25.05.2018
Fakes und keine Hemmungen
Auch ein halbes Jahr nach der Normänderung der VDE 0100-551-1 versuchen noch immer einige Netzbetreiber die Bürger mit Falschaussagen einzuschüchtern und vom Betrieb eines steckbaren Solargerätes abzuhalten. Die Methoden sind nach wie vor die alten: zum einen wird die Zulässigkeit eines Anschlusses im Endstromkreis in Frage gestellt und zum anderen wird Angst davor erzeugt, der Betrieb steckbarer Solargeräte könnte gefährlich sein. Um es hier klar zu sagen, die Normänderung ist ein halbes Jahr her, aber die betreffenden Netzbetreiber setzen bewusst und willentlich Fake-Aussagen in die Welt. Sie tun dies allerdings nicht mehr öffentlich in den Medien, denn sie wissen dass ihre Fakes dort schneller auffliegen würden. Stattdessen reagieren sie mit individuellen Fake-Schreiben an Bürger, die ihnen den Betrieb eines steckbaren Solargerätes mitgeteilt hatten. Die DGS sammelt solche Fakes und nennt öffentlich Ross und Reiter.
So schreibt im vergangenen Monat eine Netzkundenbetreuerin der Netze BW GmbH aus Heilbronn, „hierdurch können vorhandene Schutzeinrichtungen der häuslichen elektrischen Anlage, wie z.B. Sicherungen, ihre Schutzfunktion nicht mehr im vollen Umfang erfüllen, da sie den in die Steckdose rückgespeisten Strom nicht erkennen und auf ihn nicht ordnungsgemäß reagieren“. Natürlich weiß sie, dass bei Geräten bis 600 W kein Sicherheitsproblem vorhanden ist. Sie setzt aber mit der Behauptung, „…nach den derzeit geltenden VDE-Sicherheitsvorschriften ist der Anschluss von Stromerzeugungsanlagen an einen Endstromkreis bzw. an die Steckdose in keinem Fall zulässig“ ganz gezielt noch eins drauf. Um solchen Aussagen Glaubwürdigkeit zu verleihen, wird denn auch mal eine PDF-Fassung der Norm VDE 0100-551-1 aus dem Jahr 2011 oder 2013 mitgeschickt.
Und der Netzbetreiber Stromnetz Berlin, eine Tochter der Vattenfall, verschickt ebenfalls im April 2018 ein zweiseitiges „VDE-Faktenpapier“ mit dem Titel „Warnung vor Erzeugungsanlagen mit Steckern“, in dem der ganze alte Fake-Kram drin steht. Ein Veröffentlichungsdatum hat das VDE-Fakepapier keines, was Wunder, denn es ist schon seit Jahren im Einsatz. Und es enthält natürlich einen Verweis auf die Norm, die längst geändert ist. Ob dieses Vorgehen auf dem Mist der jeweiligen Netzbetreiber entstanden ist, oder ob der VDEW als geistiger Vater dieser Fakes dahinter steht, wissen wir natürlich nicht. Auffällig ist aber, dass die genannten beiden Beispiele von Netze BW GmbH und Vattenfall nicht die einzigen sind.
Interessant in diesem Zusammenhang ist ein weiteres Detail, das in diesen Briefen auftaucht, aber auch von den besagten Interessenvertreter der Netzbetreiber im VDE Forum Netze und Netztechnik F(NN) vertreten wird. Sie argumentieren, der Nachweis der Nichteinspeisung sei durch einen Zweirichtungszähler notwendig. Einmal abgesehen davon, dass ein steckbares Solargerät, wenn überhaupt, nur geringe Strommengen ins Haus abgeben würde, sehen genau dieselben „Fachleute“ dies bei Fahrstühlen ganz anders. Da ist eine Einspeisung bei der Aufwärtsfahrt bzw. der Abwärtsfahrt der Gegengewichte im Lift kein Thema. Einspeisen in einen Endstromkreis beim Fahrstuhl, klar warum nicht und ein Zweirichtungszähler ist laut Norm auch nicht nötig. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Die geschilderten Fakes sind bösartig und zielen darauf ab, die Mieterschaft bei der Teilhabe an der Energiewende wieder raus zu boxen. Mit ihren Fakes befinden sich nicht die Nutzer der Balkonmodule in einer rechtlichen Grauzone, sondern die Netzbetreiber. Sie ignorieren gültige Normen und verletzen die Gesetze hinsichtlich Diskriminierungsfreiheit. Sie missbrauchen Gremien aus wirtschaftlichen Interessen und versuchen zusätzlichen Umsatz durch unnötige Zähler zu generieren. Das passt alles in die Politik, durch hinterfotzige Hürden für dezentrale Erzeuger diese zu behindern und durch forcierten Netzausbau, der vielfach unnötig ist, ihre 9%-Rendite bei den Netzgebühren zu erhalten. Ein Vergleich mit den Lügenbeuteln der Autoindustrie bietet sich an. Im faken sind beide ganz groß. Und, auf Vattenfall bezogen, sollte das die Voraussetzung in Berlin sein, um Netzbetreiber zu sein? Genau genommen fehlt solchen Unternehmen die Qualifikation zum Netzbetreiber, es fehlt ihre Glaubwürdigkeit.
Klaus Oberzig
DIN VDE V 0100-551-1 VDE V 0100-551-1:2018-05: Errichten von Niederspannungsanlagen