30.06.2017
Speicher in der Erde für Strom und Wärme
Der Stülpmembranspeicher in 13 Vorträgen: Eine ganze Stadt autark von Energie von außen machen – mit dem patentierten Stülpmembranspeicher könnte das gehen. Das jedenfalls ergab eine Energiekonferenz am Mittwoch bei den Stadtwerken Forchheim.
Bei „Speicher“ denken die meisten wohl zuerst an Batterien, mit denen überschüssiger Solarstrom vom Tag in die Nacht, vielleicht auch vom Sommer in den Winter gerettet werden soll. Doch mit einem Speicher gleich einen ganzen Ort übers Jahr autark zu machen? Solche Gedanken kommen nicht sofort auf. Mit „seinem“ Stülpmembranspeicher (SMSp) sei aber genau das möglich, da ist sich Professor Matthias Popp sicher. Der SMSp ist im Prinzip ein in die Erde eingegrabenes Pumpspeicherkraftwerk mit 6,5 Mio. Kubikmeter Wasserinhalt, in dem Ober- und Unterwasser“becken“ nur durch eine Membran getrennt sind.
Das Prinzip hat sich Popp schon 2013 patentieren lassen. Kein SMSp wurde bislang gebaut. Doch am Beispiel von Forchheim – insgesamt knapp 32.000 Einwohner mit allen Ortsteilen – haben nun 13 Maschinenbau- und Energieprozesstechnik-Studenten erforscht, ob und wie SMSp diese oberfränkische Kreisstadt autark von Energie von außen machen könnten. Elf Sechst- und Siebtsemester sowie zwei Master-Studenten der Technischen Hochschule Ohm aus Nürnberg haben sich die Aufgabe geteilt. Eine ganze Reihe von Energiefachleuten war dabei, als die wilde 13 die Ergebnisse ihrem „Prof“ und den Stadtwerke-Verantwortlichen präsentierten. Da durfte auch die DGS-News-Redaktion nicht fehlen.
Der ehrenamtliche Forchheimer Bürgermeister Franz Streit ging die Tagung leicht satirisch an: „Ich werde davon persönlich profitieren: Ich bin auch ein Stülpmembranspeicher. Die in mir gespeicherte nachwachsende Energie wird verlustarm ans Versorgungsnetz abgegeben.“
Doch ganz so einfach und natürlich wie ein dicker Bauch ist ein „echter“ SMSp dann doch nicht herzustellen. Emanuel Weithmann hatte die Studienaufgabe übernommen, ein zirka 1:1.000-Modell zu bauen. Bei dem Plexiglasteil besteht die Stülpmembran zwischen den beiden Wasserbereichen aus Teichfolie, verklebt mit Quellschweißkleber. „Das aufwändigste ist die Dichtigkeitsprüfung“, hat der Student beim Modellbau erkannt.
Ein Problem, mit dem sich Markus Lohr ebenfalls beschäftigen musste, wenn auch in einer größeren Dimension. Denn im Original würde der SMSp 400 Meter tief in die Erde gegraben. Der Außendurchmesser der in Forchheim zweifach verwendeten kleineren Version betrüge 130 m, die größere Ausgabe hätte 170 m. Der schwimmende „Kolben“ wäre nur vier Meter dünner. Bei dessen Auf- und Abbewegung trennt eine flexible Membran das Ober- und Unterwasser des Speichers sicher voneinander.
Student Lohr würde dafür „vorhandene Materialien, konkret Stahlseilfördergurte“ nutzen, wie man sie aus Förderbändern kennt. 122 Bänder eines bestimmten Typs, je 4 cm dick und mit einer Fläche von je 300 m² hat er als Bedarf errechnet. In denen sorgen jeweils 150 Stahlseile von 1 cm Durchmesser für die Festigkeit. Denn die Kräfte wären enorm: Unvorstellbare 3,5 Meganewton pro Meter (MN/m) zögen an der Membran. Dennoch ließen sich die Bänder mit Zweikomponentenkleber gut verkleben, und sie hielten dann 20 Jahre lang, so Lohr. Danach müssten die Bänder ausgetauscht werden, der Speicher funktionierte aber grundsätzlich weiter.
5,5 GWh Strom – der Zehntagebedarf von Forchheim – müsste zur Autarkie im SMSp gespeichert werden. Die Lastabnahme sei dort maximal 33 MW, hat Bastian Kupfer ermittelt. Wie auch gleichzeitig der Wärmebedarf von 452 GWh jährlich darin ein- und ausgespeichert werden müsste. Wollte man die Wärme ausschließlich mit Sonnenkollektoren decken, reichten laut Florian Raab dafür 150.000 m² Dachfläche, ein Drittel der verfügbaren; „das ist machbar, um in sechs Jahren über 12.000 Menschen (etwa der Innenstadtbereich; d.Red.) mit Fernwärme zu versorgen“. Am Anfang seien die Wärmeverluste zum umgebenden Erdreich hin zwar größer, nähmen aber schnell ab, informierte Raab.
Den Stromverbrauch könnten 17 Windkraftwerke mit 164 m Nabenhöhe plus 5,1 MW Photovoltaikanlagen (PV) decken, hat Gökhan Osan berechnet. Die Durchschnittsleistung von 26 MW Sonne und Wind würde ausreichen, da die beiden Komponenten sich gut ergänzen. Doch während für PV auf Dächern und Feldern genügend Flächen vorhanden wären, sieht sein Kollege Tobias Prosch den verfügbaren Platz für die Windmühlen in Forchheim als nicht gegeben an: fünf davon könnte er sich vorstellen. Weshalb er für mehr PV plädiert. Doch trotz der damit höheren Investitionen kommt er einschließlich Netznutzungsentgelt auf regenerative Stromgestehungskosten von 18 Ct/kWh – ein Drittel weniger als die heute üblichen 29 Ct/kWh.
Und der Stülpmembranspeicher selbst? Der würde pro kWh Speichervermögen etwa 30 Euro kosten, haben die Studenten und ihr Professor errechnet. Zum Vergleich: Für moderne Lithium-Ionen-Akkus muss man heutzutage das Zehnfache hinlegen. Denn bei den automatisierten Erdarbeiten könnte man auf Maschinen zurückgreifen, die in ähnlicher Form als Schlitzwandfräse heute schon im Einsatz sind, stellte Dominic Häuslein vor.
Auch für die Abstützung des neun Mio. Tonnen schweren Kolbens gibt es verfügbare Materialien, so Jakob Karakuz. Damit die Wände nicht brechen, müsse man die Oberflächen sowohl des Kolbens als auch des umgebenden Bodens mit „Injektionen auf Zementbasis“ stabilisieren, erläuterte Felix Ehrmann. Als Abdeckung der nicht unter Druck stehenden Wasserfläche böten sich schwimmende Stahlpontons an, gedämmt werde mit ein bis zwei Meter Schaumglasschotter oder Leichtbeton-Polystyrol, rechnete Fabian Reißner vor. Und obendrauf fänden dem Sonnenstand nachführbare PV-Anlagen Platz. Das ganze System berge im Übrigen nur Gefahren von niedrigem bis mittlerem Niveau, die es natürlich abzusichern gelte, hat Susanne Noack nach der DIN-EN 62198 ermittelt.
Während die Bautechnik bereits verfügbar ist, schlägt Leonhard Westphal für das Ein- und Ausspeichern der Energie eine neuartige „Pumpturbine mit variablem Teillastbetrieb ohne Umschaltverzögerung“ vor. Pumpe und Turbine sind nahezu identisch aufgebaut, sitzen auf einer Welle mit dem Generator. Das Prinzip war ihm und Prof. Popp so innovativ, dass die beiden ein Patent darauf anmeldeten.
So euphorisch, wie die Zuhörer reagierten, kann man der Stadt Forchheim und ihren Stadtwerken, Prof. Matthias Popp sowie seinen Studenten nur wünschen: Ein Fördergeber erklärte sich bereit, ein Modellprojekt zu finanzieren. Erst dann würde sich zeigen, wie Theorie und Realität bei Stülpmembranspeichern übereinstimmen. Denn „ein Student ist uns abgegangen: Jemand, der den Untergrund analysieren sollte“; ein ganz wichtiger, schwer berechenbarer (Kosten-)Faktor, wie der Professor zugibt.
Link: http://www.poppware.de/Stuelpmembranspeicher/index.htm