31.07.2020
Die Arktis erwärmt sich im doppelten Tempo
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Die Arktis erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest des Planeten. Seit Anfang der 1990er Jahre sind vor allem die Winter wärmer geworden. Die Eisdecke der Ozeane in den Polargebieten nimmt einen erheblichen Anteil der gesamten Erdoberfläche ein, je nach Saison zwischen drei und sieben Prozent. Um die Entwicklungen in der Arktis zu erforschen, führen derzeit viele Wissenschaftler Kooperationsprojekte durch.
Die Arktis ist kein Kontinent, sondern ein von Kontinenten umgebenes Meer, das Nordpolarmeer. Auf diesem bis zu 5.500 Meter tiefen Meer schwimmt eine mehrere Meter dicke, saisonale Eisdecke, die sich in ihrer Form seit dem Pleistozän, vor etwa einer Million Jahren ständig neu bildet. Das Eis des Nordpolarmeeres ist über weite Gebiete mehrjährig und bedeckt im Winter fast das gesamte Nordpolarmeer. Die jahreszeitlichen Schwankungen der Meereisausdehnung sind in der Arktis geringer als in der Antarktis. Das Grönländische Eisschild, also das Festlandeis der Arktis, weist eine Ausdehnung von 1,7 Mio. Quadratkilometer und ein Volumen von 2,9 Mio. Kubikmeter auf. Der Nordpolarkreis verläuft überwiegend über Land und schließt sowohl Wälder und Tundra als auch Siedlungen und Industrie mit ein. Heute leben fast vier Mio. Menschen in der Arktis.
Messungen haben ergeben, dass das Meereisvolumen seit Beginn der 1980er Jahre durchschnittlich um mehr als neun Prozent pro Jahrzehnt zurückgegangen ist. Bereits in einem Bericht des Weltklimarates von 2014 wurden wissenschaftliche Erkenntnisse über die Arktis zusammengefasst (1). So hat die durchschnittliche Dicke des arktischen Meereises in den Wintern von 1978 bis 2008 um etwa 1,8 Meter abgenommen, zudem nahm das Gesamtvolumen des arktischen Meereises zu jeder Jahreszeit ab. Der Rückgang der Ausdehnung am Ende des Sommers, im späten September, lag bei 11 Prozent pro Jahrzehnt.
Das Schmelzen beschleunigt sich durch die Absorption von Sonnenstrahlung in Schmelztümpeln und Rinnen (sog. Eis-Albedo-Rückkopplungsprozess). Vergangenes und dieses Jahr erreichten die Temperaturen in der Arktis Höchstwerte. In Sibirien war es heuer im Zeitraum Januar bis Juli fünf Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittelwert. Am 20. Juni wurde im russischen Ort Verkhoyansk ein Rekordwert von 38 Grad Celsius erreicht, wie die Weltorganisation für Meteorologie berichtet. In der Woche vom 19. Juli erreichte die Lufttemperatur erneut Werte oberhalb von 30 Grad Celsius. Auch in Spitzbergen, Norwegen, wurde laut der Tagesschau ein "Spitzenwert" erreicht, mit 21,7 Grad Celsius, „die bislang wärmste Temperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnung“. Das Abschmelzen der Eisdecke hängt nicht nur von den Lufttemperaturen in den unteren Schichten der Atmosphäre, sondern auch von den Wassertemperaturen und Meeresströmungen, ab. Derzeit führen Wissenschaftler mehrere internationale Kooperationsprojekte durch, um Prognosen über die Entwicklung des Meereises in den Polarregionen zu erstellen. Klimamodellierer können mit Messdaten aus dem Feld ihre Modelle testen und weiterentwickeln. Feldforscher erhalten von den Modellierern Hinweise darauf, welche Parameter für das Verständnis des Klimas besonders wichtig sind.
Seit Anfang des Jahres können Interessierte die Arktisexpedition MOSAiC über die Website meereisportal.de verfolgen, bei der Wissenschaftler die Arktis im Jahresverlauf erforschen. Im Einsatz für das Großforschungsprojekt MOSAiC befindet sich der Forschungseisbrecher Polarstern Herbst 2019 im Nordpolarmeer. Er soll ein Jahr lang quer durch die Arktis treiben. In dieser Zeit arbeiten rund 350 Wissenschaftler aus 50 Forschungseinrichtungen in verschiedenen Etappen auf dem Schiff. Sie werden eine große Datenmenge erheben: unter anderem mit Messungen vom Forschungseisbrecher aus, mit Messungen vor Ort auf, im und unter dem Eis, mit Flugzeugüberflügen und mithilfe von Satellitenaufnahmen. Die aktuelle Position des Forschungseisbrechers Polarstern ist ebenfalls online abrufbar.
Eine andere deutliche Veränderung im Arktischen Ozean ist die fortschreitende Ozeanversauerung (Die DGS-News berichteten).
(1): „Klimaänderung 2013: Naturwissenschaftliche Grundlagen. Häufig gestellte Fragen und Antworten – Teil des Beitrags der Arbeitsgruppe I zum Fünften Sachstandbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC)“