31.03.2017
Energiepolitik: Ein leiser Wind of Change ist spürbar
Die Energiepolitik der Bundesregierung, wie sie aktuell beim Thema Mieterstrom und Energieeffizienz oder beim Gebäudeenergiegesetz erkennbar ist, hat sich auch unter der neuen Wirtschaftsministerin Brigitte Zypris nicht geändert. Die Politikkonzepte einer zentralistischen Planung und Steuerung der Energiewende, die mit geballter Regierungsmacht und Fördermilliarden durchgesetzt wurden, haben die Erneuerbaren Energien und ihre Industrien nicht nur abgebremst, sondern schwer beschädigt. Sie haben letztlich die alten, seit 1935 aufgebauten Strukturen der Strom- und der Wärmeerzeugung am Leben erhalten.
Diese monopolfreundliche Politik, die letztlich auf dem historischen Bündnis von Kohle und Stahl aufsetzt, wird in der SPD und Teilen der Gewerkschaften als angeblich notwendige Rettung von Arbeitsplätzen hochgehalten. Von anderen, auch in der Union, wird das neoliberale Lied vom Markt gesungen, der angeblich die Energiewende voran- und zum Erfolg bringen werde. Man müsse die Erneuerbaren nur in den Strommarkt integrieren und gegen die Fossilen konkurrieren lassen. Technologieoffen, Börsen- und Strompreisgetrieben solle der Strommarkt 2.0 sein. Gegen die Fluktuation der Erneuerbaren sollen die Netze und die Verbraucher, privat wie gewerblich, mit Hilfe der wiederauferstehenden Stromkonzerne flexibel gemacht werden. Dafür gibt es das Digitalisierungsgesetz und zukünftig Smart Meter für alle.
Die Kritiker aus den Reihen der Bürgerenergie hatten diese Rezepte aus der Garküche von Altmaier und Gabriel schon immer als fossile Dickmacher angesehen. Für sie war klar, dass die Kräfte, die seit 2011 nach dem Gau von Fukushima auf den Zug der Energiewende aufgesprungen waren, kein Verständnis für den dezentralen und kleinteiligen Charakter der Erneuerbaren Energien hatten. Und auch nicht die Chancen einer Dezentralisierung und Demokratisierung der Energieerzeugung erkennen würden, sondern nur die Gefahr, dass die großen Stromerzeuger und die tradierte Netzstruktur Schaden nehmen könnte.
Die Mahnungen und Apelle aus der Ecke der Bürgerenergie und von den Verbänden der Erneuerbaren prallten meist ergebnislos ab, so sehr sich diese auch bemühten und kompromissbereit zeigten. Nun kommen ironischer Weise leise Zweifel am Ergebnis dieser zentralistischen Konzepte auch aus einer Ecke, in der man sie ja mit ausgetüftelt hatte. Bei einem Fachgespräch des EnergieVereins Berlin zum Thema „Energiepreise und Energiewende“, das am 29.März 2017 in Berlin stattfand und bei dem Patrick Graichen, Chef von Agora Energiewende, Referent war, äußerte dieser vorsichtig Kritik am Zustand der Energiewende. Der immer sauberer werdende Strom werde immer teurer, so die Erkenntnis von Agora. Während bei Öl, Erdgas und Kohle die Preise auf dem Niveau von 2005 liegen, seien die Strompreise explodiert.
Das liege an den vielen und hohen Abgaben und Steuern, die entstanden seien. Und ein Ende sei nicht abzusehen. Als zukünftige Kostentreiber nannte Graichen Messkosten, HGÜ-Ausbau, Redispatch und Einspeisemanagement, die Kapazitätsreserven, sowie Eigenverbrauch- und Mieterstrommodelle. Die Abgaben und Steuern verzerrten die Preissignale der Börse und konterkarierten die Flexibilitätsangebote. Das Ganze sei nicht mehr überschaubar und wirke sich negativ auf der Nachfrageseite aus. Im Hinblick auf eine zukünftige Sektorkopplung rede man zwar ständig über Strom, übersehe aber, dass dieser an den Sektorengrenzen zu Wärme und Verkehr nicht konkurrenzfähig sei. Die steuerlichen Belastungen bzw. Abgaben bei Erdgas und Öl seien zudem am geringsten.
So könne es nicht weiter gehen, man müsse Ordnung ins Chaos der Energiemärkte bringen. Graichen entwickelte einen Strauß von möglichen Maßnahmen mit Lenkungswirkungen, von steuerlichen Umverteilungen, über bundeseinheitliche Netzkosten und eine CO2-Steuer bis hin zu Fondmodellen zur Finanzierung der Energiewende. Letztlich waren diese Ideen aber nur weitere Varianten der planwirtschaftlichen und zentralistischen Denke und konnten sich nicht von dieser lösen. Alleine Altmeister Klaus Töpfer, der als Diskutant mit auf dem Podium saß, gelang es, eine Wende in die Diskussion zu bringen.
Eine zentrale staatliche Planung und Regulierung müsse nicht sein, argumentierte er und bezog sich auf seine Erfahrungen als ehemaliger Bundesumweltmister beim Aufbau von Kläranlagen in Deutschland. Da habe man auch auf eine zentralistische Planung und Lenkung verzichtet und dies habe trotzdem oder gerade deswegen gut funktioniert. Er verwies auf eine weitere Analogie, nämlich den öffentlichen Nahverkehr. Da gebe es eine Vielzahl von Lösungen, Unternehmen und Verbünden, von unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Technologien, auf allen föderalen Ebenen. Diese vielfältigen Akteure haben sich aus eigener Kraft vernetzt sowie an den Schnittstellen ihrer Verbünde Lösungen geschaffen, die gut funktionierten.
Es sein kein Wunder, wenn der Gedanke der Energieautarkie ständig an Popularität gewinne, wenn immer mehr Bürger, Gemeinden oder Landkreise sich abkoppelten, weil sie mit den Strukturen der Energielandschaft so wenig wie möglich zu tun haben wollten. Da müsse man genau hinhören und die richtigen Schlüsse ziehen, so Töpfer. Die technologische Entwicklung bei den Erneuerbaren Energien sei längst so weit, dass Dezentralität zur Normalität werden könne. Und die Bürger hätten darauf ein Anrecht, ohne überbordende Regelungen und behindernde Abgaben und Steuern eigene Lösungen zu entwickeln und zu betreiben.
Für Vertreter der Bürgerenergie mag diese Diskussion weder neu noch revolutionär gewesen sein, gehört dies doch zum Repertoire dessen, was sie seit Jahren vertreten. Bemerkenswert ist hingegen, dass sich im Block derer, die die zentrale Struktur des Energiesystems erhalten wollen, Risse zeigen. Ein Scheitern dieser Politik wird höchstens unter der Hand eingeräumt und so wird es noch eine geraume Zeit dauern, bis dieser Diskurs im offiziellen Politikbetrieb angekommen sein wird. Im anlaufenden Bundestagswahlkampf dürfte dies nicht unbedingt zu erwarten sein. Die Parteien sind unisono bestrebt, das Thema Energiewende und Klimawandel so tief wie möglich zu hängen. Aber man weiß ja nie, ob das Pflänzchen nicht eine Eigendynamik entwickelt. Es hängt auch an den Vertretern der Bürgerenergie, mit Optimismus und Mut die überholte Politik der Großen Koalition aufzubrechen.