18.10.2019
Auto-Kraftstoffe (6.): Erneuerbare Energien erfordern Emobilität
Wenn, wie wir gesehen haben, also weder Biokraftstoffe noch PtX (Power to X) noch Wasserstoff das Kraftstoff-Problem im Straßenverkehr, und insbesondere bei Autos/PKWs sinnvoll und nachhaltig lösen können, was bleibt dann noch? Richtig: Emobilität! Diese erobert bei den Fahrrädern (Pedelecs) längst ihren Platz im Straßenverkehr.
Und sie hat erhebliche Vorteile.
Die da wären:
1. Emissionsfreiheit:
Wenngleich wie bei jeder heutigen industriellen Produktion auch bei der Herstellung von E-Fahrzeugen Treibhausgase frei gesetzt werden, so sind doch diese Fahrzeuge vor Ort emissionsfrei. Dies ist besonders wichtig für Ballungszentren, wo sich die meisten Fahrzeuge konzentrieren, da hier die Luftbelastung ohnehin hoch und die Luftzirkulation eingeschränkt ist.
2. E-Antriebe sind lärmfrei:
In Großstädten ist die Wohnbevölkerung durch den Straßenverkehr einer erheblichen Lärmbelästigung ausgesetzt – besonders nachts und besonders an größeren Straßen. Die stammt großteils vom Motorengeräusch der Fossil-Fahrzeuge, das gerade in bestimmten Situationen (Start an Ampeln, Hoch- oder Herunterschalten) nochmals ansteigt. E-Fahrzeuge dagegen sind bis auf die Abrollgeräusche nahezu lärmfrei; ein Schaltgetriebe ist bei den meisten gar nicht eingebaut.
3. E-Antriebe sind effizient:
Sie erreichen Wirkungsgrade von 90% und damit ein Vielfaches der oft im ungünstigen Teillastbereich laufenden Verbrennungsmotoren.
4. E-Mobilität ist sparsam:
Ein E-Auto hat erheblich weniger Teile als ein entsprechendes Fossil-Fahrzeug. Das erspart nicht nur Kosten in der Fertigung, sondern auch bei Reparaturen. Denn für alle Fahrzeuge gilt: nur was nicht drin ist, kann nicht kaputt gehen! E-Fahrzeuge sind nicht so hohen Temperaturschwankungen im Motorraum ausgesetzt wie Verbrenner; das führt zu einem geringeren Verschleiß. Gleiches gilt für die Fähigkeit zur Rekuperation, also die Möglichkeit, mit dem E-Motor zu bremsen und dabei zurück gewonnene Energie wieder in die Akkus einzuspeisen. Das schont nicht nur die mechanischen Bremsen, sondern spart auch Energie – besonders in der Stadt mit dem ständigen Stop-and-go-Verkehr. Daher lässt sich ein kleiner Fünfsitzer wie die Renault ZOE dort durchaus mit unter 12 kWh auf 100 km fahren. Rechnet man den Energiegehalt eines Liters Sprit mit ca. 9 kWh um, so hat man ein echtes 1,3-Liter-Auto.
5. E-Autos sind flächenökonomisch:
Da ein E-Auto weniger Teile (Getriebe, Vergaser etc.) als ein Verbrenner hat, und sich die E-Motoren platzsparend an der Achsen oder sogar als Radnaben-Motoren an den Rädern anbringen lassen, kann man sich lange Kühlerhauben sparen. Wenn der Konstrukteur will, bietet das E-Auto auf kleinerer Grundfläche mehr Platz für die Nutzer. Das kann den Drang zu immer größeren Parkplätzen – z.B. wegen der SUVs – stoppen und den Flächenverbrauch des Straßenverkehrs eindämmen helfen.
6. E-Autos sind klimaangepasst:
Fossil-Fahrzeuge setzen beim Betrieb fünfmal soviel Wärme frei als E-Fahrzeuge. Eine flächendeckende Emobilität könnte in Megastädten wie Peking die Temperatur um rund 1° C senken – bei solchen Hitzeinseln nicht unerheblich. Dazu kommt, dass man bisher versiegelte Flächen wie Parkplätze wieder entsiegeln kann, da E-Autos keine Grundwasser gefährdende Erdölprodukte enthalten. Eine Entsieglung ermöglicht eine stärkere Versickerung von Regenwasser (Starkregen!) und eine größere Verdunstungs-Kühlung der Städte.
7. Ein Ladenetz ist vorhanden:
Ein Ladenetz für E-Fahrzeuge ist bereits bundesweit vorhanden – das deutsche Stromnetz mit seinen Milliarden von Steckdosen. Auch wenn dieses Netz bisher noch nicht alle Parkplätze erreicht (Laternenparker), so befindet es sich in ständigem Ausbau (Laternen mit Steckdosen, Telekom-Verteilerkästen, Ladesäulen beim Arbeitgeber oder im Kaufhaus). Künftig wird es auch vermehrt Autos mit PV geben, die sich während der Stehzeiten selbst aufladen. Und bei den meisten E-Fahrrädern und E-Motorrollern kann man den Akku heraus nehmen und im heimischen Wohnzimmer laden.
8. E-Autos sind sozial:
Die notwendigen, immer strengeren Abgasreinigungstechniken machen Kleinwagen in der Produktion unverhältnismäßig teuer und schmälern so den Gewinn der Autokonzerne. Daher überlegen immer mehr Hersteller, künftig keine Kleinwagen mehr zu produzieren. Eine bedrohliche Entwicklung für nicht so wohlhabende Menschen, die aus körperlichen bzw. Alters-Gründen auf ein Fahrzeug angewiesen sind. E-Autos hingegen brauchen keine teure Abgas-Technik.
9. E-Mobilität fördert Sektorkoppelung:
Zur Verhinderung eines künftigen Klimachaos werden wir unser gesamtes Energiesystem CO2-frei machen müssen; dies wird nur durch die „Sektorkoppelung“ möglich sein. Dabei versorgt man die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr mit Erneuerbaren Energien weitgehend elektrisch und schafft dabei Synergien. E-Autos, die bidirektional laden können, passen hervorragend in dieses System, weil sie ihre Akkus als Speicher zur Verfügung stellen und so u.a. das Stromnetz stabilisieren können.
Nicht verschwiegen werden sollen aber die von Kritikern immer wieder genannten
Emobilitäts-Nachteile. Die hat jedes technische Verfahren neben seinen Vorteilen natürlich immer aufzuweisen; das ist bei der Elektromobilität nicht anders. Doch gerade hier werden angebliche oder tatsächliche Nachteile besonders hervorgehoben bzw. aufgebauscht. Daher sollen die am häufigsten erwähnten Nachteile hier aufgeführt und zugleich kursiv (*) kommentiert werden.
Diese Nachteile sind:
1. "E-Fahrzeuge haben eine zu geringe Reichweite!"
Die tägliche Fahrstrecke eines durchschnittlichen Pendlers in Deutschland liegt bei unter 40 km, was sich in einer fünftägigen Arbeitswoche auf 200 km summiert. Ein kleines E-Auto wie die Renault ZOE schafft auch im tiefsten Winter rund 250 km, was für den Alltagsgebrauch mehr als ausreichend ist. Aber auch eine Langstreckenfahrt lässt sich, etwas Zeit voraus gesetzt, mit einer ZOE gut durchführen. Wer beruflich öfter in der Woche eine Langstrecke absolvieren muss, wird eher bei Tesla fündig: ein Tesla 3 schafft, je nach Akku und Preis, 400-560 km Reichweite.
2. "E-Fahrzeuge haben zu lange Ladezeiten!"
Fahrzeuge sind meist Stehzeuge – während der Arbeitszeit, während der Nacht, am Wochenende. In diesen Zeiträumen spielen Ladezeiten keine Rolle, und eine normale Steckdose reicht für die normale tägliche Fahrstrecke aus. Schnelleres Laden versprechen die Wallboxen von 11 bzw. 22 kW Ladeleistung und mit dem Typ-2-Stecker; hier ist ein 40kWh-Akku in rund 4 bzw. 2 Stunden geladen. Noch schneller geht es, wenn das E-Fahrzeug über einen CCS- oder CHAdeMo-Schnellladestecker (Ladeleistung 50 kW und mehr) verfügt. Hiermit ist mancher Akku schon vor Beendigung des Frühstücks an der Raststätte wieder voll.
3. "Es gibt zu wenige Ladepunkte!"
Wie bereits oben bei den Vorteilen erläutert, gilt dies allenfalls für große und schwere Fahrzeuge mit großen Akkus. Wenn beabsichtigt ist, die deutsche Fahrzeugflotte mit all ihren SUVs 1:1 (d.h. von Fahrzeug-Zahlen und -Gewichten) umzustellen, wird es immer zu wenige Ladepunkte geben. Tesla hat zumindest für ein eigenes, wohl ausreichendes Ladepunkte-Netz gesorgt. Dagegen richten die Audi-Ingenieure, die sich die Emobilität offensichtlich als Fortsetzung der SUV-(Un-)Kultur vorstellen (riesiger, sinnloser Kühler), für Ihren bei der Reichweite relativ kurzatmigen E-Tron nichts dergleichen ein.
4. "E-Autos sind zu teuer!"
E-Autos sind in der Anschaffung noch relativ teuer. Grund dafür ist der Akku, den auch die Autohersteller bisher von Zulieferern teuer einkaufen müssen – man spricht von ca. € 150,-- pro kWh. Mit zunehmender Konkurrenz bei den Zulieferern und Rationalisierungsgewinnen in der Produktion werden auch hier die Preise sinken. Zudem sind bei einem technischen System immer die Gesamtkosten zu betrachten, wozu beim Auto Reparatur-, Treibstoff- und Wartungs-Kosten sowie der Wertverlust gehören. Und da schneiden E-Autos überragend gut ab.
5. "E-Fahrzeuge sind auch nicht völlig CO2-frei!"
Ob ein Fahrzeug CO2-frei ist, hängt von den CO2-Lasten seiner Herstellung und seines Betriebs ab. Fahrzeuge, die z.B. aus Teslas mit Erneuerbaren Energien betriebenen Gigafactory kommen, sind – von den Vorketten der Lithium-Förderung und -Verarbeitung einmal abgesehen – weitgehend CO2-frei. Werden sie dann noch mit Ökostrom aus einem entsprechenden Vertrag oder, noch besser, vom eigenen Dach betrieben, so ist auch der Betrieb praktisch CO2-frei. Je mehr sich die Erneuerbaren Energien im Stromnetz und im Hausnetz durchsetzen, umso „sauberer“ werden selbst die heute schon fahrenden E-Fahrzeuge. Wenn sich Ökostrom auch vermehrt in der Industrie durchsetzt, steigt auch die CO2-Freiheit der künftig produzierten Autos. Fossil-Fahrzeuge bleiben aber auf Grund ihres Betriebs (Verbrennungsmotor) auf ewig „dreckig“.
Das Fazit:
E-Fahrzeuge bieten gegenüber allen anderen Motorisierungs-Techniken erhebliche Vorzüge. Schon aus Klimaschutzgründen wir das Auto von morgen entweder ein E-Auto sein, oder es wird gar nicht mehr sein. Wie das Zufußgehen und das Radfahren bieten zudem E-Fahrzeuge, insbesondere wenn sie mit dem Strom vom eigenen Dach versorgt werden, ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Freiheit von Mineralöl- und Strom-Konzernen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Preiserhöhungen und Streiks. Sie sind eine deutliche Ansage an Konzern-Bosse und einzelne Gewerkschafts-Bonzen: „Meine Räder stehn nicht still, auch wenn Dein starker Arm es will!“
Die komplette Serie
Fossil Fuels for fossil Brains (1): Der Verbrenner in seinem Zeitalter
Fossil Fuels for fossil Brains (2): Gesellschaft, Moden und der SUV
Auto-Kraftstoffe (3): Biokraftstoffe – bei Bio blüht Benzin
Auto-Kraftstoffe (4): Power-to-X– presenting Problems
Auto-Kraftstoffe (5): H2 - hoffnungslos hintenan
Alternative Kraftstoffe (6): Erneuerbare Energien brauchen Emobilität
Auto-Kraftstoffe (7): Die Märchen der Feinde der E-Mobilität
(*): Hinweis: Nicht alle Browser zeigen die Kursivschrift an.