27.09.2019
Fehlentwicklungen der Kraft-Wärme-Kopplung
Sie hatten vom Bundeswirtschafts- und Energieministerium BMWI höchstselbst den Auftrag, zu analysieren: Wie hat sich die „Kraft-Wärme-Kopplung in einem Energiesystem mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien“ entwickelt. Sie: Das waren die Prognos AG als Hauptauftragnehmer, unterstützt vom Fraunhofer-Institut IFAM, dem Öko-Institut e.V, BHKW-Consult und der Stiftung Umweltenergierecht. Am 25. April 2019 haben sie die Studie „Evaluierung der Kraft-Wärme-Kopplung“ (KWK) abgeschlossen; sie basiert auf Zahlen der Jahre 2012 bis 2017. Auf 225 Seiten haben die Autoren ihre Ergebnisse dargestellt, dazu kommen Literaturverzeichnis und Anhänge: Ein ganz schöner Wälzer also.
Doch was steht drin?
Natürlich erst einmal Bekanntes. Denn dass es in dieser Zeit eine Steigerung bei der Stromerzeugung von 103 TWh um 14 Prozent auf 117 TWh gab, und dass die gekoppelte Wärmegewinnung im gleichen Zeitraum um 7 Prozent von 209 auf 226 TWh stieg, ist nicht neu.
Dazu kommen jede Menge Zahlen, Daten, Fakten bis in kleinste Details. So dürfte die Summe von 1,016 Mrd. Euro, die als Förderung aufgrund des „Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung“ (offizielle Abkürzung: KWKG) an die Anlagenbetreiber floss, nur für nicht Eingeweihte beachtlich klingen. Was aber allgemein erstaunen muss: Welch hohe Anteile Braun- und Steinkohle weiterhin an der KWK haben. Und zwar sowohl im öffentlichen als auch im industriellen Sektor.
Aber dass die Planziele für Stromerzeugung in 2020 (110 TWh) und 2025 (120 TWh) „sehr wahrscheinlich erreicht und übererfüllt werden“: Für diese Prognose hätte man anhand der 2017er Zahlen keine hochbezahlten Wissenschaftler beschäftigen müssen, das hätten wohl auch Sechstklässler voraussagen können.
Doch die Schüler wären sicher nicht in der Lage und so mutig gewesen, dem Auftraggeber BMWI klipp und klar zu sagen: „Neben dem KWKG besteht im regulatorischen Umfeld der KWK Anpassungsbedarf. Dies betrifft insbesondere eine angemessene CO2-Bepreisung innerhalb und außerhalb des Emissionshandels sowie ordnungsrechtliche Regelungen im Gebäudebereich hinsichtlich der Energieeffizienz.“
Denn gerade das Regulatorische packen Wirtschaftsminister jeglicher Couleur seit Jahrzehnten nur mit ganz spitzen Fingern an: Die „große“ Energiewirtschaft könnte ja dadurch weniger entgegenkommend sein – zum Beispiel bei Parteiveranstaltungen. Doch genau neue Regularien zu empfehlen, haben sich die Auftragnehmer getraut – Respekt. Aber nur auf den ersten Blick. Denn die regulatorischen Vorschläge der Studienmacher konzentrieren sich auf direkt mit dem KWKG korrespondierende Vorschriften. Dagegen kommt das Wort „Energiewirtschaftsgesetz“ (EnWG) weder in 22 Seiten „Ableitung von Handlungsempfehlungen“ vor, noch im restlichen dicken Band.
Dabei bezeichnen viele, nicht an der Studie beteiligte Fachleute, dieses EnWG als ein im Wesentlichen noch in Nazizeiten entstandenes, starres Kriegsgesetz, das Innovation oft verhindere. Gerade die Netzdienlichkeit von speicherfähiger KWK könnte bei anderen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen voraussichtlich viel besser genutzt werden, als es mit dem aktuellen EnWG möglich ist.
Dennoch - und das steht wieder in der Studie: je nach Annahmen für Referenzwerte ungekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung sparen die KWK-Anlagen hierzulande Jahr für Jahr zwischen 17 und 54 Tonnen CO2 ein. Der Einspareffekt wäre aber um ein Vielfaches höher, wenn die Anlagen nicht mit Kohle, Öl oder Gas, sondern mit regenerativen Kraftstoffen betrieben würden. 2017 wurden mit Braun- und Steinkohle gut 15 (von insgesamt 117) TWh Strom erzeugt – am Anfang des Betrachtungszeitraums waren es etwa 18 TWh Kohlestrom bei aber lediglich 103 TWh Gesamterzeugung.
Was aber auch Laien auffallen dürfte: die starke Schwankung bei den Installationszahlen. So wurden beispielsweise in den Jahren 2013 und 2015 jeweils unter 1.400 MW elektrischer KWK-Leistung installiert, in den Jahren 2014 und 2016 dagegen je 1.800 MW. Berücksichtigt sind dabei nur Anlagen größer 50 MW. Noch stärker schwankt die Zahl installierter Anlagen insgesamt: 2014 wurden 7.553 KWK-Systeme jeglicher Größenordnung in Betrieb genommen, im Folgejahr 2015 dagegen lediglich 5.360, also fast ein Drittel weniger. Das zeigt auf den ersten Blick die Abhängigkeit der KWK von der jeweiligen politischen Festlegung mehr als eindeutig auf. Und die Studie bestätigt solche Eindrücke auch schriftlich.
Fazit
Der Bericht „Evaluierung der Kraft-Wärme-Kopplung“ sollte als Standardwerk im Schrank jedes argumentierenden Erneuerbare-Energie-Menschen stehen. Oder noch besser: als Lesezeichen-Link in jedem Computer verfügbar. Denn die fast kompletten Zahlen-Daten-Fakten lassen sich für vielfältige Beweisführungen heranziehen.
Auch – und das ist der sanfte Kritikpunkt – wenn die Aussagen der Studienmacher nicht immer so eindeutig sind, wie sie sein könnten.
Heinz Wraneschitz