26.10.2018
Solar-Millennium-Gründer unterliegt gegen Süddeutsche Zeitung
„Klage abgewiesen!“ Eindeutig fiel das Endurteil aus, das die Vorsitzende Richterin Monika Bieber von der 11. Zivilkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth verkündete. Damit muss Hannes Kuhn voraussichtlich auf jene 78 Mio. Euro verzichten, die er als Schadenersatz von der Süddeutschen Zeitung (SZ) und zwei ihrer Journalisten eingeklagt hatte.
Kuhn hette einen SZ-Bericht vom 25. Juli 2013 dafür verantwortlich gemacht, dass er Anteile der sich zumindest im Strudeln befindlichen Solar Millennium AG nicht an Schweizer Investoren hatte verkaufen können. In der Urteilsbegründung stellte nun die Kammer vor allem klar: Sie habe keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem SZ-Artikel und dem Absprung des Investors von den Kaufabsichten erkennen können.
Während SZ-Redakteur Uwe Ritzer und sein Anwalt Martin Schippan der Urteilsverkündung beiwohnten, war die Partei des Klägers Kuhn nicht anwesend. Trotzdem hat der Unternehmer nun einen Monat Zeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Wie zu hören war, dürfte Kuhn allein das Verfahren in der ersten Instanz am Landgericht über 700.000 Euro gekostet haben: Neben Gerichtsgebühren von 329.000 Euro dürften beide anwaltschaftliche Vertretungen jeweils Rechnungen von gut 200.000 Euro stellen, so die Rechtsanwaltsgebührenordnung. Das Gericht jedenfalls lud dem Kläger Kuhn die gesamten Verfahrenskosten auf.
Vor allem „einen Versuch der Einschüchterung von kritischen Journalisten“ vermutet SZ-Anwalt Schippan hinter Hannes Kuhns Vorgehen. Der jedenfalls hatte weder die Hinweise der Richterin in der Güteverhandlung noch nach der Befragung zweier Schweizer Zeugen genutzt, die Klage zurückzuziehen.
- Ein Blick zurück: Am 25. Juli 2013, also viereinhalb Jahre zurück, hatten die beiden erfahrenen Wirtschaftsredakteure Uwe Ritzer und Markus Balzer einen kritischen Beitrag zu „maßgeblich krummen Geschäften“ von Hannes Kuhn veröffentlicht. Der hatte in den 1990er Jahren die Erlanger Solar Millennium AG (SM) mitgegründet und war Großaktionär, zuletzt Aufsichtsrat. 2011 meldete SM Insolvenz an. Schon vorher hatte es Spekulationen um Insiderhandel mit Aktien gegeben. Doch 2013 hatten Ritzer und Balser dafür wohl Belege aufgetan.
Zeitgleich witterte Kuhn 2013, lange nach dem Insolvenzantrag, offenbar die Chance, doch noch Teile des Unternehmens zu verkaufen und die Technologie der Parabolrinnen-Solarkraftwerke, die aus Wärme Strom produzieren – in fernen Ländern wie Indonesien zum Laufen zu bringen. Glaubt man dem Ex-Manager, der im feinen Zwirn vor Gericht erscheint, dann war allein der SZ-Artikel schuld, dass „die Geschäftsbeziehungen mit der Investorengruppe abgebrochen wurden, sich in Luft aufgelöst haben“, wie Richterin Marion Bieber die Klageschrift zitiert.
„Eine Anklage wegen 9.000-fachem Anlagebetrug hat die Investoren nicht gestört, aber ein Zeitungstext? Der Artikel hat nichts mehr geändert“, sind dagegen die beklagten Redakteure und ihre Anwälte sicher. Zudem sind sie sich keiner Schuld bewusst: Sie hätten saubere journalistische Arbeit geleistet, sprich: Sie haben dem Kläger Fragen zum Sachverhalt geschickt, sogar mit konkretem Bezug zu einzelnen firmeninternen Unterlagen. Doch der habe darauf inhaltlich nicht geantwortet.
Dazu habe ihm damals seine Strafverteidigerin geraten, führt Kuhn dazu ins Feld. Er bestätigt auch, er war zu der Zeit bereits zivilen und privaten Klagen ausgesetzt – immerhin hatten einige Tausend Anleger einen dreistelligen Millionenbetrag in die SM investiert gehabt. Deshalb habe er gedacht, es ginge bei den Journalistenfragen um diese Vorwürfe.
Offenbar hatte selbst sein damaliger Wirtschaftsanwalt Winfried Seibert den Sinn der Fragen nicht erkannt. Im Februar 2018 konnte der sich als Rechtsbeistand des Klägers nicht mehr an diese Anfrage erinnern. Denn kurze Zeit nach der Anfrage habe er für acht Tage im künstlichen Koma gelegen, begründet Seibert seine Gedächtnislücke. In der Güteverhandlung im Februar hatte die Vorsitzende Bieber bereits die „Verschwörungstheorien“ in Kuhns Schriftsatz als überflüssig bezeichnet.
Der Vorwurf Hannes Kuhns, die SZ habe ihn „kaputtgemacht“, ist jedenfalls erst einmal vom Tisch. Denn die verhinderten Schweizer Geschäftspartner des Erlangers hatten vor Gericht ausgesagt, sie hätten besagten Artikel nicht einmal gelesen. Nun konnte sich SZ-Anwalt Martin Schippan bestätigt fühlen: Seiner Forderung vom Februar, „bereiten Sie diesem Frontalangriff auf die Pressefreiheit schnellstmöglich ein Ende“, hat die 11. Zivilkammer des LG Nürnberg voll entsprochen.