20.09.2019
Der geistige Kosmos der standhaften Zweifler
Nein, es ist nicht verwunderlich und auch kein Zufall. Da unsere Regierung mittlerweile auch behauptet „verstanden“ zu haben und sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen möchte, poppen in den letzten Tagen und Wochen vermehrt Texte auf, die klar machen, dass der Kampf von Seiten der Klimaskeptiker noch nicht aufgegeben wurde.
Apropos Skeptiker: Skepsis ist eine wichtige Tugend, besonders für Wissenschaft und Medien. Der Klimawissenschaftler Michael Mann hat es mal so ausgedrückt: „redliche Skepsis ist immer bestrebt, die Wissenschaft durch unabhängige Prüfung und akribische Hinterfragung sämtlicher Details auf dem bestmöglichen Stand zu halten. Skepsis ist deshalb ein wesentliches Handwerkszeug allen wissenschaftlichen Arbeitens. Das ist nicht nur gut so, sondern letztendlich unentbehrlich. Die integre Skepsis ist sozusagen der Schmierstoff, der sicherstellt, dass der selbstkorrigierende Mechanismus am Laufen bleibt. Leider wird mit den Begriffen skeptisch und Skeptiker inzwischen oft Schindluder getrieben, insbesondere in der Debatte um den Klimawandel So wird vorgetäuschte Skepsis häufig dafür verwendet, unbequeme wissenschaftliche Erkenntnisse zu umgehen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um redliche Skepsis. Im Gegenteil, unter dem Deckmantel des Misstrauens wird vielmehr eine bewusst konträre Haltung, wenn nicht gar Leugnung, inklusive einer pauschalen Ablehnung validierter und weithin anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze, versteckt.“
Klimaskeptiker betonen stets ihre Unabhängigkeit. Als selbst ernannte Galileos setzen Sie darauf, dass ihre exklusive Meinung genau deshalb, nicht nur von Anhängern von Verschwörungstheorien, besonderes Gewicht erhält. Meist sind sie aber alles andere als unabhängig. Gerne verstecken sie sich hinter Pseudoinstituten und Denkfabriken, die von Unternehmen finanziert werden, deren Einkünfte maßgeblich durch klimaschädliches Handeln geprägt sind. Und auch wenn vor kurzem mit dem US-Milliardär David Koch, eine Hälfte der Koch Brüder, verstorben ist, heißt das noch lange nicht, dass sich die großen Geldgeber aus den USA zurückziehen werden. Organisationen, die mit den Brüdern Koch in Verbindung stehen, helfen schon seit Jahrzehnten dabei, Lügen über den Klimawandel zu fördern und das geschieht weiter. Die bundesdeutschen EIKEs, AfDs, Vahrenholts oder Tychis geben nochmal richtig (Treibhaus)Gas!
Dass man in dieser „Branche“ keine Skrupel hat zu lügen, dass sich die Balken, oder anschaulicher gesprochen, die Grafiken biegen, bis es passt, ist bekannt. Viel interessanter ist es jedoch nicht nur den Inhalt, sondern Menschen die ihn publizieren, anzugehen. Diese Taktik wird auch als ad hominem bezeichnet. Ein Beispiel aus dieser Welt der Scheinargumentation ist ein verleumderischer Text im "liberal-konservativem Meinungsmagazin Tichys Einblick", der, wenn man ihn genauer analysiert, wohl vor allem für sozialen Medien verfasst wurde. Dort ist man einem großen Skandal auf der Spur. So behauptet man dreist, besagter Michael Mann hätte vor einem kanadischen Gericht mit Pauken und Trompeten einen Prozess verloren. Angeblich hätte er sich geweigert die Rohdaten und Computercodes seiner Hockeyschläger-Kurve von 1998 (das Diagramm in Form eines Hockeyschlägers zeigt die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur während der letzten 1.000 Jahre) herauszurücken. Wenn nun der „Erfinder“ dieser Kurve gerichtlich unterliege, offenbare das folglich, dass es sich lediglich um einen Kunstgriff handeln würde. Für die persönliche Note sorgt die Behauptung, dass sich Mann selbst für den Inbegriff der Tugend und Kämpfer für die wissenschaftliche Wahrheit hält, er aber letztlich nur ein plumper Fälscher sei. Das ist derart absurd, dass man es einfach ignorieren könnte. Aber man sollte sich vielleicht trotzdem diesen hervorstechenden Text von Dirk Pohlmann mal einverleiben. Dort kann man unter anderem lesen, dass besagtes Verfahren, welches Professor Timothy Ball angestrengt hat, eingestellt wurde, weil sich Ball als alt, krank und unglaubwürdig bezeichnet hatte. Da klafft nun schon eine große Realitätslücke!
Aber auch die alten Kämpfer gegen die „Klimahysterie“ lassen nicht locker. So wiederholt Fritz Vahrenhold, einstmals Umweltsenator in Hamburg, wieder mal die These von der Kalten Sonne. Die ist zwar längst vielfach wiederlegt, aber das ficht Vahrenholdt nicht an zu behaupten, dass es "nicht erforderlich sei, die Klimagasemissionen auf Null zurückzufahren. Wir könnten fossile Energieträger solange nutzen, bis sie alle sind." Eine „kleine" Gegenrede hat Stefan Rahmstorf dazu geschrieben, die hier nachzulesen ist. Wenn man auf dem KlimaLounge Blog als Suchbegriff „Kalte Sonne“ eingibt kann man sich im Übrigen noch ausführlicher mit dieser These beschäftigen.
Die Texte dieser selbsternannten Experten sind meist schon fast ein wenig drollig, sieht man genauer hin. Ein aktuelles Beispiel ist das die Tage auf Eifelon erschienene Pamphlet „Klimawandel? Ein Professor analysiert die Situation“. Einer der erquickendsten Sätze daraus ist: „Üblich der Arbeitsweise eines unabhängigen Wissenschaftlers hat er ergebnisoffen im Internet geforscht und wissenschaftliche Veröffentlichungen gelesen, um eine Pro- und Kontraliste zum menschengemachten Klimawandel zu erstellen.“ Ja, es kann schon sein, dass es für Experten wie Herrn Professor Döhler üblich ist, ergebnisoffen im Internet zu googeln, aber sich als Biologe zu erdreisten und zu behaupten er fürchte um den Ruf der gesamten Wissenschaft, wenn behauptet werde, dass der Mensch den Klimawandel verursache, dann ist das genau genommen nur noch albern, wenn die Lage nicht so ernst wäre.
Wenn man sich ausführlicher mit derartigen „Veröffentlichungen“ beschäftigt wird im Übrigen deutlich, dass es völlig egal zu sein scheint, wenn sich diese kritischen Experten massiv widersprechen, es genügt vielen schon wenn Zweifel geschürt werden (siehe auch Merchants of a Doubt von Naomi Oreskes und Erik M. Conway, auf Deutsch: "Die Machiavellis der Wissenschaft: Das Netzwerk des Leugnens). Einen kleinen Trend kann man allerdings feststellen. Sowohl Döhler als auch Fritz Vahrenholt und Frank Bosse bestreiten den Klimawandel nicht mehr. Sie drehen den Spieß einfach herum und sagen, der Umwelt und unseren Nutzpflanzen könnte gar nichts Besseres geschehen als ein Anstieg der CO2-Konzentration. Und um uns die Angst vor der Katastrophe zu nehmen wird konstatiert, dass der momentane Temperaturanstieg im Rahmen der natürlichen Klimazyklen der Erde durchaus normal sei.
Apropos Umgang mit Klimaskeptikern: Bernhard Pötter hat erst kürzlich in der taz unter der Überschrift „Reißt Witze über die Katastrophe!“ einen bissigen Text geschrieben. Der beschäftigt sich - somit sind wir wieder am Anfang - mit dem Buch „der Tollhauseffekt“ von Michael E. Mann und Tom Toles. Darin bringen, so Pötter, ein Klimaforscher und ein Karikaturist wissenschaftliche Fakten und politische Satire zusammen. Es sei ein Super-Buch, um AfD-Opis zu ärgern. Nachhilfe für manchmal schwierige Diskussionen mit (Klima-) Skeptikern findet sich im Übrigen auch hier oder hier.