29.06.2018
Der steinige Weg zum Kohleausstieg – Erste Sitzung der Kohlekommission
Die Auswirkungen sind viel zu wichtig, um das einfach laufen zu lassen. Daher haben sowohl Befürworter als auch Gegner der zukünftigen Kohleverstromung in Deutschland schon im Vorfeld versucht, möglichst viel Einfluss auf die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission (genauer: „Kommission Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“) zu bekommen. Gleichzeitig sollte die Besetzung der Runde auch ausgewogen sein und verschiedenste Interessen berücksichtigen. Nur so ist es zu begründen, dass die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission vier Vorsitzende (eine/r hätte auch gereicht) und insgesamt 28 Mitglieder hat. Am Dienstag dieser Woche hat die Kommission erstmals getagt.
Noch problematischer scheint jedoch, dass unter den Mitgliedern nahezu niemand fachlich in der Lage ist, die Frage zu beantworten, wie schnell welche Kraftwerke aus dem Netz geworfen werden könnten ohne die Stabilität der Stromversorgung zu gefährden. Zudem beinhaltet Titel der Kommission weder Klimaschutz, Erneuerbare Energien und das Thema Zukunftsfähigkeit ganz allgemein.
Verschiedene Interessen und Ziele
Der Kohleausstieg soll möglichst rasch erfolgen – fordern Grüne, Umweltgruppen und alle, deren Interesse der verantwortliche Klimaschutz ist. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass die Versorgungssicherheit beim Strom in Deutschland in gewohnter Qualität erhalten bleibt (wichtige Forderung der Industrie) und der Ausstieg soll sozialverträglich gestaltet wird bzw. Arbeitsplätze berücksichtigt werden (Gewerkschaften, Kohle-Bundesländer). Diese Forderungen unter einen Hut zu bekommen, das ist Ziel der Kommission.
Zu den Zielen und Arbeitsweisen gibt es von unterschiedlichen Seiten klare Forderungen. „Keine Kompromisse“ fordert der SfV aus Aachen. Eurosolar Deutschland fordert, den Ausstieg aus der Braunkohle „ab jetzt innerhalb eines Jahrzehnts zu vollenden und einen schnellen Übergang zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien bei Strom, Wärme und Verkehr bis zum Jahr 2035 zu ermöglichen“.
Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) kommentierte: „Die Kommission muss nun einen planbaren, sozial verträglichen Kohleausstieg skizzieren, der sich an den nationalen und internationalen Klimazielen orientiert. Nur so können die Klimaziele erreicht werden und Strukturbrüche vermieden sowie energiewirtschaftliche Planbarkeit und Investitionssicherheit in klimaschonende Technologien geschaffen werden“. Greenpeace fordert ebenfalls den raschen Ausstieg aus der Kohle und hat zur Unterstreichung der Forderung eine gelbe Sonne an die Siegessäule in Berlin gezaubert. Die Berichterstattung darüber hat den Start der Kommission vielfach in den Hintergrund gebracht.
Wissenschaftliche Vorarbeiten sind erledigt. So ist auch Dr. Felix Christian Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut, als Wissenschaftler in das Gremium berufen. Das Öko-Institut hat in den vergangenen Jahren intensiv zu den Fragen des Kohleausstiegs gearbeitet. Es hat umfangreiche Fakten zur Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle zusammengetragen und Optionen und Instrumente für den Klimaschutz beschrieben. Hier findet sich eine Studie des Ökoinstituts, in der ein möglicher Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2035 im Auftrag des WWF untersucht wurde. Eine schnelle, signifikante Senkung der Emissionen ist – wenig überraschend – nötig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Neubau auch ein Thema?
Neben dem Ausstieg muss auch noch berücksichtigt werden, dass es noch ein Zubau bei Kohlekraftwerken ansteht: So hat sich die Fertigstellung des Uniper-Kraftwerks in Datteln in den vergangenen Jahren immer weiter verzögert, dafür sind dort bereits langjährige Lieferverträge für den zu erzeugenden Strom, unter anderem mit der Deutschen Bahn, abgeschlossen. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Datteln 4 wird vermutlich nicht zu verhindern sein, auch wenn der wohl erst 2020 erfolgen wird.
Anders sind vielleicht die Chancen gegen den Neubau eines 900-MW-Kohlekraftwerks in Stade. Dort plant die amerikanische Dow Chemical den Neubau auf seinem Werksgelände, das mit Gas, Wasserstoff und Biomasse, aber zum größten Teil mit Kohle befeuert werden soll. In Niederaußem bei Köln plant außerdem die RWE einen neuen Kohleblock mit 1.100 MW Leistung im Großkraftwerk, das bereits sieben laufende Kohleblöcke besitzt. Mit Inbetriebnahme des neuen sollen drei alte Blöcke abgeschaltet werden. Seit 2011 laufen hier die planungsrechtlichen Vorbereitungen, aktuell ist es jedoch ruhig geworden um das Projekt.
Erste Sitzung am Dienstag
Am Dienstag dieser Woche tagte die Kohlekommission nun zum ersten Mal. Ziel des ersten Treffens war laut der Co-Vorsitzenden Barbara Praetorius das Kennenlernen, die Verabschiedung der Geschäftsordnung und die Festlegung, in welchen Abständen die weiteren Treffen stattfinden.
Inhaltlich wird die Arbeit in diesen Tagen beginnen, dafür wurden bei der ersten Sitzung zwei Arbeitsgruppen eingesetzt, eine zu Strukturwandel und eine zu Energiewirtschaft und Klimazielen.
Mitte Juli soll dann die eigentliche inhaltliche Arbeit bei der nächsten Sitzung des Gremiums beginnen.
Doch es bleibt die grundsätzliche Frage: Wenn die Kommission tatsächlich einen Kompromiss findet und einen realistischen Ausstiegsweg aus der Kohle beschreibt, wird dieser Weg dann auch konsequent politisch begangen oder beginnt ab Ende des Jahres das Hauen und Stechen wieder von vorne? Dazu fehlt bislang jegliches Bekenntnis der Politik.
Jörg Sutter