30.08.2019
Wasserstoff - Altmaiers Alternative zum Ökostrom
Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einer Wasserstoffstrategie, so lautet in eine Reihe von Schlagzeilen im Monat August, die in Blättern wie dem Handelsblatt oder dem Spiegel zu lesen waren. In Übereinstimmung mit der neuen Sprachregelung von der "Klimaneutralität", die man bis 2050 erreichen wolle, müsste das grüner Wasserstoff sein, der aus einheimischen, vor allem aber aus ausländischen Erneuerbaren Energien erzeugt werden müsste. In einem Papier aus dem Hause Altmaier wird postuliert, ohne grünen Wasserstoff dürfte vor allem in der Industrie eine Klimaneutralität schwer möglich sein. Dies ist natürlich eine These, welche sich die Energiestrategen nicht einfach so ausgedacht haben. Es ist eine Fortführung und Weiterentwicklung der bisherigen Blockadepolitik der Merkel-Koalitionen gegenüber Solar- und Windstrom. Und sie passt auch zum neuen Kurs des Fuel Switch, also dem Wechsel von der Kohle zum Erdgas.
Die Frage, welche sich aus technologischer Sicht stellt ist, warum man nicht alle industriellen Prozesse mit elektrischen Strom betreiben will. Das geht und ist kein Problem. Wieso soll nun eine zusätzliche Stufe der Umwandlung von Ökostrom in Wasserstoff nachgeschaltet werden? Auch aus ökonomischer Sicht wäre dies unsinnig und kostentreibend, da die Umwandlungsverluste sehr hoch ausfallen. In der Folge müssten noch mehr Solar- und Windkraft-Anlagen errichtet werden, oder Ökostrom aus Nordafrika importiert werden, um etwa in der Stahlindustrie eine gewünschte Produktionsmenge zu erzeugen.
Die tonangebenden Wirtschaftspolitiker sehen in trauter Eintracht mit Industrievertretern aber Vorteile, die eine reine Ökostrom-Wirtschaft auspunkten würde. Die synthetischen Brennstoffe aus Wasserstoff seien leicht speicherbar. Außerdem würden sie besser zur Erdgasinfrastruktur passen, die gegenwärtig massiv ausgebaut wird. Man könne ab 2030 kontinuierlich steigende Mengen von Wasserstoff oder auch Methan beimischen und so die CO2-Bilanz von Erdgas verbessern.
Auch für den Mobilitätssektor böte das Vorteile, denn ein Teil der Kraftfahrzeugflotte, vor allem im LKW-Bereich, könne mit den bisherigen Verbrennungsmotoren weitergebaut und gefahren werden. Die Automobilindustrie müsste nicht komplett auf Elektromobilität umrüsten, sie könnte einen Teil ihrer Produktionsanlagen in der Motorenfertigung und im Getriebebau erhalten.
Der Spiegel bejubelt dieses Ideen-Konglomerat als einen entscheidenden Schritt zur klimaneutralen Erzeugung von Brennstoffen. Und andere Medien, wie etwa das Handelsblatt, sehen darin die Vervollständigung der Energiewende. Das Wirtschaftsministerium formuliert, "gasförmige Energieträger sind fester und langfristiger Bestandteil der Energiewende." Strombasierte Gase wie Wasserstoff würden Erdgas "kontinuierlich substituieren, insbesondere nach 2030".
In diesem neuen Narrativ manifestiert sich ein völlig anderes Konzept von Energiewende, das der erneuerbaren Stromerzeugung mit Sonne und Wind nur noch die Rolle einer Hilfsenergie beimessen will. Die ursprünglich angedachte Rolle von Power-to-X als Mittel zum Fluktuationsausgleich, der vor allem auch der dezentralen Erzeugung durch Bürgerenergiegesellschaften, Stadtwerke und Genossenschaften zu tragfähigen Geschäftsmodellen verhelfen sollte, wird komplett niedergerissen.
Wenn grüner Wasserstoff als Nachfolger von Erdgas als primärer Energieträger im gesellschaftlichen Leben wie in der industriellen Produktion eingesetzt werden sollte, wäre dies nur mit einer stark zentralisierten Produktion auf mengenmäßig höchster Stufenleiter machbar. Eine dezentralisierte, bürgerschaftliche Energieerzeugung im Wärme-, Strom- und Mobilitätsbereich wäre schnell am Ende - konkret gesagt würde Bürgerenergie mit dem Auslaufen der EEG-Vergütungen das Ende seiner Existenz erreichen.
Das was konzeptionell im Hause Altmaier bzw. in den Denkfabriken der Energiewirtschaft ausgekocht wird, ist eine Strategie für die monopolistische Energiewirtschaft. Bedauerlich ist es, dass auch grüne Energiepolitiker aus der Bundestagsfraktion sich dafür erwärmen können und den gesellschaftspolitischen Anspruch einer dezentralisierten, demokratischen Energieerzeugung mit 100% Erneuerbaren Energien aufgeben. "Wo direkte Stromnutzung an ihre Grenzen stößt, wird Wasserstoff unverzichtbar werden", formulierte MdB Ingrid Nestle für diese Gruppe grüner Energiepolitiker. Woher die These stammt, dass eine Stromwirtschaft mit 100% EE Grenzen habe, wird nicht gesagt. Eine Beweisführung für diesen Paradigmenwechsel bleiben die Grünen schuldig.
Und Timm Kehler, Chef des Branchenverbandes "Zukunft Erdgas", kommentiert: "Es scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass die 'all electric society' Wunschdenken bleiben wird". Dass er und seine Lobbyisten-Kollegen von der Wirtschaftlichkeit ihrer neuen Strategie selbst nicht so recht überzeugt sind und sich nicht darauf verlassen wollen, dass Wasserstoff sich am Markt alleine gegen Ökostrom durchsetzen würde, zeigen ihre Forderungen an die Politik. Neben dem Thema der regulatorischen Hürden gehe es ihnen vor allem um die „Schaffung wirtschaftliche Anreize“ für grünen Wasserstoff.
Das ist die unverblümte Aufforderung, die Erneuerbaren Energien weiter zu behindern und Erdgas zu subventionieren. Und ob und wann dem Erdgas nun Wasserstoff zu gemischt wird, darauf will sich beim Erdgas-Verband niemand festlegen. Schließlich sind die aktuellen Investitionen in Pipelines, die neue LNG-Infrastruktur und die Lieferverträge - nun auch mit US-Schiefergas- Companies - nicht auf 14 Tage limitiert.
Klaus Oberzig
Auch die Grünen denken um, Lisa Badum Grüne MdB