23.06.2017
„Die DGS ist doch sonst so kritisch…“ – Zweiter Versuch über die Ausschreibung Wind
Im Medienspiegel der DGS News vom 9.6.2017 hatten wir basierend auf einer Pressemeldung der Bundesnetzagentur (BNetzA) über die erste Ausschreibungsrunde Wind onshore berichtet und die BNetzA- Interpretation, die Bürgerenergie habe sich dabei durchgesetzt, wiedergegeben. Die BNetzA hatte im Original geschrieben: „Mit 71 Prozent der eingereichten Gebotsmenge waren Bürgerenergiegesellschaften in dieser ersten Runde besonders stark vertreten. Im Ergebnis entfallen 93 Prozent der Zuschläge (65), bzw. 96 Prozent des Zuschlagsvolumens auf Bürgerenergiegesellschaften“. Nach unserer zugegebenermaßen unbedarften Übernahme dieser Botschaft erhielten wir Leserbriefe, die meinten, wir hätten die Meldung der BNetzA kritischer hinterfragen müssen. So schrieb M. Futterlieb aus Berlin: „ Schon eine kurze Durchsicht der bezuschlagten Gebote zeigt recht oft das Konstrukt UG & Co. KG, was unter den Bürgerenergieakteuren (zumindest denen die ich kenne) völlig unüblich ist…“.
Tatsächlich finden sich unter den 70 bezuschlagten Bietern 14 solche mit der Firmenkonstruktion UG & Co. KG. Wobei das UG für Unternehmergesellschaft steht, eine Art GmbH light, die faktisch mit einem Euro Einlage gegründet werden kann. Auch die RWE-Tochter Innogy war mit drei Zuschlägen erfolgreich. Als eingetragene Genossenschaft findet sich nur eine. Die Mehrheit laufen als GmbH & Co.KG. Nun lässt sich anhand der Firmennamen schwerlich einschätzen, wer sich dahinter verbirgt und ob es sich um „echte“ Bürgerenergiegesellschaften handelt oder um eine zweifelhafte Fassade. Da Bürgerenergiegesellschaften bei der Windkraftausschreibung besonderen Ausschreibungsbestimmungen unterliegen, macht zu allererst das Auftauchen dieser „GmbH light“ stutzig. Insgesamt haben nach §36g EEG Bürgerenergiegesellschaften folgende Vorteile: sie dürfen auch mit Projekten ins Rennen gehen, die noch keine BImsch-Genehmigung aufweisen. Außerdem bekommen sie in der Regel einen besseren Preis für ihren Strom und haben nach dem Zuschlag länger Zeit, die Windräder zu bauen.
Trotz dieser besseren Bedingungen kritisiert René Mono, Vorstand im Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn), dass seitens der BNetzA „mit einer vollkommen neuen Definition von Bürgerenergie gearbeitet wurde“. Man müsse genau hinschauen, „ob alle Unternehmen, die sich als Bürgerenergie-Gesellschaften in der Ausschreibung ausgewiesen haben, tatsächlich das erfüllen, worauf es bei Bürgerenergie ankommt: Demokratie, Mitsprache und Mitbestimmung der Menschen vor Ort – eben echte Partizipation.“ Genau hingeschaut hat etwa Markus Käser, der Vorsitzende von Bürgerenergie Bayern e.V. Laut einer Meldung des Bayerischen Rundfunks (BR) organisiert sein Verband zwar 250 Energiegenossenschaften, von den Ausschreibungsteilnehmern kenne er aber keinen einzigen.
So entsteht denn die Frage, ob mit dem Prädikat Bürgerenergiegesellschaft eine Art Etikettenschwindel betrieben wird. Das Bündnis Bürgerenergie hatte während der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2016 zusammen mit seinen Mitgliedern und weiteren Partnern erreicht, dass bei den neuen Windenergie-Ausschreibungen besondere Regeln für kleine Akteure – Stichwort Akteursvielfalt - eingeführt wurden. In der genauen Ausgestaltung dieser Regeln war das federführende Bundeswirtschaftsministerium jedoch nicht den vorgebrachten Vorschlägen gefolgt. Und hier scheint der Hase im Pfeffer zu liegen. Die vom Bundeswirtschaftsministerium im §36g EEG gewählten Formulierungen bieten Raum „für neue Geschäftsmodelle“. So sprach die Osnabrücker Övermöhle Consult bereits im November 2016 bei den 25. Windenergietagen Potsdam von „neuen Kooperationsmodellen“ und prophezeite in Kenntnis der Rechtslage um den §36g EEG treffgenau die Ausschreibungsergebnisse dieser ersten Runde. Geschäftsführer Klaus Övermöhle: "Wir haben das Ausschreibungsergebnis genauso erwartet und sind deshalb nicht überrascht. Alle unsere Kunden und sonstigen Akteure, die unseren Empfehlungen gefolgt sind haben einen Zuschlag erhalten“.
Diese neuen Kooperationsmodelle, die unter der Flagge der Bürgerenergiegesellschaften segeln, zeichnen sich dadurch aus, dass ortsfremde Projektierer einzelne Bürger „finden“, die sich an solchen Unternehmungen, nicht nur den UGs, beteiligen. Nach der neuen Definition von Bürgerenergiegesellschaft, die die BNetzA anwendet, müssen mindestens zehn natürliche Personen Anteilseigner sein. Mehr als die Hälfte des Stimmrechts muss bei Menschen liegen, die im Landkreis wohnen, wo die Anlage gebaut werden soll. Kein einzelner darf mehr als zehn Prozent der Stimmrechte halten. Und ein Zehn-Prozent-Anteil muss der Kommune angeboten werden, wo die Anlagen stehen. Betrachten wir nun das Ergebnis dieser Ausschreibung, so ging der Löwenanteil der Zuschläge nach Norddeutschland, zwei waren aus Bayern. Eines davon in Elfershausen bei Bad Kissingen. Aber die Elfershausen Bürgerwindpark GmbH & Co. KG ist unter einer Adresse in Osnabrück registriert. Dahinter, so enthüllte der BR, steht der Windkraftentwickler Pro Wind GmbH. Er habe mit anderen (Bürgerenergie)Gesellschaften unter der gleichen Adresse bei der Ausschreibung noch sechs weitere Projekte gewonnen: in Niedersachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen. Der Geschäftsführer des Bürgerwindparks Elfershausen ist der gleiche wie der von Pro Wind Osnabrück: Johannes Bussmann.
Vom BR auf sein „Bürgerenergieprojekt“ angesprochen, hatte Bussmann eine unverblümte Antwort parat: „Wir verstehen uns als Generaldienstleister und wir versuchen das auch möglichst schlank zu verwalten. Aber das entscheidende ist, dass in den Regionalgesellschaften jeweils in der Regel acht oder neun regionale Leute sind, die die volle Entscheidungsgewalt über die Projekte haben." So wird die Bürgerenergiegesellschaft zur Regionalgesellschaft von Pro Wind GmbH. Auch andere Projektierer wie etwa Enertrag singen das Lied vom Dienstleister und nennen dies „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bürgerenergiegesellschaften“. All dies findet mit Wissen und Billigung der BNetzA und des Bundeswirtschaftsministeriums statt, die das dann als Erfolg der Bürgerenergie verkaufen. Es ist die gleiche Linie wie beim Thema Mieterstrom, Eigenversorgung usw. Diese Bundesregierung versucht die Bürgerenergiebewegung überall auszubremsen und scheut davor auch nicht den primitivsten Etikettenschwindel.
Klaus Oberzig
Ergebnisse der ersten Ausschreibung für Wind an Land