28.09.2018
Wenn etwas ist was nicht sein darf
Im Guardian erschien am 19. September 2018 von Benjamin Franta der Artikel "Shell and Exxon's secret 1980s climate change warnings". Dort schreibt Franta, dass Shell und Exxon bereits in den 80er Jahren über die Konsequenzen ihres Handelns in Bezug auf den Klimawandel sehr gut informiert waren. Interne Untersuchungen der Energieunternehmen hatten bereits damals globale Schäden vorhergesagt, die durch ihre Produkte verursacht werden. Konsequenzen zog man daraus keine, im Gegenteil, man verschwieg diese Erkenntnisse bewusst der Öffentlichkeit. Benjamin Franta ist ein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des "Center for Science and International Affairs" an der "Harvard Kennedy School of Government" und Doktorand an der Stanford University, wo er sich mit der Geschichte der Klimawissenschaften und Klimapolitik beschäftigt. Eine frühere Version dieses Artikels mit dem Titel "Global Warming's Paper Trail" (1) wurde bereits am 12. September 2018 vom "Project Syndicate" veröffentlicht. Wir haben den Text für Sie frei übersetzt:
"Bereits während der 80er Jahre führten die Ölgesellschaften Exxon und Shell interne Bewertungen über das durch fossile Brennstoffe freigesetzte Kohlenstoffdioxid durch und prognostizierten die planetarischen Folgen dieser Emissionen. So nahm Exxon 1982 an (2) dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre 2060 etwa 560 ppm, somit den doppelten Wert des vorindustriellen Niveaus, erreicht haben wird. Die Konsequenzen des internen Berichts: Die globalen Durchschnittstemperaturen würden bis dahin um etwa 2° C gegenüber dem heutigen Niveau - und noch mehr im Vergleich zum vorindustriellen Niveau - ansteigen. 1998, sechs Jahre später, prognostizierte ein interner Bericht von Shell (3) ähnliches, kam allerdings zu dem Ergebnis, dass sich die Konzentration des CO2 in bereits 2030 verdoppelt haben könnte.
Somit wird deutlich, dass die Konzerne schon lange über die Zusammenhänge zwischen ihren Produkten, der globalen Erwärmung und der ökologischen Katastrophe bescheid wussten. Ihre Forschungen ließen daran keine Zweifel aufkommen.
Konkret kam Shell zu der Einschätzung, dass ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter anstehen würde und die Erderwärmung auch den Zerfall des westantarktischen Eisschildes antreiben könnte, was wiederum zu einem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels um "fünf bis sechs Meter" führen könnte. Das würde ausreichen, um einzelne Länder komplett zu überfluten. Die Analysten von Shell warnten auch vor dem "Verschwinden bestimmter Ökosysteme oder der Zerstörung von Lebensräumen", prognostizierten einen "Anstieg des Wasserrückflusses, zerstörerische Überschwemmungen und die Überflutung tiefer gelegener Ackerflächen." Weiter nahm man an, dass "neue Süßwasserquellen benötigt würden", um Veränderungen bei den Niederschlägen auszugleichen. Globale Veränderungen der Lufttemperatur würden auch "die Lebens- und Arbeitsweise der Menschen drastisch verändern". Alles in allem, so Shell abschließend, "sind die Änderungen vielleicht die größten in der Geschichte."
Exxon seinerseits warnte vor "potenziell katastrophalen Ereignissen, die berücksichtigt werden müssen". Wie die Experten von Shell sagten die Wissenschaftler von Exxon einen verheerenden Anstieg des Meeresspiegels voraus und warnten davor, dass der amerikanische Mittlere Westen und andere Teile der Welt wüstenartig werden könnten. Auf der anderen Seite zeigte sich das Unternehmen zuversichtlich, dass "dieses Problem für die Menschheit nicht so bedeutsam ist wie ein nuklearer Holocaust oder eine weltweite Hungersnot".
Die Dokumente zeugen von einem erschreckenden Selbstverständnis, da sich die Ölgiganten damals, wie auch teilweise heute noch, weigern, die Öffentlichkeit vor den Schäden zu warnen, die ihre eigenen Forscher vorausgesagt haben. Der Bericht von Shell, der als "vertraulich" gekennzeichnet ist, wurde Anfang des Jahres erstmals von einer niederländischen Nachrichtenorganisation (4) veröffentlicht. Auch die Studie von Exxon war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sie ist 2015 erstmals ans Tageslicht gekommen (5). Ebenso haben die Unternehmen nie Verantwortung für ihre Produkte übernommen. In der Studie von Shell argumentierte das Unternehmen, dass die "Hauptlast" für die Bekämpfung des Klimawandels nicht die Energiewirtschaft, sondern Regierungen und Verbraucher tragen sollten. Dieses Argument ist umso dreister, als dass die Ölmanager, einschließlich derer von Exxon und Shell, später über den Klimawandel logen (6) und die Regierungen aktiv daran hinderten (7), eine Politik mit Erneuerbaren Energien zu forcieren.
In den 1980ern waren die Details der globalen Erwärmung für den größten Teil der Bevölkerung unbekannt. Deshalb ist es umso dramatischer, das diejenigen, die darüber Bescheid wussten, am meisten dazu beitrugen. Trotz wissenschaftlicher Unsicherheiten verstanden Ölfirmen schon damals, dass ihre Produkte der Atmosphäre CO2 zusetzten und dass dies zu einer Erwärmung führen würde, nicht zuletzt berechneten sie ja die wahrscheinlichen Folgen. Und dennoch haben sie sich entschieden, diese Risiken nicht zu übernehmen und auf die Allgemeinheit abzuwälzen, ohne diese darüber in Kenntnis zu setzen. Die Produzenten fossiler Brennstoffe haben uns bewusst in eine düstere Zukunft getrieben, indem sie ihre Produkte bewarben, über die Auswirkungen logen und ihren Anteil am Energiemarkt aggressiv verteidigten.
Heute sind die geheimen Vorhersagen der Ölindustrie zum Klimawandel Realität. Während sich die Welt erwärmt, werden die Grundpfeiler unseres Planeten - seine Eisschilde, Wälder, Atmosphären- und Meeresströmungen - unwiederbringlich verändert. Wer hat das Recht, einen solchen Schaden vorherzusehen und sich dann für die Erfüllung der Prophezeiung zu entscheiden? Obwohl viele Konzerne die Arroganz hatten, zu entscheiden, welcher Grad der Verwüstung für die Menschheit angemessen war, hatte nur "Big Oil" (8) die Kühnheit, dies durchzusetzen."
Matthias Hüttmann
Passend dazu
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Links (im Text)
[1] https://www.project-syndicate.org/commentary/secret-energy-industry-research-on-global-warming-by-benjamin-franta-2018-09
[2] http://www.climatefiles.com/exxonmobil/1982-memo-to-exxon-management-about-co2-greenhouse-effect/
[3] http://www.climatefiles.com/shell/1988-shell-report-greenhouse/
[4] https://insideclimatenews.org/news/05042018/shell-knew-scientists-climate-change-risks-fossil-fuels-global-warming-company-documents-netherlands-lawsuits
[5] https://www.theguardian.com/environment/climate-consensus-97-per-cent/2015/nov/25/two-faced-exxon-the-misinformation-campaign-against-its-own-scientists
[6] http://www.latimes.com/business/hiltzik/la-fi-hiltzik-exxonmobil-20170822-story.html
[7] https://influencemap.org/report/Climate-Lobbying-by-the-Fossil-Fuel-Sector