29.05.2020
Ein neuer Ansatz mit Wärmepumpenstrom und Endenergie
In einem internen Veranstaltungzyklus zum Thema Wärmewende finden in unregelmäßigen Abständen kleine, DGS-interne Vorträge statt. Dabei sollen aktuelle Fragen aus dem Wärmebereich thematisiert und neu verstoffwechselt werden. Darüber wird in der SONNENENERGIE und in den DGS News berichtet werden. Über eine spätere zusammenfassende Darstellung haben wir noch nicht entschieden.
In der aktuellen SONNENENERGIE 2|2020 finden Sie einen ersten Beitrag von Martin Schnauss, der zum Thema "Sektorenkopplung und Wärmewende, Risiken und Gefahren strombasierten Verkehrs und Wärmekonzepten" am 21. April 2020 gesprochen hatte. In den heutigen DGS News schreiben wir über den zweiten Vortrag, der den Titel "Woher kommt der Strom im Winter?" trägt und von Dr. Rolf-Michael Lüking als Zoom-Meeting am 25. Mai gehalten wurde.
Woher kommt der Strom im Winter?
Von der regenerativen Wärme ist immer mal wieder die Rede, aber sie bleibt nach wie vor ein Stiefkind der Energiewende. Die meisten Aussagen und Feststellungen bewegen sich auf einer oftmals wiederholten, deklamatorischen Ebene, die mehr der Selbstversicherung derjenigen zu gelten scheint, die sich ab und zu an das Thema erinnern, als dass sie neue Ideen liefern. Rolf Michael Lüking ist einer der wenigen Theoretiker, der sich dem Thema von der physikalischen Grundlage her nähert und zukünftige Lösungen "vom Strom her denkt". Seine Leitthese besteht darin, Strom für elektrische Wärmepumpen als Endenergie zum Dreh- und Angel einer neuen Konzeption von Wärmewende zu nehmen.
Dabei scheut er auch nicht davor zurück, klar zu sagen, dass beim gegenwärtigen Stand der Energiewende das Deckungspotenzial der regenerativen Technologien nicht ausreichend ist. Damit erklärt sich auch der provozierende Titel der Veranstaltung. Für Lüking stellt sich dies nicht alleine als quantitatives, sondern als ein qualitatives Problem. Rein regenerativ sei eine Wärmeversorgung aus dem Stand nicht auf die Beine zu stellen. Und ein Umbau, also die Überwindung der fossilen Verbrennungstechnologien, ist mangels wirksamer Konzepte und Geschäftsmodelle auch nicht in Sicht. Wenn dem so ist, schlussfolgert Lücking, müssten neue Konzepte die inhärente Qualität besitzen, die gegenwärtige Dominanz von Erdgas zu überwinden. Sie müssten aber auch in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Physik stehen.
All das treffe auf die elektrische Wärmepumpe zu, die mit geringem Einsatz von Strom als Endenergie ein Mehrfaches an Wärme erzeugen kann. Und deren Potenzial ist ausbaufähig. Eine Eigenschaft, welche für eine Wärmewende als unabdingbar anzusehen ist, gewissermaßen eine Technologie, die in der Lage ist, auf der Überholspur zu fahren. Dazu gehöre aber auch das Eingeständnis, dass ein Verzicht auf thermische Kraftwerke so schnell nicht möglich sein werde, betont Lüking. Dies sei einer Politik von Regierung und Energiewirtschaft geschuldet, welche die Beibehaltung ihrer klimaschädlichen Geschäftsmodelle durchgesetzt habe. Allen Effizienz-, Förder- und Dämmprogrammen zum Trotz sei der Endenergieverbrauch im Wärmebereich in den letzten zwei Jahrzehnten praktisch unverändert geblieben.
Für Lüking ist nicht der Primärenergieverbrauch und dessen Reduzierung die Leitgröße, sondern der Faktor Endenergie. Mit elektrischen Wärmepumpen wirkt eine Effizienzsteigerung bei Strom aus fossilen Kraftwerken ebenso wie beim Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken. "Je konsequenter die Wärmeversorgung von Gebäuden durch den Einsatz elektrischer Wärmepumpen auf Strom als Endenergie umgestellt werde, desto weniger Primärstromleistung werde benötigt", so der Referent. Das wirke sich auf die Defossilisierung aus, aber auch auf die Erzeugungskapazitäten für erneuerbaren Strom, die sich weder blitzschnell steigern, noch in beliebiger Anzahl herstellen lassen.
Auch auf den Ausbaubedarf der Netze habe dies Auswirkungen. "Eine Reduktion des Endenergieverbrauchs durch Elektrifizierung bzw. der Einsatz von Wärmepumpen senkt daher auch den Netzausbaubedarf", stellt Lüking fest. Wenn elektrisch angetriebene Wärmepumpen gegenüber allen Alternativen größere Potenziale aufweisen, um
- die Emissionen zu reduzieren
- zusätzlichen Solar- und Windstrom zu integrieren
- die Importabhängigkeit bei Gas und Öl zu verringern und
- die Versorgungssicherheit zu erhöhen,
so zeichnet sich damit eine klare Gegenposition zur gegenwärtigen Wärmepolitik mit ihrer Fixierung auf Primärenergie, Dämmung und geringer solarer Deckung ab.
Allerdings sind die Möglichkeiten der temporären Kombination von Wärmepumpen mit fossilen Erzeugern bislang auch nur rechnerisch dargestellt. Welche Auswirkungen dies etwa auf die Residuallasten haben würde, muss sich erst noch herausstellen. Aber auch eine signifikante Anhebung der Jahresarbeitszahlen durch erneuerbare Verbundlösungen, etwa mit Solarthermie oder PVT, deren Auswirkungen auf Speicherkapazitäten und die Entwicklung von dezentralen Power-to-X Anwendungen, müssen neu gedacht und erforscht werden. Das dürfte Zeit in Anspruch nehmen. Nicht zu vergessen, mit dem Sonnenhaus existiert ein Konzept, das aus Lükings Sicht aber keine Konkurrenz darstellt.
Auch wenn die Forderung nach einem Ausstieg aus dem Erdgas als politische Forderung zur Verhinderung der Klimakatastrophe nach wie vor richtig sein mag, zeigt Lükings Ansatz, die Wärmeversorgung von Gebäuden neu zu definieren und durch den Einsatz von elektrischen Wärmepumpenstrom die Endenergie in den Mittelpunkt zu stellen, die Hürden auf, vor denen eine Wärmewende steht. Ein "weiter so" mit den bisherigen Konzepten wird eher eine negative Auswirkung zur Folge haben. Mehr Förderung dürfte daran auch nichts Grundlegendes ändern. Die von Lüking aufgezeigte Konzeption von der Theorie in eine ökonomisch erfolgreiche Praxis umzusetzen, ist Herausforderung und Herkulesaufgabe zugleich.
Bei diesem Ansatz wird es nicht ausreichend sein, an Regierung und Politik wie gewohnt Forderungen nach mehr Förderung zu stellen. Es muss vor allem ein Umdenken in der Energiewendecommunity stattfinden. Sonst könnte es passieren, dass regenerative Wärmeanlagen Schönwetter-Technologien bleiben und noch Ewigkeiten auf Erdgas als Backup angewiesen sind. Die Frage, woher kommt der Strom im Winter, könnte dann auch lauten, wann gibt es 100 Prozent Ökostrom auch im Winter. Lükings Ansatz bietet die Chance, das gegenwärtige Konstrukt bei Bafa und Kfw mit Primärenergiefaktoren, Wärmetransmissionsfaktoren und einer Hundertschaft von Haustypen zu kippen und durch einfachere Parameter zu ersetzen, nämlich die der elektrischen Endenergieleistung.
Klaus Oberzig