19.11.2021
Aspekte der Stromspeichertechnik
Ein virtueller Kongressbesuch von Jörg Sutter
In dieser Woche fand virtuell zum fünften Mal die sonst bei der Messe Offenburg in Baden-Württemberg beheimatete Kongressmesse „Storenergy“ statt. 36 Referenten in zwei Konferenzräumen stellten aktuelle Aspekte zur Energiespeicherung vor. Marco Steffens, Oberbürgermeister der Stadt Offenburg betonte in seinem Grußwort: „Energiespeicher sind entscheidend für die weitere Verbreitung von Erneuerbaren Energien in Deutschland. Speicher sind die zweite Säule zur Bekämpfung des Klimawandels“. Die Aufgabe ist für Steffens klar: „Wir brauchen passende Energiespeicher, um das volle Potential von Windkraft und Solarenergie nutzen zu können“.
Neben der Batterie- und Speichertechnik wurde im Kongress ein Schwerpunkt auf den Wasserstoff gelegt, dies soll aber an dieser Stelle nicht weiter beleuchtet werden. Wir betrachten an dieser Stelle drei Schlaglichter des ersten Kongresstags.
Wärmespeicherung für die Sektorenkopplung
In ihrem Beitrag stellte Rabea Dluhosch vom Solar-Institut Jülich das Speicherkonzept multiTESS vor.
Dabei handelt es sich um ein Speicherkonzept für einen Hochtemperaturwärmespeicher, der zur Flexibilisierung und für die großtechnische Sektorenkopplung eingesetzt werden könnte. Das Projekt ist auch hier beschrieben.
Der Speicher nutzt Strom als Ausgangsenergie, diese könnte zukünftig aus überschüssiger Erneuerbarer Energie stammen. Dieser Strom wird dann mittels einer Stromheizung in Wärme umgewandelt, die Zieltemperatur liegt bei 1.000 °C. Auf diesem Temperaturniveau wird dann Wärme gespeichert, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt entweder der Wärmenutzung zugeführt oder wieder rückverstromt werden kann. Der Vorteil der Stromheizung ist, dass diese mit sehr kurzer Reaktionszeit anspringt, der Speicher kann also sehr flexibel eingesetzt werden und auch ein kurzfristiges Stromüberangebot aufnehmen. Parallel zur Stromheizung ist es auch möglich Wärme aus einem Industrieprozess oder Wärme aus synthetischen Gasen einzusetzen. Für die Rückverstromung gibt es ebenfalls mehrere Möglichkeiten, entweder mit einer Gasturbine oder auch einem Sterlingmotor oder einer Kaskade beider Techniken.
Im Brainergy Park in Jülich wurde nun eine erste Speicheranlage nach diesem Konzept aufgebaut und bis Oktober 2021 getestet und ausgewertet. Die elektrische Heizeinheit hat eine Leistung von 360 kW, der Hochtemperaturspeicher ist mit Keramikwabensteinen ausgestattet und schafft ein Speichervolumen von 1,4 MWh bei 1.000 Grad Celsius als Speichertemperatur. Die Ausspeichereinheit ist zweistufig mit Sterlingmotor und ORC-Einheit bestückt und schafft eine elektrische Ausspeicherleistung von 60 kW. Auf Nachfrage wurde der Wirkungsgrad im Pfad von Strom über Wärmespeicherung zu Strom zurück mit nur rund 17 % angegeben. Besser sieht das aus, wenn auch Wärme genutzt wird, dann kann aktuell ein Wert von 80 % (Strom+Wärme) erreicht werden, doch auch das kann laut Frau Dluhosch noch gesteigert werden.
Das Projekt multiTESS ist nun beendet, doch das Folgeprojekt wurde schon gestartet: TESS KWK hat eine Laufzeit bis 2024. Hier soll eine Weiterentwicklung für kommunale Wärmenetze vorgenommen werden. Gemeinsam mit den Stadtwerken Jülich wird im späteren Projektverlauf eine Demoanlage mit Fernwärmeanschluss realisiert werden. Auch will man die konkrete Marktfähigkeit dieser Technik analysieren.
Gegen die Alterung von Batterien
Prof. Wolfgang Bessler von der Hochschule Offenburg berichtete in seiner Keynote von der Alterung der Batterien und von Möglichkeiten, diese zu vermeiden bzw. zu vermindern. Wie schnell altert eine Li-Ionen-Batterie? Angesetzt werden im PV-Bereich 250 Vollzyklen pro Jahr. Bessler berichtete von seiner Privatanlage, die schon nach vier (statt vorausgesagten 24 Jahren) eine Alterung in Höhe eines Kapazitätsverlust von 20 % zu verbuchen hatte. In einem Forschungsprojekt an der Hochschule wurden zwei Speichersysteme mit Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien untersucht, bei denen einmal die Zellen seriell, einmal parallel zusammengeschaltet wurden. Über drei Jahre Betriebszeit mit insgesamt 850 Zyklen wurden die Batterien betrieben – mit analogem Resultat: Verlust der Speicherfähigkeit nach drei Jahren schon rund 20%, dabei war nur eine minimale Unterscheidung zwischen serieller und paralleler Verschaltung der Batteriezellen sichtbar.
Doch warum altern die Batterien? Schon seit 20 Jahren wird das erforscht. Drei Faktoren sind fafür verantwortlich: Erstens das Lade- und Entladeverhalten (Zyklierung), zweitens die Temperatur des Batteriesystems und drittens die Verschaltung der einzelnen Batteriezellen.
Zyklierung: Die Alterung einer Batterie wird deutlich reduziert, wenn die Batterie bei der Nutzung nicht vollständig be- und entladen, sondern nur ein Teil der Speicherkapazität genutzt wird. Das wird bei E-Autos so schon durch die Software realisiert, indem diese dem Fahrer nie die ganze physikalische Batteriekapazität zum Fahren zur Verfügung stellt.
Temperatur: Die Temperatur hat auch eine gewaltige Einwirkung, sowohl zu kalt als auch zu warm schadet der Batterie und lässt die Kapazität im Laufe der Zeit absinken. Üblicherweise wird daher ein Heimspeicher im Keller aufgestellt, bei moderaten und nahezu konstanten Temperaturbedingungen.
Verschaltung: Die serielle Verschaltung von Batteriezellen hat auch einen Alterungseinfluss: Durch die unterschiedliche Qualität der Batteriezellen führt es über die Laufzeit dazu, dass die schlechteste Zelle des Systems die Gesamtkapazität der Batterie bestimmt. Dann wird viel Kapazität dadurch verschenkt, dass die anderen Zellen nicht mehr optimal gefüllt und entladen werden können.
Im konkreten Untersuchungsobjekt an der Hochschule konnte die Temperatur als Hauptursache für den Kapazitätsverlust identifiziert werden: Die zu hohe Wärme war für die starke Alterung der Batterie verantwortlich, denn der Batterieraum hatte sich im Sommer teils bis zu 40 °C aufgeheizt. Ein weiteres Indiz: Die Zellen im Batteriepack, die außen im Pack liegen, altern langsamer. Die Batterien im Inneren des Packs, die ihre Wärme schlechter abführen können, altern messbar schneller. Die Lösung in diesem Fall heißt zum einen: Ein möglichst kühler Batterieraum, der ein Aufheizen der Zellen vermeidet, eine nicht vollständige Ladung und der Einsatz einer Regelung, die die Ladesteuerung hinsichtlich der Alterungseffekte optimiert.
Die Alterung ist für Akkus im Elektrofahrzeug übrigens kaum relevant, denn dort wird der Akku nicht über Jahrzehnte in Einsatz genommen, gleichzeitig schont die Steuerung den Akku. Außerdem sind mit nur wenigen Hundert Vollzyklen beim Fahrzeug schon Laufleistungen von 200.000 km möglich. Die Zyklenbelastung ist also deutlich kleiner als bei Heimspeicheranwendungen, wo pro Jahr 250 Vollzyklen angesetzt werden. Sicherheitsrelevant kann das aber werden, wenn die Speicherbatterien aus dem Fahrzeugbereich in die 2nd-life-Verwendung gehen und z.B. nach Ausbau aus dem Fahrzeug in einem stationären Speicher eingesetzt werden.
Stromgestehungskosten für PV-Batteriesysteme
Dr. Verena Fluri aus der Gruppe Energiesysteme und Energiewirtschaft beim Fraunhofer ISE aus Freiburg hat die aktuelle Studie des Instituts zu Stromgestehungskosten vorgestellt. Seit 2010 werden die Stromgestehungskosten regelmäßig untersucht, Erneuerbare Energien sind seither natürlich viel günstiger geworden. Die aktuelle Studie wurde im Juni dieses Jahres veröffentlicht.
Wie kommt man nun zu einer konkreten Zahl in Cent pro kWh als Maß der Stromgestehungskosten? Man betrachtet die gesamten Kosten, also Investition und laufende Betriebskosten, und setzt diese Summe ins Verhältnis zu der in der angesetzten Laufzeit erzeugten Strommenge. Dann werden diese Stromgestehungskosten noch diskontiert auf den Zeitpunkt der Investition, um auch bei verschiedenen Kraftwerk-Laufzeiten vergleichbar zu sein. Bei diesem Verfahren wird deutlich: Bei konventionellen Energien fallen niedrige Anfangsinvestitionen in Kraftwerke an, dafür muss jährlich in Brennstoff investiert werden. Bei regenerativen Energien dagegen steht eine hohe Anfangsinvestition sehr geringen laufenden Kosten gegenüber.
Bei der Kombination von PV mit Batteriespeicher muss berücksichtigt werden, dass die Stromgestehungskosten hier auch stark von der Größe der Batterie beeinflusst sind. Für kleine Systeme (also bis 30 kWp PV-Anlagenleistung bei Dachanlagen) wird in der Studie des ISE ein 1:1-Verhältnis unterstellt, also eine Auslegung des Batteriespeichers von 1 kWh pro 1 kWp PV-Modulleistung. Die Lebensdauer, die sich auch entscheidend auf die Gestehungskosten auswirkt, wird mit 30 Jahren für die PV-Anlage und mit 15 Jahren für das Batteriesystem angesetzt.
In der Gesamtdarstellung ergibt sich gemäß Bild 3: Bei kleinen PV-Systemen (bis 30 kWp, ohne Speicher) sieht man eine Bandbreite von Stromgestehungskosten zwischen 6 und 11 Eurocent pro kWh. PV-Batteriesysteme sind aufgrund der Investitionskosten in den Speicher teurer, daher steigen auch die Stromgestehungskosten dort auf rund 8 bis 20 Cent/kWh im kleinen Anlagensegment. Die große Balkenhöhe ergibt sich vor allem durch eine hohe Preisspanne bei den Batteriespeichern.
Spannend dabei ist auch noch ein Blick auf den Vergleich mit konventionellen Kraftwerken: Potentielle Neubaukraftwerke mit Brennstoffversorgung (rechts in Bild 3) kommen nicht unter Stromgestehungskosten von 7,5 Cent/kWh. PV ist damit heute deutlich günstiger als der Strom aus vermeintlich billigen Gas- und Kohlekraftwerken.
In diesem Zusammenhang wird von der Referentin auch auf eine Ausarbeitung von JRC verwiesen, nach der mit einer kommenden Halbierung der Speicherkosten bei Heimspeichern bis zum Jahr 2040 gerechnet werden kann. Laut Frau Fluri war die Preissenkung zwar in den letzten 10 Jahren stärker, da dies jedoch der Beginn der Lernkurve war, schwächt sich dieser Effekt wohl in Zukunft etwas ab.
Mit Kosten von maximal 10 Cent pro kWh könnten PV-Batteriesysteme des PV-Freiflächensegmentes in 2040 nach den reinen PV-Systemen (mit rund 5 Cent) die zweitgeringsten Stromgestehungskosten haben. Sie können dann – PV und Batterie gemeinsam betrachtet - gleichzeitig zur kostengünstigsten Energiequelle werden, die auch regelbar ist.
Kleiner Terminhinweis: Die nächste Storenergy findet im kommenden Jahr von 9. bis 10. November 2022 wieder in Offenburg statt, hoffentlich dann wieder in Präsenz, um auch wieder einen persönlichen Austausch zu ermöglichen.