09.08.2019
Von Tieren und Solaranlagen
Die Erneuerbaren Energien (EE) sind Flächenenergien, d.h. sie brauchen je nach zu installierender Leistung Flächen entsprechender Größe. Damit treten sie in Konkurrenz zu anderen Flächennutzungsformen, denn das Potential an geeigneten Gebieten ist naturgemäß begrenzt. Um Konflikte um Flächennutzungen zu minimieren und den Ausbau der EE zu befördern, wurde das Konzept der Flächensynergie [1] entwickelt, bei dem man eine Fläche nutzt, um dort mehrere Formen der EE „abzuernten“. Das folgt der in den 1970er Jahren entwickelten Idee der Permakultur [2], einem Landnutzungssystem aus Australien, bei dem jede landwirtschaftliche Installation immer gleich mehrere Aufgaben hat: Teiche dienen z.B. zur Fischzucht, als Bewässerungsreservoir und als Schutzbarriere gegen Brände. Mittlerweile gibt es auch verschiedene Kombinationen von Solarenergie und Pflanzenzucht – von Solar-Gewächshäusern bis zu größeren Projekten der Agro-Photovoltaik [3]. Noch ganz am Anfang steht hingegen das Thema „Solaranlagen und Tierzucht“, obgleich sich hier für Freiflächen-Solaranlagenbetreiber und Tierzüchter Win-Win-Situationen ergeben. Schauen wir, welche Tierarten für eine solche Kombination mit Fotovoltaik oder Solarthermie in Frage kommen.
Schafe
Intersolar 2019 in München [4]: zum ersten Mal sind auf einer Solarmesse Schafhalter als Berufsgruppe vertreten. Sie kommen auf Einladung der Bayerischen Ministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt und Verbraucherschutz in Kooperation mit der DGS. Ziel ist es, die Win-Win-Situationen einer Kooperation von Solaranlagenbetreiber und Schafhaltern zu verdeutlichen.
Erstere profitieren vom Kurzhalten der Gräser, ohne immer wieder maschinell mähen zu müssen. Zudem werden, anders als beim Abmähen, den Böden keine Nährstoffe entzogen, was auf Dauer zu einer Degeneration führen würde; vielmehr werden die Flächen um und unter den Solaranlagen gedüngt. Und: Schäfer schauen meist täglich nach ihren Tieren; der Solaranlagenbetreiber hat also eine zusätzliche Kontrollperson, die Beschädigungen der Zäune und Anlagen melden würde.
Die Schafhalter erhalten zusätzliche naturnahe Weideflächen sowie einen Schutzzaun für ihre Tiere, was wegen der immer häufigeren Wolfsverbisse zunehmend an Bedeutung gewinnt; zudem haben die Schafe bei den zunehmenden Temperaturen und Unwettern einen sicheren Unterstand unter dem solaren Dach sowie eine nicht mit Dünger und Pestiziden behandelte Nahrungsgrundlage. Die Freiflächen-Anlagen eignen sich prinzipiell auch für den Schutz von Alpaka-Herden, müssten aber wegen der größeren Tiere (ca. 1,6 m) höher aufgeständert werden.
Ziegen
Ziegen sind auf ein Leben in kleinen Gruppen (< 50 Tiere) und auf Freilauf außerhalb des Stalls angewiesen – alles andere wäre nicht tiergerecht [5]. Beide Faktoren können Freiflächen-Solaranlagen bieten. Ziegen knabbern vieles an, sind neugierig und kletteraffin. Insofern muss die Verkabelung der entsprechenden Anlage gut gegen Verbiss geschützt sein, der Zaun muss nicht nur den Wolf abhalten, sondern auch die Ziege am Überspringen hindern. Und der Anlagenbetreiber müsste damit leben können, dass öfter mal Ziegen auf seiner Solarinstallation stehen, falls diese nicht hoch genug ist. Da Ziegen zudem sowohl zur Fleisch- als auch zur Milchproduktion („Milchziege“) gehalten werden, lassen sich solche Zweinutzungs-Anlagen nur sinnvoll in Nähe der Melkstände erreichten. Daher kommt diese Energie-Tier-Kombination eigentlich nur in Frage, wenn Anlagenbetreiber und Tierhalter dieselbe Person sind.
Kühe
Eine Freiland-Haltung von Milchvieh kommt auch hier nur in örtlichem Zusammenhang mit der Melktechnik in Frage. Allerdings bieten den Anlagen dann auch Jungtieren freien Auslauf und einen Schutz bei den zunehmenden Wetterextremen. Leichter ist es bei Tieren zur Fleischerzeugung, die wie die Angus-Rinder einen Großteil des Jahres im Freien sind. Hier können auch hoffernere Anlagen einen eingezäunten Außenschutz, Weidefläche und Unterstand bieten. Allerdings muss die Aufständerung bei Rindern höher sein als bei Schafen. Ob sie wegen rivalisierender/spielender Rinder auch stärker sein muss, müsste vorab geklärt werden.
Hühner
Zum Thema Freiflächen-Solaranlagen und Hühner gibt es ein erstes Projekt: in Hochmoos im Salzburger Saalachtal hat die Firma Elektrotechnik Leitinger Photovoltaik einem Bio-Hühnerbetrieb mit einem Zaunsystem aus bifazialen PV-Modulen von 360 m Länge umzäunt [6]. Die senkrecht montierte Anlage hat nicht nur eine installierte Leistung von 52,55 kWp und einen prognostizierte Energieertrag bei 50.000 kWh/a, sondern sie hindert auch das Federvieh am Weglaufen. Obendrein schützt sie die Hühner vor Raubvögeln; denn diese können im Schatten der PV die Hühner schlechter sehen – auch vermeiden die Greifvögel ein Hinabstürzen entlang von dichten Hindernissen. Natürlich ließen sich Hühner auch in umzäunten konventionellen Freiflächen-Anlagen halten. Allerdings könnten die Vögel als Körnerfresser das Gras nicht kurzhalten, d.h. es müsste gemäht werden. Auch darf dann die Aufständerung nicht zu tief sein, dass sie die Tiere dort zum unkontrollierten Nestbau und zur Ei-Ablage animiert.
Bienen
Bienen sind gegen Witterungseinflüsse in ihren Stöcken im Allgemeinen gut geschützt. Allerdings hat im Zuge der Verluste von Bienenvölkern (Varoa-Milbe) in den letzten Jahren der Diebstahl von Bienen stark zugenommen [7]. Hier bieten die Zäune um die Solaranlagen und die Kontrollen von deren Besitzern einen gewissen Schutz. Zudem bieten die weitgehend naturbelassenen Freiflächen um die Solarinstallationen herum mit ihren Blühpflanzen schon ein gewisses Nahrungsangebot für die Honiginsekten. Konflikte mit den Tieren bei Wartungsarbeiten können vermieden werden, indem man die Stöcke nicht zu dicht an die Solarinstallationen stellt.
Fische
In Asien ist es bereits ein großes Thema [8], und es gibt bereits international bereits wissenschaftliche Studien [9] dazu: Fischzucht und Floating-PV (schwimmende PV-Anlagen). Die Anlagen nutzen eine sonst praktisch nicht nutzbare, unverschattete Fläche; zudem lässt sich mit dem Wasser die PV kühlen. Für die Fischzüchter verhindert die Anlage ein Überhitzen des Wassers und bietet den Fischen einen relativen Schutz vor Raubvögeln. In Europa gibt es hingegen beim Thema Aqua-PV noch einen erheblichen Nachholbedarf [10].
Götz Warnke
[1] www.sonnenenergie.de/sonnenenergie-redaktion/SE-2018-02/Layout-fertig/PDF/Einzelartikel/SE-2018-02-s040-Energiewende-Flaechensynergien.pdf
[2] de.wikipedia.org/wiki/Permakultur
[3] www.agrophotovoltaik.de/
[4] www.dgs.de/news/en-detail/310519-solarschaefer-gesucht/
[5] www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/ziegen/
[6] www.iwr.de/news.php?id=36156
[7] www.weser-kurier.de/region/niedersachsen_artikel,-diebstahl-von-bienen-ist-ein-dauerbrenner-_arid,1840961.html
[8] en.people.cn/n3/2017/0111/c90000-9165706.html, https://www.pv-magazine.com/2018/01/30/china-hengtong-launches-100-mw-solar-pv-plant-on-top-of-fish-farm/
[9] www.researchgate.net/publication/317299081_Aquavoltaics_Synergies_for_dual_use_of_water_area_for_solar_photovoltaic_electricity_generation_and_aquaculture
[10]www.kooperation-international.de/laender/amerika/chile/nachrichten/detail-laendereinstiegsseite/info/fraunhofer-institut-fuer-solare-energiesysteme-bringt-agrophotovoltaik-nach-chile-und-vietnam/