26.11.2021
Klimaschutz und mehr
Ein Kommentar von Christfried Lenz
Das gepriesene Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für mehr Klimaschutz bewirkt einstweilen nicht mehr Klimaschutz, sondern lediglich weitere Klagen für selbigen. Gegen fünf Landesregierungen hat die Deutsche Umwelthilfe sie eingereicht.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) hat sich den Bundesverkehrswegeplan vorgenommen. Ein von ihm beauftragtes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis: „dass sowohl der Fernstraßenbedarfsplan (Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz vom 23.12.2016) als auch der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 die EU-rechtlichen Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung nicht erfüllen. Darüber hinaus beachten die Pläne die Belange des Klimaschutzes nicht entsprechend des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23.04.2021 und sind deshalb unions- und verfassungsrechtswidrig.“
Auf das Tun hat dies bislang aber keinen Einfluss. Der Region „Altmark“ in Sachsen-Anhalt wird bis 2050 eine Versteppung prognostiziert. In den Dürresommern 2018 und 2019 sank das Grundwasser auf einen Tiefstand, von dem es sich auch in den etwas regenreicheren Jahren danach nicht erholt hat. Den Bundesverkehrsminister Scheuer hielt das aber nicht davon ab, den Bau eines Teilstücks der A 14 zu eröffnen, dem große Flächen belebten Bodens mir Biotopen und noch gesunden Wäldern in der Altmark zum Opfer fallen sollen.
Gegen das Vorhaben kämpft das „Bündnis Verkehrswende Elbe-Altmark“. An vorderster Front stehen junge Menschen, die Bäume im Seehausener Forst, durch den die Trasse verlaufen soll, besetzt haben. Seit Monaten halten sie in ihrem Dorf aus Baumhäusern die Wacht. Ihre Intentionen gehen über die Verhinderung eines schädlichen Bauprojektes weit hinaus. Sie demonstrieren, dass der Lebensstil, der sich in der „Normalgesellschaft“ herausgebildet hat, alles andere als „alternativlos“ ist. Auch bei Temperaturen von 10 Grad und darunter lässt es sich in den schwingenden Baumwipfeln gut leben – und intensiver als in zivilisatorischen Strukturen, in denen alles bis ins Kleinste geregelt und vorgegeben ist!
Der Energiebedarf ist minimal. Ein paar Solarmodule laden Laptop und Handy. Wenn es im Winter richtig kalt wird, werden sie zusammenrücken und auch ein paar Öfen in Gang setzen.
Sicher ist das alles kein „Modell“ für die derzeitige Gesamtgesellschaft. Es ist aber auch gut vorstellbar, dass es in der Zukunft ein „Modell“ sowieso nicht mehr geben wird. Allemal wer heute jung ist, wird erleben, wie die Klimaerhitzung bestehende Strukturen hinwegfegt. Welche Formen neu entstehen, wird sich zeigen.
Das Schlüsselwort der Baumbewohner lautet: Autarkie! Dezentrale Einheiten, die sich mit Nahrung, Sonnenenergie und vielem Weiteren selbständig versorgen. In Form der „Solidarischen Landwirtschaft“ existieren bereits solche Ansätze. Die Stimmung im Besetzerdorf ist lebendig und lebensfroh. Besucher kommen, um sich einen Einblick in diese andere – und ihnen gleichwohl irgendwie nicht fremde – Welt zu verschaffen.
Gegenwärtig gilt ein Gerichtsbeschluss, wonach die Aktion rechtens ist. Wird aber ein Tag kommen, wo dann doch die Motorsägen anrücken, um dem Wald, dem Klimaschutz, den Baumhäusern – und vielleicht sogar Bewohnern – ein Ende zu bereiten? Im Hambacher Wald gab es bekanntlich einen Todesfall.
"WE HATE ALL POLITICIANS" teilen die Waldbesetzer an ihrem Zentralbau mit. Vielleicht lassen sich einige Politiker gerade dadurch dazu provozieren, den Kampf gegen die Umsetzung des völlig aus der Zeit gefallenen Bundesverkehrswegeplans aktiv zu unterstützen? „Wir werden auf Basis neuer Kriterien einen neuen Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 auf den Weg bringen.“ steht sogar im Vertrag der Ampel-Koalition.