick stets auf die genutzte Wärme geworfen. Transferiert auf die solare Stromproduktion und -nutzung bedeutet das, dass beispielsweise auch über steilere Solarmodulausrichtungen im Winter oder über leistungsabhängige Stromtarife nachgedacht werden könnte. Apropos PVT-Systeme mit Wärmepumpe: sie können etwa im innerstädtischen Gebäudebestand sehr hilfreich sein. Dort können Erdreichwärmepumpen kaum zur Anwendung kommen und die Geräuschentwicklung konventioneller Luftwärmepumpen ist oftmals problematisch.
Blind für die Wärme
Aber zurück zur solaren Wärme. Es bedarf dringend einer Solarthermie-Strategie und eines Solarthermie-Gipfels. In einem „Kamingespräch“ am zweiten Abend wurde das mehrfach betont. Dazu diskutierten auf der Bühne im schmucken Kaisersaal, kompetent und fordernd moderiert von Bärbel Epp: Agnes Fecher-Brancher (Bundesministerium für Klimaschutz, Österreich), Moritz Ritter (Ritter Energie, BSW) und Dr. Harald Drück (IGTE Stuttgart). Live zugeschaltet waren noch Dr. Alexander Renner (BMWK, in Vertretung von Christian Maaß) und Robert Kanduth (Greenonetec).
Zunächst hörte sich das durchaus harmonisch an, was etwa der Referatsleiter in der Abteilung II – Wärme, Wasserstoff und Effizienz im BMWK so äußerte. „Solarthermie wird ihre Rolle beibehalten, wenn nicht sogar stärken“. Dann kam aber schon gleich eine Einschränkung mit „wenn man versteht, dass sie nur eine Teillösung ist“. Etwas Gegenteiliges wurde zwar nirgends behauptet, das machte hellhörig. In weiteren Sätzen fielen dann alsbald Begriffe wie „Ergänzungstechnologie“ und „anteilige Energie“. Im weiteren Gespräch wurde schnell klar, dass das BMWK Herrn Dr. Renner für die Branche wenig Konkretes ins Gepäck gelegt hatte. So sagte er beispielsweise in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des GEG, dass dieses jetzt im parlamentarischen Prozess angekommen und das Ministerium nicht mehr Herr des Verfahrens sei. Auch wenn er sich offensichtlich eifrig Notizen für seinen Chef machte, der im letzten Jahr live zugeschaltet war, hielt sich der Optimismus der Solarthermie-Protagonisten im Rahmen. Ob die vielen Bitten und Vorschläge, die ihm der Solarunternehmer Moritz Ritter und auch Harald Drück mitgaben, in Berlin tatsächlich auf offene Ohren stoßen werden, ist durchaus fraglich. Ein Beispiel: die fehlende Flächenprivilegierung für die Solarwärme. Diese ist bekanntlich sehr problematisch und grundsätzlich diskriminierend. Unter anderem wird eine Flächenprivilegierung in der geplanten kommunalen Wärmeplanung dringend benötigt und ist umso notwendiger, da die Planung solarer Freiflächenanlagen wesentlich zeitintensiver ist als etwa der Bau einer entsprechenden Solarstromanlage. Die Antwort des Ministeriums: Hier ist das Bauministerium zuständig, Punkt. Was die steuerliche Ungleichbehandlung von Solarthermie und Photovoltaik angeht: Hier ist das Finanzministerium zuständig.
In Österreich, dem „Land der solaren Prozess- und Nahwärme“, sieht es leider auch nicht viel besser aus. Das dort geplante Erneuerbare Wärmegesetz wird aktuell ebenso im parlamentarischen Verfahren zermahlen und droht zu verwässern, was Robert Kanduth zu der Aussage verleitete, dass die dortige Politik nur Augen für den Strom hat und für die Wärme blind ist. Aber immerhin läuft eine wirksame Kampagne, die zunächst als „Raus aus Öl“ startete und mittlerweile in „Raus aus Öl und Gas“ umbenannt wurde. Agnes Fecher-Brancher musste jedoch eingestehen, dass es für den angestrebten Kesseltausch, 2040 soll der letzte Gaskessel verschwinden, einen „riesen Widerstand“ und „wenig Verständnis in der Bevölkerung“ gibt.
Fazit
Viele Beiträge auf dem Symposium, bei denen Solarthermie keine oder nur eine Nebenrolle spielte, sind vielleicht ungewohnt, aber kein Problem, ganz im Gegenteil. Innovative Wärmesysteme müssen nicht zwingend mit Solarthermie realisiert werden. Wer im Umkehrschluss glaubt, dass die Wärmewende ohne Solarthermie auskommt, ist jedoch sicherlich auf dem Holzweg. Das zeigen die zahlreichen Projekte und Entwicklungen wie Fundamentspeicher, Bauteilaktivierung, Anergienetze, Eisspeicher-Anlagen mit Sonnen-Luft-Kollektoren oder auch ein Solarreaktorkonzept, bei dem eine photo-elektrochemische Zelle in eine konzentrierende Solarkollektorröhre integriert ist. Ein nach wie vor sehr gutes Argument für die Konkurrenzfähigkeit der großen Solarwärme ist im Übrigen ihr deutlich geringerer Flächenbedarf. Denn der Verbrauch von Fläche ist ein wichtiger Aspekt, er trägt ganz entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende bei.
Fortsetzung folgt: Das 34. Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme findet vom 14. bis 16. Mai statt.