27.07.2018
Klimaschutz und Wald 4.0
Die Interforst am Münchner Messegelände. Bei der „Internationale Leitmesse für Forstwirtschaft und Forsttechnik“ ging es letzte Woche wieder um ernste Themen. Denn unbestritten ist: Die Holzbranche ist ein wesentlicher Teil der hiesigen Wirtschaft. Die zuletzt 180 Mrd. Euro Jahresumsatz erzielten 1,1 Mio. Beschäftigte in 128.000 Unternehmen des „Clusters Holz“. Das sei mehr als die Automobilindustrie, hebt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer heraus.
Einen erheblichen Teil davon machen die Umsätze mit den technischen Gerätschaften aus. Ob 40-Tonner-Holzkranlaster oder kleine Keile, die Bäume in die optimale Richtung fallen lassen sollen: Es gibt fast nichts, was es nicht gibt. Wegen der vielen Großgeräte, die oft auch noch live und meist mit viel Krach ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen, ist das Außengelände das um ein Vielfaches größere Ausstellungssegment.
Die Branche ist weitgefächert. Gerade bei den „Kleinen“ den Dienstleistern, die sich Forstunternehmen nennen, im Auftrag der Besitzer deren Wald pflegen und das Holz „rücken“, bleibt immer weniger hängen, heißt es aus Insiderkreisen. Dagegen scheint es vielen „Großen“ gut zu gehen: Die locken mit immensem Aufwand die Besucher zu Weltneuheiten auf ihre Stände. Dabei verändert sich spätestens seit der Jahrtausendwende die Technik im 4-jährigen Messerhythmus jeweils nur in Nuancen. „Die Preise dagegen steigen wesentlich stärker“, bemerken Forstunternehmer. Mit Attraktionen wie Säge- oder Fällwettbewerben scheinen viele Maschinenhersteller von den nur geringen wirklichen Fortschritten ablenken zu wollen.
Die Macher von Forschungseinrichtungen und öffentlichen Stellen haben dagegen wohl das Gefühl, sie müssten die großteils regionalen Kleinst-Forstunternehmen ganz schnell in die weltweite Digitalwirtschaft beamen. „Die Jungfichte und ihr digitaler Zwilling“ wird an einem Stand präsentiert. Gleich daneben heißt es „Wald 4.0“: stilisierte Tannenzapfen mit diesem Motto hängen hier von der Decke. Kleinwagengroße, ferngesteuerte Flug-Drohnen oder geländegängige Fahrzeuge mit jeder Menge Aufnahme- und Auswertungs-Elektronik an Bord sollen der Waldbeobachtung und –bewirtschaftung dienen.
Weil zwischen Pflanzung und Ernte Generationen liegen, wäre es sicher wichtig, wenn sich Waldbesitzer über Baumsorten informieren würden, die den erwarteten Klimawandel überstehen können. Der parallel laufende Kongress widmete sich diesem Thema deutlich. „Gesellschaftlich im Wandel – Nachhaltigkeitskultur und Forstwirtschaft“ stand hier genauso auf dem Programm wie „Forstwirtschaft im Wandel – nur was sich ändert, bleibt!“ Denn um „Klimafitte Wälder“ zu bekommen – worüber der Österreicher Willibald Ehrenhöfer referierte – müsse man auch über „Waldumbau und dessen Auswirkungen auf die Holzernte“ Bescheid wissen: Das konstatierte Janine Schweier von der Uni Freiburg.
Ralf Petercord von Bayerns Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Freising, erwartet gar einen „Wettlauf mit der Zeit beim Waldschutz in Zeiten des Klimawandels“. Pflanzenschutzmaßnahmen, die bei der Feldbewirtschaftung vielen Bauern fast als Allheilmittel gelten, „können dem Waldbewirtschafter zwar etwas Zeit für den Umbau verschaffen und Bestände mittelfristig erhalten. Sie sind aber kein Alternativkonzept zum Waldumbau“, ist Petercord überzeugt. Dafür setzt sich inzwischen auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder ein. Der hat sich auf der Interforst sehen lassen und pressewirksam einen Bayerischen „Waldpakt“ zwischen Staatsforsten und dem Waldbesitzerverband unterzeichnet. Bayerns Wälder für die Zukunft fit machen: Eines unter jeder Menge weiterer Ziele, die im Pakt vereinbart sind.
Ist Sicherheit das Allerwichtigste?
„Holz machen: Vom Baum zum Ofen“ hieß ein Forumstitel. In einer Halle hatten sich einige Heizungshersteller mit ihren Holz- und Pelletkesseln passend positioniert. Robert Steidl von der Kaminkehrer-Innung Oberbayern forderte zum „Holz gut verbrennen!“ auf. „Empfehlungen für Waldbesitzer und Regionen“ zur „Wertschöpfung durch Brennholznutzung“ hatte Referentin Marie Sophie Schmidt vom Kuratorium Waldarbeit und Forsttechnik e.V. dabei: In der Branche ist der Verein allgemein nur unter dem Kürzel KWF bekannt.
Doch selbst bei diesem, auf den ersten Blick der Energie und dem Umweltschutz gewidmeten Forum, stand ein anderes Thema im Zentrum: Die Sicherheit. Dass „Persönliche Schutzausrüstung vor Allem“ geht, davon ist Lars Nick vom KWF überzeugt. Und gleich doppelt sicher gab sich Ernst Stenzel von der zuständigen Berufsgenossenschaft. „Sicherheit: Technik und Arbeitsweisen vom Sichersten“ war sein Vortrag überschrieben. Natürlich: Sicherheit spielt bei Holzernte, Holz-Be- und Verarbeitung, Transport – eigentlich überall eine ganz wesentliche Rolle.
Oder ist alles nur ein Spiel?
Dennoch: Bei bewusstem Verkennen der forstwirtschaftlichen Tatsachen hätte man vermuten können, Land-Männer und ihre Söhne haben die Messe zur Spielwiese umfunktioniert. Denn da kletterten schon 6-Jährige in Führerständen furchterregend großer Holz-Harvester im Freigelände herum und spielten Baumernte. Als scheinbares Gegenstück hatten Forscher in der – einzigen belegten – Halle 6B einen ferngesteuerten Forwarder an Spielzeugseilwinden auf einem Modellberg montiert. Damit wollten sie spielerisch erklären, wie der Abtransport von Langholz in steilem Gelände funktioniert.
Wer ganz unbedarft über das Gelände schlenderte, konnte sich sogar in den - weit verbreiteten - Vorurteilen zu den (Hinter-)Wäldlern aus der Holzbranche bestätigt fühlen. Da hatten jede Menge Männer Filzhüte am Kopf; da spielte eine Blaskapelle in einem riesigen Bierzelt Volkstümliches; da zeigten Goaßlschnalzer ihr Können am Stand eines Ausstellers. Und nach dem Besucherandrang an den Ständen zu urteilen: Sportholzfäller in Action haben immer noch wesentlich mehr „Follower“ als Wald 4.0. Denn mit einem Freibier und einer Brezel können Kettensägen-Produzenten offenbar auch heute noch viele Forstunternehmer auf ihre Stände locken.
Heinz Wraneschitz