14.05.2021
E-Boote – die Stille über den Wassern
Ein Bericht von Götz Warnke
Jetzt im Mai, zu Beginn der zweiten Wassersportsaison unter Coronabedingungen, werden wieder überall an den Gewässern die Boote klar gemacht und zu Wasser gelassen. Wenngleich durch die Pandemie die meisten Freizeitboot-Messen bisher ausgefallen sind, so zeigen sich doch wie bei jeder neuen Saison auch neue Trends. Einer davon ist die zunehmende Elektrifizierung der Antriebe. Dieser kommt zwar nicht gleichermaßen zügig in allen Segmenten voran, ist aber überall zu sehen.
Das erste Segment sind die vielen, höchst unterschiedlichen Wasser-Spiel, Spaß- und Sportgeräte. Auch wenn man E-Jetskis, Wasser-Pedelecs, Seascooter für Schnorchler – anders als die Solarrennboote – kaum unter der Rubrik „Boote“ einordnen kann, so zeigen diese Fahrzeuge doch das besondere Potential des E-Motor auf dem Wasser: seine Kompaktheit, seine Antrittsschnelligkeit, seine Zuverlässigkeit. Viele dieser Geräte wären mit einem Fossil-Motor gar nicht darstellbar. Und so beeinflusst ihr zunehmendes Auftauchen auf dem Wasser den Blick der übrigen Skipper auf die Elektromobilität.
Beim nächsten Segment handelt es sich um kleine (Segel-)Boote mit Außenbordmotor. Ein großer Teil dieses Bootsbestandes wird entweder zum Segeln genutzt, wobei der Motor nur beim Verlassen oder Ansteuern des Liegeplatzes zum Einsatz kommt bzw. als Antrieb in Notfällen (plötzliche Flaute) dient. Oder es handelt sich um Angelboote o.ä., wo die Motoren das Anfahren von fischreichen Plätzen erleichtern. In beiden Fällen spielen eher Zuverlässigkeit und Lautlosigkeit eine Rolle, als eine hohe Reichweite, die den E-Antrieb wegen der Akkugrößen teuer macht. Und da viele dieser Boote auf Binnengewässern eingesetzt werden, auf denen Fossil-Motoren wegen der Gewässerverschmutzung verboten sind, bleibt der E-Motor als einzige sinnvolle Alternative.
Auch lässt sich in diesem Wasserfahrzeugbereich der Übergang zur Elektromobilität nahtlos bewerkstelligen, etwa wenn der alte, defekte Verbrennungsmotor eh durch einen neuen Antrieb ersetzt werden muss. Da braucht es kein neues Boot oder größere Umbauten am alten. Zudem gibt es hier mittlerweile eine Vielzahl von E-Motorherstellern wie Torqeedo, ePropulsion, Rhino, ja auch der traditionelle Außenborderhersteller Yamaha. Diese Konkurrenz ist natürlich förderlich für sinkende Kaufpreise. Verwendet werden meist 12-Volt-Systeme.
Im Segment der größeren Segelschiffe (>7,5 m) mit fest eingebauten Motoren (Inboarder) gibt es ebenfalls eine Tendenz zur E-Mobilität. Diese hängt damit zusammen, dass in den letzten Jahrzehnten trotz der betonten Sportlichkeit beim Segeln auch immer mehr Wert auf Komfort gelegt wurde: Kühlschränke, Elektroherde, Navigationselektronik etc. kamen hinzu. Wenn man dann nach einer Tagestour im Hafen mal wieder Landstrom aufnehmen konnte, reichten die Akkus meist aus. Doch wer in einer schönen Bucht für ein paar Tage ankern wollte, hatte ein Problem: er musste von Zeit zu Zeit den Diesel-Motor/-Generator anwerfen, um seine Batterien aufzuladen. Solche in romantischen Buchten vor Anker liegenden Motorer rangieren bei den umliegenden Seglern auf der Beliebtheitsskala irgendwo zwischen Orkanfahrten bei Windstärke 12 und auf keiner Karte verzeichneten Riffen. Deshalb haben sich hier – neben den Wellen- und Schleppgeneratoren, die beim Segeln wie eine Wasserturbine wirken, und die so die Batterien aufladen – immer mehr Microwindturbinen und PV-Module durchgesetzt, die sowohl vor Anker als auch während der Fahrt zuverlässig Strom liefern. So antwortete der britische Einhandsegler Phil Sharp im Interview mit der Zeitschrift YACHT nach seinem dritten Platz in der extrem stürmischen TRANSAT-Regatta 2016, bei der ihm Dieselmotor, Rollfock, Großsegel sowie Hydrogenerator ausfielen, und er mit Wassereinbrüchen zu kämpfen hatte, auf die Frage „Gab es irgendein Teil an Ihrem Boot, das einfach nur funktionierte, wie es sollte?“ mit „Ja, meine Solarpanele. Solarenergie ist die Zukunft!“*
Diese Zuverlässigkeit der elektrischen Technik ebnet natürlich auch den Weg zur elektrischen Motorisierung von Segelschiffen. Neben dem Umbau von bisher fossil motorisierten Fahrzeugen gibt es auch immer mehr Schiffe, bei denen man schon ab Werft zwischen E- und F-Motorisierung wählen kann. Daneben gibt es inzwischen auch einige Seriensegler, die von vornherein auf E-Antrieb ausgelegt sind. Und auch die Spirit 111, mit ihren 34 Metern Länge wohl die größte in Holz gebaute einmastige Segelyacht der Welt, hat außer ihrer Segel nur einen E-Antrieb mit 100 kW Dauerleistung an Bord. Doch die meisten Segelschiffe dieser Größe fahren mit einem 48-Volt-System und Inboardern von 4 bis 20 kW. Die verwendeten Leistungen richten sich dabei auch nach den Anforderungen des Schiffstyps (kleiner Daysailor, Katamaran, große Fahrtenyacht) und des Fahrtgebiets: starke Strömungen in den Tidengewässern der Nordsee erfordern stärkere Motoren als z.B. der Bodensee. Der Trend zum energieautarken Schiff wird sich künftig weiter verstärken, zumal durch die Coronapandemie die quasi virenfreie Freizeitschifffahrt so zugenommen hat, dass in der Ostsee Sportbootliegeplätze kaum noch zu erhalten sind.
Bleibt als letztes und schwierigstes Segment das der großen Motoryachten, wo die Batterien nicht nur die meist opulentere Elektronik versorgen müssen, sondern im Fall des E-Motors auch den ganzen Antrieb. Und während Sport- und Tenderboote trotz ihrer starken E-Motoren für die meist kurzen Strecken noch mit 40-kWh-Akkus problemlos auskommen, bleibt die Energieversorgung für Motoryachten auf mehrtägigen Touren ein Problem. Dabei muss auch hier ein Wandel stattfinden – nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus technischen Gründen: Die meisten F-Motoren sind in großen Stückzahlen hergestellte und daher relativ billige Autodiesel, die für den Bootsantrieb adaptiert wurden. Doch immer mehr Autofirmen fahren die Dieselmotorproduktion zurück oder geben sie ganz auf; andere wie VW arbeiten sogar an der Implementierung des MEB-Baukastens in Solaryachten. Daher geht auch hier der Trend zur Elektrifizierung, und zwar vorerst in Form von Hybridantrieben. Dabei werden meist ein Dieselmotor und ein E-Motor kombiniert, wobei die Akkus der E-Maschine ihren Strom von Solarmodulen vom Deck beziehen. Denn einen Vorteil haben die Motoryachten: große, nicht durch Segel verschattete Decks. Die Hybridyachten sind teilweise Umbauten wie z.B. hier, teilweise aber auch schon Serienmodelle wie die Greenline Yachts oder die Silent-Yachts.
Auch wenn es mit der Aquanima 45 der in Singapur ansässigen Firma Azura Marine mittlerweile einen großen (14 m), ausschließlich solarelektrischen Stahlkatamaran gibt, so sind solche Schiffe bisher exorbitant teuer und nur in Gegenden mit hoher Solareinstrahlung zu verwenden. Doch das kann sich künftig ändern: durch kostengünstigere Batterien, leistungsstärkere PV-Module, zusätzliche Microwindturbinen und Wellenenergiegeneratoren in Häfen, sowie durch Wechselakkusysteme, wie sie für den Straßenverkehr schon vorgeschlagen wurden.
* YACHT 14/2016, S. 91