27.01.2017
Eine Abrissbirne wird ausgewechselt
Großer Hype in den Mainstream-Medien um Siegmar Gabriels Abgang als SPD-Parteichef und Wirtschaftsminister. In epischer Breite wird dem Publikum dargelegt, dass er in seiner Amtszeit viel geschaffen habe. Die Metapher von der großen Leistung steht im deutschen Sprachgebrauch gleichbedeutend dafür, dass eine Leistung gut zu bewerten sei. Es steht uns hier nicht an, über den Parteichef Gabriel zu urteilen. Aber aus Sicht der Freunde der dezentralen Energiewende und der Bürgerenergie kann man dem Energieminister Gabriel nicht hinterher jubeln. Ja, er hat einiges zustande gebracht, aber nicht in unserem Sinne. Im Gegenteil. Angefangen damit, dass er alle energiepolitischen Zuständigkeiten in seinem Haus konzentrierte und die im Forschungs- wie im Umweltministerium vorhandenen Befürworter der Bürgerenergie und des Klimaschutzes kaltstellte, bis hin zur aktuellen Offensive für die energieeffiziente Ertüchtigung der Verbrennungstechnologien, waren es insgesamt drei bittere Jahre. Sie kosteten die Solarindustrie wesentlich mehr Arbeitsplätze als im Braunkohletagebau und der Kohleverstromung „gerettet“ wurden. Und sie kosteten vielen mittelständigen Solarpionieren die Existenz.
Die neue Ordnung im Strommarkt, für die sich Gabriel so sehr rühmt, hat mit einem Bündel von Gesetzesmaßnahmen, im letzten Jahr die EEG-Novelle, das Strommarktgesetz und das Digitalisierungsgesetz, zu einem nie erahnten Einbruch bei der Photovoltaik geführt. Vor allem die PV-Freifläche wurde kurz und klein gehauen, nicht nur durch die faustisch konstruierten Ausschreibungen, sondern auch durch die radikale Deckelung auf 10 MW und die Beschränkung auf Konversions- und Infrastrukturflächen. Wenn wir die Berechnungen von Volker Quaschning zur Sektorkoppelung betrachten, wird klar, dass die erforderlichen Strommengen nicht alleine mit Dachanlagen, sondern nur mit einer klugen Konzeption für die PV-Freifläche zu erreichen sein werden – oder eben fossil. Den Kohleverstromern diese Schneise für die nächsten Jahrzehnte geschlagen zu haben, ist eine von Gabriels Leistungen.
Betrachten wir die anstehenden Ausschreibungen für Windparks, fällt es nicht schwer, die zukünftige Entwicklung dieses Sektors abzuschätzen. Die Onshore-Windenergie wird es in Zukunft schwer haben, ebenso wie die Kraft-Wärme-Koppelung bis 50 KW. Auch das ist eine Leistung Gabriels, die wir absolut nicht bewundern. Und last but not least der Wärmesektor, in dem er mit seiner Linie der Energieeffizienz den Verbrennungstechnologien um Gas- und Ölbrennwert, die mit den Klimaanforderungen der Pariser Beschlüsse COP 21 so gar nicht mehr in Einklang zu bringen sind, eine Existenzverlängerung zu schaffen versucht. "Energy Efficency First" anstatt Erneuerbare zuerst ist eine politische Linie, die mit allen Mittel versucht wird, durchzudrücken. Die Konsequenz dieser Politik brachte der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) vor einigen Tagen auf den Punkt, als er konstatierte, die Wärmeversorgung aus Erneuerbaren Energien trete auf der Stelle. Auch das ist, ja genau, eine Leistung von Gabriel.
Nun geht Siegmar Gabriel und Brigitte Zypris kommt. Sie hat die Politik des Rollbacks zu einer Zentralisierung der Energiewende als Staatsekretärin im Bundeswirtschaftsministerium mit getragen. Auch wenn sie in dieser Legislaturperiode aus dem Schatten des Stars Gabriel nie heraustreten konnte, ist sie keine Notlösung. Sie war von 2002 bis 2009 Justizministerin in den Kabinetten Schröder II sowie Merkel I und gehört damit zum Spitzenpersonal des kleineren Koalitionspartners SPD. Sie wird, davon kann man getrost ausgehen, die Energiepolitik ihres Vorgängers fortsetzen.
Wenn wir Gabriels Leistungen zähneknirschend anerkennen müssen, heißt das nichts anderes, als dass er uns Niederlagen beigebracht hat. So bitter das auch sein mag, das müssen wir uns eingestehen. Wenn wir also bestrebt sind, die Erneuerbaren Energien nach vorne zu bringen, hat sich mit dem Personalwechsel im Wirtschaftsministerium nicht wirklich etwas geändert.
Links:
Die Abrissbirne Gabriel hält Märchenstunde, DGS-Online vom 17.06.16