06.08.2021
Aarhus-Konvention: Bundesregierung will Rechtstatus nicht nachbessern
Ein Statusbericht von Heinz Wraneschitz
„Aarhus-Verordnung: Regeln über den Zugang zur Justiz in Umweltfragen sollen aktualisiert werden“: Die Überschrift einer Presseinfo des Rats der EU vom 23. Juli ließ gerade Umweltaktivist*innen in Deutschland aufhorchen.
So berufen sich beispielsweise Gegner der bundesdeutschen Stromnetzausbaupläne auf ihre – wie sie erklären - in der völkerrechtlichen Aarhus-Verordnung verbrieften Rechte. Darüber haben die DGS-News mehrfach berichtet. Doch deutsche Umweltbewegte haben zunächst einmal nichts von der neuen Vereinbarung. Selbst wenn durch diese (Zitat EU-Rat) „sichergestellt werden soll, dass die EU das Übereinkommen über das Recht der Öffentlichkeit auf Überprüfung von Verwaltungsakten uneingeschränkt einhält“.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums (BMU) erklärt nämlich dazu: „Das Verfahren betrifft ausschließlich den Rechtsschutz gegen Entscheidungen von EU-Organen in umweltrechtlichen Angelegenheiten auf EU-Ebene. Es hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsschutzsysteme in den Mitgliedstaaten.“ Das Ministerium sehe deshalb „keine Auswirkungen und Notwendigkeiten für nationale Gesetze“ und nennt konkret solche, die für die Stromnetzplanung gelten.
Im Grundsatz bestätigt Claudia Guske die BMU-Meinung: „Die genannte Einigung bezieht sich in der Tat auf die Kontrolle von EU-Rechtsakten.“ Die stellvertretende deutsche EU-Kommissionssprecherin ergänzt jedoch: Die Kommission habe gleichzeitig mit dem EU-Projekte betreffenden Vorschlag empfohlen, „den Zugang zu nationalen Gerichten in Umweltsachen auch in den Mitgliedstaaten zu verbessern“. Doch diese Entscheidung dürften die jeweiligen Länder selber treffen.
Für Deutschland ergeben sich aus der rechtlich für die Mitgliedstaaten im Übrigen unverbindlichen Mitteilung keine unmittelbaren Konsequenzen“, erklärt der BMU-Sprecher denn auch dazu. Außerdem habe „die EU-Kommission selber zuletzt keine Mängel beim Zugang zu Gerichten in Deutschland festgestellt“ und verweist auf „die >Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik von 2019 – Länderbericht Deutschland<“, auf die auch in besagter EU-Mitteilung von 2020 Bezug genommen worden sei. Fast trotzig erklärt der BMU-Sprecher weiter: „Nach Auffassung der Bundesregierung entspricht unser nationales Rechtsschutzsystem grundsätzlich bereits dem von der EU-Kommission in ihrer Mitteilung dargestellten und mit der Novellierung der Aarhus-Verordnung für die EU-Ebene angestrebten Niveau.“
Das sieht Brigitte Artmann aus Marktredwitz (Oberfranken) völlig anders. Weil EU-Recht auch in den Mitgliedsstaaten gelte, „betrifft es natürlich auch Deutschland. Jetzt müssen europäische und deutsche Gesetze angepasst werden“, fordert die ehrenamtliche Sprecherin der Aarhus Konvention Initiative Konsequenzen. Die EU-Einigung „zeigt ganz deutlich, wie wichtig es ist, für Umweltrecht mit Beschwerdeverfahren vor das Aarhus-Komitee zu gehen“, ergänzt Artmann.
Denn aus verschiedenen Quellen ist zu hören, dass aktuell einige Verfahren beim Aarhus-Komitee anhängig sind. Dabei geht es besonders um den deutschen Stromnetzausbau und andere Infrastrukturprojekte. Deshalb frühzeitig vor hiesige Gerichte zu ziehen, erlaubt die deutsche Umweltgesetzgebung derzeit nicht.
Die Aarhus-Konvention…
… wurde am 25. Juni 1998 von 47 Staaten – darunter alle EU-Mitglieder und Großbritannien – sowie der Europäischen Union in der dänischen Stadt Aarhus unterzeichnet. Das völkerrechtliche Übereinkommen greift vor allem bei Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen: Es regelt den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren sowie den Zugang zu Gerichten.