24.08.2018
Netzentgelte längst treibender Faktor der Strompreise
Nur in wenigen Lebensbereichen ist es zu einer derartigen Verteuerung der Verbraucherpreise gekommen wie beim Strom. Alleine bei den Mieten läuft momentan etwas Ähnliches ab, allerdings nur in den größeren Agglomerationen, auf dem flachen Land nicht. Der Strompreis für Verbraucher war kurz nach der sogenannten Liberalisierung 2001 auf ein Minimum von 13,5 Cent/kWh gefallen und ist seither - nicht für Industriekunden - unaufhörlich gestiegen. Aktuell liegt er bei durchschnittlich 29,16 Cent/kWh. Dies entspricht einer Steigerung von etwa 70 % bzw. durchschnittlich rund 3,5 % pro Jahr. Natürlich hat die Merkel’sche Politik seit 2009 die EEG-Umlage zu einem dicken Preistreiber gemacht. Aktuell, so die Berliner Agora Energiewende, die die Sichtweise der Energiewirtschaft in die Reihen der Solarcommunity trägt, werde die Höhe der EEG-Umlage 2019 stabil bleiben und irgendwo zwischen 6,7 und 6,9 Cent/kWh verharren. Das liege einmal an den immer noch milliardenschweren Rücklagen der Netzbetreiber auf dem EEG-Konto. Zum anderen lassen die allgemein gestiegenen Stromgroßhandelspreise auch die Erlöse aus Erneuerbaren Energien steigen und verringern tendenziell die Umlage.
Agoras Statement soll wohl beruhigen, weist aber nicht darauf hin, dass dagegen die Entwicklung der Netzentgelte alles andere als beruhigend ist. Denn die sind nicht nur höher, sondern werden weiterhin deutlich steigen. Macht die EEG-Umlage runde 23 Prozent des Strompreises für den Verbraucherhaushalt aus, so liegen die Netzentgelte bei über 27 Prozent. Der reine Erzeugerpreis, wie er sich in den Großhandelskursen manifestiert, liegt gerade mal bei einem Fünftel. Die in den kommenden Jahren anstehende, bundesweite Angleichung der Netzgebühren und der vergangene Woche von Bundeswirtschaftsminister Altmaier gefasste “Aktionsplan Stromnetz” zur Beschleunigung des Ausbaus, werden die Netzgebühr weiter in die Höhe treiben.*
Längst hat eine Monopolbildung bei den Netzbetreibern stattgefunden, die mit dem Verkauf der RWE-Tochter Innogy an Eon im Jahr 2018 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Damit ist eine Situation entstanden, welche die mit der Liberalisierung angestrebte Verhinderung von marktbeherrschenden Monopolen vollständig auf den Kopf stellt. Nicht die Erzeugung von Strom ist das Geschäft und wird es in Zukunft immer weniger sein, sondern der schiere Besitz von Stromnetzen. Die Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV, die die „Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen“ regelt, ist ein verschlungenes und höchst listig erdachtes Werk, das nichts anderes als eine Lizenz zum Gelddrucken ist. Es garantiert behördlich genehmigte Monopolprofite und schafft darüber hinaus mit der letzten Novellierung die Voraussetzungen, dass mit einem Fluktuationsausgleich von volatilem PV- und Windstrom im Netz eine weitere Erhöhung der Netzentgelte durchgesetzt werden kann. Betreiber von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen werden zukünftig zu abhängigen Zulieferern, die immer weniger verdienen werden. Kein Wunder dass von Agora bis zu RWE verkündet wird, die Zukunft der Energiewende liege im Netz. Für die Energiemonopole schon, aber nicht für die Bürgerenergie. Deren Zukunft erscheint immer dunkler.
Wer diese These über die StromNEV nicht glauben mag, der kann sich durch einen Blick in den Gesetzestext überzeugen. Ohne fundierte juristische Kenntnisse und ohne jahrelange Expertise und Erfahrung im Dschungel dieser rechtlichen Anleitung für den Rollback zu „neuen“ Monopolverhältnisse wird er schnell verzweifeln. Er wird, wie der Volksmund sagt, Bahnhof verstehen. Aber nicht alleine die rechtlichen Rahmenbedingungen sind gegen Bürgerenergie und Erneuerbare gerichtet. Auch die in der Amtszeit von Kanzlerin Merkel auf- und ausgebauten Institutionen sind es. Gemeint ist die Bundesnetzagentur BNetzA. In einem bemerkenswerten Fernsehbeitrag des ZDF-Magazins „Frontal21“ am 21. August 2018 wurde enthüllt, dass die Berechnung der Netzentgelte von der BNetzA als geheime Reichssache behandelt wird, in der auch sie niemand Einblick gewähren will. Mit welchem Faktoren und Zahlen die Stromnetzmonopolisten gegenüber der Behörde abrechnen bzw. sich ihre Rechenwerke absegnen lassen, wird in allen Veröffentlichungen der BNetzA geschwärzt. Und Behördenchef Jochen Homann will, ebenso wie Eon-Chef Johannes Theissen und Innogy Netzchefin Hildegard Müller, nicht über die fetten Eigenkapitalrenditen, die er genehmigt, reden. Obwohl er von Gesetzes wegen dazu verpflichtet wäre. Was „frontal21“ vorsichtig als fehlende Transparenz bezeichnet, ist eine faustdicke Kumpanei mit den Netzgewaltigen.
Klaus Oberzig
Entwicklung der Strompreise (Stromauskunft)
Frontal 21: Geheime Netzentgelte,Wie Stromriesen kräftig abkassieren (21.08.18)
*Peter Altmaier und sein Aktionsplan Stromnetz, DGS-News vom 17.08.2018