07.10.2022
Konsequenter Klimaschutz oder halbherziger Verzicht?
Ein Kommentar von Jörg Sutter
In dieser Woche hat Bundeswirtschaftsminister Habeck gemeinsam mit NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und dem RWE-Chef Markus Krebber ein Vorziehen des Kohleausstiegs von RWE auf das Jahr 2030 vorgestellt.
Gemäß dem bisherigen Ausstieg aus der Kohleverbrennung hätten zum Jahresende zwei 600 MW-Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen, diese Abschaltung wird nun auf 2024 verschoben, um den möglichen Stromengpass in den kommenden zwei Wintern zu entschärfen. Parallel dazu wird das Ende der Kohleverstromung mit drei Kraftwerken (insgesamt 3 x 1.000 MW Kraftwerksleistung) von 2038 auf 2030 vorgezogen.
Die Pressekonferenz, in der diese neue Vereinbarung zwischen Politik und dem größten Braunkohlekonzern vorgestellt wurde, machte zugleich deutlich, dass RWE das Feld nicht ohne Forderungen verlässt: Markus Krebber nannte hier gute Rahmenbedingungen für den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien und Klarheit über den Ausbau des Wasserstoffnetzes. RWE möchte hier Investitionen in wasserstofffähige Gaskraftwerke treffen. Gleichzeitig will RWE im rheinischen Revier bis Ende 2030 ein Gigawatt an Wind- und Solarleistung aufbauen und dafür vor allem seine bisherigen Tagebauflächen nutzen.
Zu dieser Vereinbarung aus dem Habeck-Ministerium, gemeinsam mit dem Land NRW und RWE, hätte eigentlich ein starken Beifall aus dem Lager der Klimaschützer erwartet werden können, vor allem von allen Kritikern, die damals die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung festgelegte Formulierung „idealerweise“ abgelehnt haben: „Wir schaffen ein Regelwerk, das den Weg frei macht für Innovationen und Maßnahmen, um Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen. Wir bringen neues Tempo in die Energiewende, indem wir Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus dem Weg räumen. Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen und die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen“ (Auszug Koalitionsvertrag Bundesregierung).
Die Kritiker entzürnt heute vor allem, dass der Ort Lützerath, der von den Bewohnern verlassen wurde, von Klimaschützern aber als Symbol besetzt ist, trotzdem abgebaggert werden soll, obwohl Studien in den vergangenen Monaten gezeigt haben, dass die unter dem Ort liegenden Kohlemengen nicht gebraucht werden und das Dorf erhalten werden könnte.
Zweiter Kritikpunkt: Mit der Vereinbarung ist Deutschland noch immer nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad, weil auch durch den Weiterbetrieb und eine eventuelle Sicherheitsbereitschaft weit mehr Kohle verbrannt wird bzw. werden könnte, als nach dem uns zustehendem Budget erlaubt. Zu dieser Budgetbetrachtung möchte ich gerne auf einen Beitrag in den DGS-News von letzter Woche verweisen.
Wie bewerte ich diese Vereinbarung? Erst einmal positiv. Minister Habeck, der aktuell so viele Baustellen gleichzeitig bearbeiten muss, versucht die aktuelle Krise abzufedern und bleibt trotzdem der ersten Priorität des Klimaschutzes treu. Nicht jeder Minister anderer Parteien hätte das in dieser Konsequenz so verfolgt. Gleichzeitig muss er sich auf harsche Kritik einstellen, vor allem bei Grünen und Klimaschützern, die nach der Verlängerung der zwei AKW-Laufzeiten und den LNG-Importen nun damit eine weitere große Kröte schlucken müssen. Deshalb von meiner Seite: Hut ab für die aktuelle Entscheidung, die natürlich nicht optimal ist und auch Kritik ertragen muss und wird. Schade, dass Minister Habeck aktuell nicht mehr Zeit hat, der Öffentlichkeit seine Entscheidungen ausführlich zu erläutern. Es hätte es sicherlich geschafft, klarzumachen, dass die aktuelle Krise einfach zu groß für Symbolpolitik ist und das große Ziel der CO2-freien Energieversorgung weiterhin bestehen bleibt.
Und er hätte auch nochmals erklären können, dass im politischen Geschäft oft Kröten geschluckt werden müssen, um Entscheidungen als Kompromisse überhaupt umsetzen zu können.